Die Geschichte des Konstruktionsbüros Porsche

1948 markiert den Beginn der Sportwagenmarke Porsche – damals wurde das erste Fahrzeug mit dem Namen Porsche gebaut. Doch die Historie des Unternehmens reicht weiter zurück.

1931 gründete Ferdinand Porsche sein „Konstruktionsbüro“. Der ungewöhnlich kreative Techniker – zuvor Konstrukteur von Elektromobilen und Rennwagen sowie Chefentwickler von Daimler-Benz – sollte bis zu seinem Tod 1951 die Grundlagen für das spätere gleichnamige Weltunternehmen schaffen. Das jetzt im September 2017 im Siedler-Verlag veröffentlichte Buch „Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke“ dokumentiert erstmals detailliert Gründung, Philosophie und Entwicklung der Porsche-Vorläufer-Unternehmen. Der renommierte Historiker Wolfram Pyta erzählt die Geschichte der Porsche GmbH/KG in diesen turbulenten Anfangsjahren: von der Entstehung des Volkswagens über die Umstellung auf Kriegswirtschaft unter den Nationalsozialisten und die Entwicklung von Kampfpanzern bis hin zur Etablierung der Automobilmarke, die den Namen Porsche trägt. Das Werk macht deutlich, wohin die kreative Dynamik der Gründerjahre unter den Nationalsozialisten führte, weshalb der Neuanfang nach dem Krieg ohne den Gründer gelingen musste und wie aus dem Konstruktionsbüro von einst schließlich das Weltunternehmen hervorging.

Ferdinand Porsche, Volkswagen-Prototyp der Reihe W30, 1937, Porsche AG
Ferdinand Porsche 1937 mit einem Volkswagen-Prototypen der Reihe W30


Besondere Beachtung widmet die Studie der Rolle von Professor Ferdinand Porsche im Nationalsozialismus. Die Erfolgsgeschichte seines Konstruktionsbüros ist eng mit dem „Dritten Reich“ und der Person Adolf Hitler verbunden. Prestigeträchtige Projekte wie der Auto Union-Rennwagen und der Volkswagen stehen dafür. Im Zweiten Weltkrieg entstanden auf der Basis des KdF-Wagens auch Militärfahrzeuge. Wie die meisten deutschen Unternehmen nutzte die damalige Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG während des Zweiten Weltkriegs die Arbeitskraft unfreiwillig beschäftigter ausländischer Mitarbeiter.

Die Untersuchungen bestätigen weitgehend bekannte Sachverhalte, präzisieren frühere Erkenntnisse, führen aber auch zu neuen Ergebnissen.

Der Wissenschaftler Pyta beschreibt Porsche als Familienunternehmer in Reinkultur, der die politischen Verhältnisse und die Chancen, die das NS-Unrechtsregime bot, nicht aus ideologischer Überzeugung, sondern aus reinem ökonomischen Interesse nutzte, um sich als Entwickler und Hersteller gegen die Übermacht etablierter Automobil-Konzerne wie Daimler oder Auto Union durchzusetzen.

Pyta bestätigt damit die seit langem vorherrschende Überzeugung, wonach es Ferdinand Porsche vor allem darauf ankam, die Eigentümerstruktur des Familienunternehmens zu sichern und seine Ressourcen zu schützen. Für Pyta hat Porsche enormen Nutzen aus dem Zugang zu politischen Entscheidungsträgern gezogen – ohne sich die Weltanschauung der Nationalsozialisten zu eigen zu machen.

Neue Erkenntnisse liefert die Studie hinsichtlich der Einordnung der Porsche GmbH/KG in seiner Rolle als Konstruktionsbüro im Zweiten Weltkrieg. Die Porsche KG beschäftigte mehr als 400 Zwangsarbeiter, hatte aber mehr Spielraum in deren Behandlung als beispielsweise das Volkswagenwerk. Neu sind auch weitere Details zur Entstehungsgeschichte des Zuffenhausener Porsche-Werks.

Klar belegbar sind nun auch die Umstände der Gefangenschaft Porsches in Frankreich nach dem Krieg. Porsche wurde entgegen gängiger Meinung nicht als Kriegsverbrecher überführt. Seine Inhaftierung hatte einen eindeutig wirtschaftlichen Hintergrund. Renault und Peugeot hatten sich über die Rolle von Porsche bei der möglichen Entwicklung eines eigenen „Volkswagens“ gestritten, so dass Porsches Gefangenschaft auf einen innerfranzösischen Konflikt zurückzuführen ist. Erst im Juli 1947 wurde Porsche gegen Kaution aus der Haft entlassen, im Mai 1948 erfolgte der formelle Freispruch.

