So wie ein realer Sportwagen mehr ist als die Summe seiner Teile, so fasziniert auch sein kleiner Bruder aus Kunststoff mit einer ungeheuer authentischen Anmutung. Kein simpler Modellbau, sondern Kunst – und ein Erlebnis. Frank-Steffen Walliser, Leiter Motorsport und GT-Fahrzeuge, ist nicht leicht zu beeindrucken. Immer wieder betätigt der Maschinenbauingenieur die Schaltpaddles. Das Doppelkupplungsgetriebe tritt in Aktion, die Gänge rasten ein. Ganz normal in einem Porsche 911 GT3 RS. Aber dieses Modell in Lava-Orange parkt nicht draußen vor dem Gebäude, sondern auf Wallisers Schreibtisch. Es ist von Lego. Schon als Kind hat Walliser mit Kunststoffspielzeug der dänischen Firma gebaut – zum Beispiel das Auto mit der Artikelnummer 8860. 662 Teile, Boxermotor, Differenzial, Hinterradfederung, exakt funktionierende Lenkung: „Dieses Modell hat viel zu meinem Interesse für Autos beigetragen, sodass ich mich später für eine Ausbildung und berufliche Laufbahn in der Ingenieurstechnik entschieden habe.“ Aber das hier? Unglaublich!

Uwe Wabra, Senior Designer im Lego-Technic-Team, hat Modell 8860 von 1980 mitgebracht, doch der GT3 RS wirkt dagegen wie von einem anderen Stern. Rund zwei Jahre haben er und sein Team getüftelt. 2704 Teile, weniger als zehn der Teile sind Neukonstruktionen. Der Rest speist sich komplett aus schon vorhandenen Lego-Technic-Elementen, die Felgen sind natürlich neu. Porsche only! Die schwarzen Kunstwerke gibt es nur in diesem Bausatz – und dazu eine lasergravierte Platte mit individueller Nummer. Unverwechselbar wie ein Fingerabdruck. Ein Stück, das man sich für ganz zum Schluss aufhebt. Klick. Sitzt. Vollendet. Der Glücksmoment, da ist er endlich, wenn Teil Nummer 2704 verbaut ist.

911 GT3 RS ist ein Highlight in der Lego-Technic-Reihe

„Der Porsche 911 GT3 RS ist ein absolutes Highlight innerhalb unserer Lego-Technic-Reihe“, sagt Wabra. „Die gesamte Entwicklungsphase war streng geheim. Und das Konzept ist außergewöhnlich: Dabei hat uns nicht nur das fertige Modell interessiert, sondern auch das Bauerlebnis.“ Schon die Verpackung ist edel: Die Elemente der einzelnen Baugruppen sind erstmals in separaten Boxen verpackt. Zusammen mit der umfassenden Bauanleitung bieten sie einen Einblick in den Montageprozess des Originals. Sogar die Bauabschnitte gleichen denen des großen Vorbilds. Bis hin zur „Hochzeit“, dem Einbau der Motor- und Getriebeeinheit in die Karosserie.

Uwe Wabra, Senior Designer bei Lego Technic (l), Andreas Preuninger, Leiter Fahrzeugprojekte Porsche, 911 GT3 RS, 2016, Porsche AG
Andreas Preuninger (r) und Lego-Designer Uwe Wabra

Acht Treffen mit den Porsche-Experten gab es von 2013 an bis zum fertigen Prototyp – circa 40 hat Wabra bis zum perfekten Entwurf gebaut. Im Herbst 2015 dann die Präsentation bei Frank-Steffen Walliser und Andreas Preuninger, Gesamtprojektleiter GT-Straßenfahrzeuge. Die erste Begegnung des frisch vollendeten Porsche 911 GT3 RS und seines kleinen Bruders aus Dänemark. Vorbild und Modell entstanden parallel mit geheimem Datenaustausch zwischen Billund und Weissach. Das Ergebnis überzeugte Preuninger: „Es hat mich erstaunt, wie viel Ähnlichkeit mit dem echten Auto erreicht wurde. Die ganz speziellen Falzlinien auf der Motorhaube und dem Dach zum Beispiel, die Öffnungen in den Kotflügeln, die großen Flügel und die Lufteinlässe finden sich alle im Modell wieder. Es ist sofort ersichtlich, dass es einen RS darstellt.“

57 Zentimeter geballte Technik

Auch die ersten Präsentationen des Modells im Frühjahr erinnerten an einen echten Porsche: ein abgeklebter Erlkönig für die London Toy Fair und die Spielwarenmesse in Nürnberg. Die Fans in den Foren überschlugen sich. Viele versuchten, sich schon vorab einen Bausatz zu sichern – besser noch zwei: einen zum Aufbauen und einen als Wertanlage originalverpackt und versiegelt. Seit August ist das Lego-Technic-Modell Nummer 42056 weltweit erhältlich. Ein Mindestalter von 16 Jahren wird empfohlen. Von einem Höchstalter ist keine Rede. Es liegt nahe, dass nicht nur Jugendliche die 2704 Bauelemente zusammensetzen werden. 57 Zentimeter geballte Technik wollen erbaut werden.

Somit ist das Porsche-Modell eines der größten, das je im dänischen Billund entwickelt wurde. Uwe Wabra setzt den Miniatur-Sportwagen inzwischen in zehn Stunden zusammen. Selbst geübte Lego-Tüftler werden wesentlich länger brauchen. Eine echte Herausforderung. Lange Abende sind vorprogrammiert.  Oldtimer-Fan Uwe Wabra hat seit seinem Besuch im Porsche-Museum andere Ziele: „Ein Porsche 356. In echt. Kein Modell. Das wäre mein Traum.“

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