Mit der neuen Generation Carrera hat der 911 für viele seine Unschuld verloren. Denn Turboaufladung und Hightech in Fahrwerk und Lenkung sind aus modernen Sportwagen nicht mehr wegzudenken – und das ist gut so, sagt Walter Röhrl.
Er muss es wissen, denn er hat diese Zeitenwende schon einmal erlebt. Damals, in den frühen Achtzigern: Der Vierradantrieb und die gigantischen Leistungen der zwangsbeatmeten Motoren führten den Rallyesport in eine neue Epoche. Da war es Röhrl, der sich am Gipfel der Kunst beinahe übermächtig in Talent und Fähigkeit auch mit klassischem Gerät ganz hinauf auf das Treppchen fuhr. Und dann, ein paar Jahre später, auch den entrücktesten Hightech-Tieren ewig währende Rekorde entlockte.
Wir haben deshalb mit ihm auf dem finnischen Eis am Lagerfeuer bei einer heißen Tasse Tee zusammengesessen und gefragt: Fortschritt, was bringt er und wie setze ich ihn am besten ein?
Seine Antwort ist eine kurze, weil er weiß, dass es uns hauptsächlich um den Turbolader geht. Die alten Sauger hattest du immer richtig drehen müssen, hoch oben am Berg. Beim Überholen hatten sie manchmal gar Mühe. „Mit dem Turbo zieht das durch, dass du nur so schaust“, spricht er. Ein Loch verspürt Röhrl selten, höchstens vielleicht auf der Rennstrecke oder in anderen hochdynamischen Situationen, wie hier oben am Eis etwa. Doch dagegen gibt es ein einfaches Mittel: Autofahren.
Und plötzlich scheint er an einem Punkt, der ihn wirklich umtreibt. Nicht immer bloß die wiederkehrenden besten Zitate oder der größten Lenkwinkelgesten, sondern die Wahrheit: dass man sich einfach zu konzentrieren hat. Viel zu oft würden die Menschen heute träumen beim Fahren, am Handy spielen, oder sonst wie abgelenkt sein und sich am Ende darauf verlassen, dass die Elektronik es schon regelt.
Hohes Können statt brachiales Wollen
„Es braucht Gespür für den Untergrund, für die Reaktionen des Autos und eine Vorahnung, wie der Straßenverlauf beides verändert“, sagt Walter Röhrl. Dazu fährt er meist ohne Radio, ja meidet in schwierigen Situationen gar das Gespräch mit dem Beifahrer, um seine Konzentration nicht zu stören. Und so fährt er, beide Zeigefingern zart am Lenkradkranz aufliegend, den Blick weit vor dem Auto mit größter Aufmerksamkeit seinen schnellen Strich.
Denn das große Tempo kommt nicht allein von einem guten Auto. Auch heute noch ist es der Fahrer, der entscheidet. Und bei ihm geht es, wenn es denn wirklich schnell werden soll, um hohes Können statt um brachiales Wollen.
Wer das versteht und folglich mit dem Auto statt dagegen fährt, dem bringt gerade der 911 heute mehr Glück denn je. Er ist immer noch direkter als alle anderen Sportwagen. „Ich spüre auf den Millimeter genau, was gerade passiert und er fährt genau dorthin, wo ich ihn haben will“, sagt Röhrl.
Dabei ist es vor allem die Steigerung von Generation zu Generation, die ihn begeistert. „Heute gibt dir ein Turbo S Möglichkeiten, von denen haben wir damals bei der Rallye bloß geträumt. Und trotzdem ist er leise, läuft prima geradeaus, bietet allen Komfort und der Hund kann auch noch hinten reinspringen.“
Ob er sich vorstellen kann, dass die Sportwagen irgendwann einmal zu schnell werden? Er legt den Kopf kurz zur Seite und antwortet dann locker: „Nein, die Entwicklungen gehen ja nicht nur auf die Geschwindigkeit.“ Mindestens im gleichen Maße bringen sie den Autos auch mehr Fahrsicherheit. „Schau dir den 911 R an, den haben sie bei 330km/h in Nardo getestet. Da ist er leicht geworden und sie haben ihm die Allradlenkung gegeben, die sofort gegensteuert. Oder nimm das aktuelle PSM – das ist so gut, dass ich es nicht mehr wegschalte. Früher habe ich gesagt, dass es erst eingreifen darf, wenn wirklich Feuer am Dach ist. Heute ist es von der Regelung so sensationell, so schön.“
Das Wichtigste ist und bleibt die Konzentration
Doch er mahnt sofort mit scharfem Blick, dass man sich nicht blind auf die Systeme verlassen solle. Es ist etwas, an das man sich anlehnen kann, ein Sicherungsnetz für den Ungeübten, der die Reaktion nicht hundertprozentig einschätzen kann und einen Fehler macht. „Nichts für Blinde, die die Physik biegen wollen.“ Das gehe schlicht und ergreifend nicht.
Das Wichtigste ist und bleibt die Konzentration. Wach sein, sehen und reagieren. „Mir macht es heute noch so großen Spaß, auch hier oben im Eis.“ Weil er sieht, dass er es noch kann. „Das aber auch nur, weil ich nie die Übung verloren habe. Wenn du mal länger nicht ins Auto steigst, kannst du dich vielleicht daran erinnern, wie es ging, hältst aber nicht mehr mit.“
Er hält kurz inne und fährt schließlich mit ernstem Blick fort: „Wenn aber einmal einer schneller ist als ich, dann ist Schluss. Da muss man konsequent sein.“
Im Anschluss nahm er uns mit auf das 80 Fussballfelder große Areal der Porsche Driving Experience im finnischen Eis, erzählte auf dem Weg, dass er eigentlich auch gerne Pilot geworden wäre, wenn es mit dem Rallyefahren nicht so hingehauen hatte.
Nachdem er uns dann den ganzen Tag in seiner unermüdlichen, immer entspannten und doch unfassbar präzisen Art auf verschiedenstem Gerät das echte Fahren gelehrt hat, bleibt vor allem eine Erkenntnis: er ist ein Pilot. Und was für einer.
Fahrtraining mit Walter Röhrl – sehen Sie mehr im Video.
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Info
Text: Fabian Mechtel // Video: Simon Roser
Verbrauchsangaben
911 Carrera: Kraftstoffverbrauch kombiniert 8,3 – 7,4 l/100 km; CO2-Emission 190 – 169 g/km
911 Carrera S: Kraftstoffverbrauch kombiniert 8,7 – 7,7 l/100 km; CO2-Emission 199 – 174 g/km
911 Carrera 4S: Kraftstoffverbrauch kombiniert 8,9 – 7,9 l/100 km; CO2-Emission 204 – 180 g/km
911 Turbo: Kraftstoffverbrauch kombiniert 9,1 l/100 km, CO2-Emission 212 g/km
911 Turbo S: Kraftstoffverbrauch kombiniert 9,1 l/100 km, CO2-Emission 212 g/km
Panamera Turbo: Kraftstoffverbrauch kombiniert 9,4 – 9,3 l/100 km; CO2-Emission 214 – 212 g/km