Manchmal sitzt Malte Dorowski abwesend am Frühstückstisch. Seine großen braunen Augen schauen dann sehr ernsthaft in die Ferne. „Am Anfang hat meine Frau immer noch gefragt, ob alles in Ordnung sei“, sagt er mit einem Lächeln, das schüchtern um Entschuldigung bittet. Mittlerweile macht sich Frau Dorowski überhaupt keine Sorgen mehr. Sie weiß, dass ihr Mann in solchen Momenten über ein konstruktives Problem nachdenkt. Zum Beispiel ob er die Stoßzähne von Elefanten als Spurverbreiterung an den Radkästen nehmen kann. Klingt schräg? Ist aber so. 

Nach dem Frühstück geht Malte Dorowski ganz normal zur Arbeit. Am Feierabend probiert er dann aus, ob die Idee mit den Stoßzähnen etwas taugt. Dafür hat er sein eigenes Zimmer. Ein Lego-Zimmer. Lego, das sind die bunten Bausteine aus Kunststoff, die man zu unendlich vielen Formen zusammenstecken kann. Ein Tischler aus Dänemark hat sie erfunden, seit den Fünfzigerjahren sind Kinder auf der ganzen Welt mit ihnen groß geworden. Lego ist aber auch mehr als Spielzeug, Lego ist Kult.

Von Fingerübungen zu Porsche

Malte Dorowski ist 32 Jahre alt. Er hat eine Ausbildung als Mediengestalter gemacht, heute arbeitet er bei einem gro­ßen Onlineportal in Norddeutschland. Auf seiner Visitenkarte steht „Leitung Marketing“, aber der junge Mann hält sich gern im Hintergrund. Trägt Dreitagebart, Kapuzenpulli und klassische Turnschuhe. Wenn etwas auffällt an ihm, dann die schlaksige Figur. Und das Glück der Kindheit, von dem er ein Teil in sein Leben als Erwachsener gerettet hat. Malte Dorowski hat alle Autos gebaut, die man bei Lego als Bausatz kaufen konnte.

Irgendwann fand er es langweilig, einen Feuerwehrwagen nach Anleitung zusammenzustecken. Das waren für ihn nur Fingerübungen. So kam er zu Porsche. Die markanten Silhouetten der Sportwagen auf eigene Faust hinzubekommen, war eine neue Herausforderung. Einen anderen Plan als das echte Vorbild auf vier Rädern gibt es nicht. Der Lego-Tüftler braucht viel Fantasie, denn er will bei seinen Modellen so detailgetreu sein wie irgend möglich. „Die geschwungene Linie über den hinteren Radkästen, die leicht zum Heck abfällt – die ist echt schwierig“, sagt er mit leuchtenden Augen.

Mehr als 30 Porsche-Modelle gebaut

In vier Jahren hat Dorowski mehr als 30 Porsche-Modelle gebaut. Alle im Maßstab 1:16 oder 1:17. Um das Spiel spannend zu halten, hat er sich strenge Regeln auferlegt: Er verwendet nur Originalsteine, wie sie von Lego angeboten werden. Keiner wird abgerundet oder sonst wie verformt. Und kein Bauteil wird lackiert. Einzige Ausnahme: Felgen lässt er verchromen. Weil eine Felge in Blau oder Rosa nun wirklich komisch aussieht.

Porsche-Fahrzeug als Lego-Modell
Porsche-Fahrzeug als Lego-Modell

Lego lockt Kinder mit immer neuen Bausätzen in die verschiedensten Spielwelten. Es gibt Taucher und Piraten, roboterhafte Fantasiefiguren und Superhelden. Malte Dorowski bedient sich in diesen Welten: Die schwarzen Harpunen der Taucher nimmt er als Scheibenwischer. Der Haken der Piratenfiguren ergibt ein prima Verbindungsglied für den Überrollkäfig. Das Gestell für den Schalensitz war mal ein Fenstergitter im Lego-Gefängnis.

Einziges Werkzeug ist eine Pinzette

Der Spielplatz für Dorowskis Leidenschaft ist einfach gehalten: ein Hobbyraum mit einem Schreibtisch. Einziges Werkzeug: eine Pinzette. Rings um den Schreibtisch stehen 20 transparente Plastikkisten, in denen die Legosteine nach Formen sortiert sind. Die kleinen Teile liegen in Einsätzen für die Besteckschublade. Manchmal fährt Dorowski auch zu seinen Eltern in die Lüneburger Heide, weil er vermutet, dass in seinem Kinderzimmer noch ein Spezialteil liegt, das er gerade ganz besonders gut gebrauchen kann. Zum Beispiel für die geschwungene Abdeckung des Armaturenbretts: „Das war der schwarze Umhang eines Superhelden  –  ich glaube, der von Batman.“

Die ernsthaften Lego-Konstrukteure sind in einer weltweiten Szene vernetzt. Sie zeigen ihre Modelle auf Ausstellungen und stellen Fotos ihrer Schöpfungen ins Internet. Malte Dorowski ist ein Star in dieser Welt. Immer wieder wird er nach Bauplänen gefragt, manche Mitspieler bieten ihm Geld dafür. Aber das ist gegen die Konstrukteurs-Ehre. Außerdem existiert der Plan für den weißen Porsche 908 von Steve McQueen nur in seinem Kopf. „Wenn ich den zeichnen müsste, wäre das ja Arbeit“, sagt er bescheiden, „und für mich ist das Ganze einfach nur Entspannung.“

Porsche-Museum aus Lego

Statt eine Bauanleitung zu verkaufen, tüftelt er lieber so lange, bis er ein Cabrioverdeck exakt so nachbildet, das sich falten und verstauen lässt. Das sind dann so typische Frühstücksgedanken. Außerdem denkt er intensiv über die ganz große Lösung für seine Liebhaberei nach: Er will sich das Porsche-Museum bauen, damit seine Modelle ein standesgemäßes Gehäuse bekommen.

Seine liebsten Porsche-Modelle hat Malte Dorowski ins Studio mitgebracht. Bevor der Fotograf abdrückt, pustet Baumeister Dorowski vorsichtig über eine Einzelradaufhängung, falls dort noch ein Körnchen Staub draufliegen sollte. Behutsam drückt er einen Heckflügel fest. Wenn er seinen Sohn auch nur annähernd ähnlich behandelt, muss es diesem Kind sehr gut gehen. Paul ist eineinhalb Jahre alt. Und selbstverständlich spielt er schon mit Legosteinen.

Aber natürlich noch mit den gro­ßen Duplo-Exemplaren, die für die Hände von Kleinkindern bestimmt sind. Sein Vater sieht allerdings bereits ein Problem auf sich zukommen: Was soll er machen, wenn das Kind alt genug ist für die kleinen Steine? Darf Paul dann mit ins Lego-Zimmer? Auf die Gefahr hin, dass er die Ordnung des Konstruktions­büros durcheinanderbringt? Oder gar den roten Porsche 917 Kurzheck aus dem Regal fallen lässt und dieser dann in seine 1523 Einzelteile zerspringt? Malte Dorowski blickt zuversichtlich in die Zukunft und sagt: „Da muss ich noch eine Lösung finden.“

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