Seit September hängt vor dem historischen Werk 1 in Zuffenhausen eine Gedenktafel für die von Porsche beschäftigten Zwangsarbeiter. Der Künstler Ubbo Enninga hat die Tafel aus Bronze entworfen.

In seiner Abwesenheit übernahmen seine Kinder Ferry Porsche und Louise Piëch die Unternehmensführung. Die familieninterne Nachfolge war damit geregelt, ohne dass es zu Übergabestreitigkeiten kommen konnte. Mit der Transformation zum Automobilhersteller und der Gründung der Marke Porsche vollendete das Unternehmen die 1931 begonnene Wachstumsstrategie.

Porsche heute und die Vergangenheit

Die heutige Porsche AG steht zur Vergangenheit ihrer Vorläuferunternehmen und versteht die Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte als permanente Aufgabe. Bereits 1999 trat das Unternehmen der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft bei und beteiligte sich mit fünf Millionen DM am Aufbau eines Fonds zur wirtschaftlichen Wiedergutmachung von industriell eingesetzten Zwangsarbeitern. Darüber hinaus wurden sieben Betroffene mit einer Einmalzahlung von jeweils 10.000 DM entschädigt.

Vor diesem Hintergrund begannen in der Folge intensive Recherchen im Porsche Archiv sowie in externen Archiven. Dies führte Porsche mit Prof. Dr. Wolfram Pyta zusammen. Pyta ist Leiter der Abteilung für Neuere Geschichte am Historischen Institut der Universität Stuttgart und Direktor der „Forschungsstelle Ludwigsburg“ zur NS-Verbrechensgeschichte. Er zählt zu den renommiertesten deutschen Historikern. Er gilt unter anderem als Spezialist der Weimarer Republik. 2008 erhielt er für seine Biografie über Paul Hindenburg den Landesforschungspreis von Baden-Württemberg. Auf seine Anregung begann 2014 ein Grundlagenforschungsprojekt zur Geschichte des Konstruktionsbüros Porsche. Das von Porsche finanziell unterstützte Forschungsprojekt wurde von Pyta und seinem zweiköpfigen Forscherteam (Dr. Nils Havemann und Dr. Jutta Braun) inhaltlich unabhängig und ergebnisoffen durchgeführt. Die Wissenschaftler konnten sämtliche Unterlagen des Unternehmensarchivs einsehen. Darüber hinaus wurde in zahlreichen externen öffentlichen wie privaten Archiven in Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich und Russland geforscht. Der untersuchte Zeitraum wurde bewusst gewählt: von der Gründung des Konstruktionsbüros 1931 bis zum Tod von Ferdinand Porsche 1951.

Prototypenfabrikation im Porsche-Werk, Zuffenhausen, 1947, Porsche AG
Prototypenfabrikation im Porsche-Werk (heute Werk I) in Stuttgart-Zuffenhausen, 1941


Das Forschungsprojekt ist die konsequente Weiterführung interner Untersuchungen der Unternehmensgeschichte und entspricht dem Wunsch nach umfassender rückhaltloser Aufklärung der Zeit von der Gründung des Konstruktionsbüros bis nach dem Zweiten Weltkrieg.

Studie als Auftakt für weitere Projekte

Der Abschluss der wissenschaftlichen Studie ist für die Porsche AG der Anlass für mehrere Maßnahmen: So wurde eine vom Künstler Ubbo Enninga gestaltete Gedenktafel am Eingang des traditionsreichen Werk 1, der heutigen Hauptverwaltung der Porsche AG, installiert. Außerdem wurden die Forschungsergebnisse in die Dauerausstellung des Porsche Museums integriert. Ebenso fließen die Inhalte der Studie in die Aus- und Weiterbildung aller Porsche Mitarbeiter ein.

Porsche hat darüber hinaus ein wissenschaftliches Symposium zu „Perspektiven moderner Unternehmensgeschichte“ an der Universität in Stuttgart im Oktober 2017 initiiert.

Zudem wird Porsche deutschlandweit den ersten Lehrstuhl für Unternehmensgeschichte an der Universität Stuttgart stiften.

Die eigene Geschichte ist ein Teil von Porsche – dies gilt auch für die Zeit während des Nationalsozialismus. Für die heutige Porsche AG ist es wichtig, deutliche Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit zu setzen. Die Förderung wissenschaftlicher Forschungen im Bereich der Unternehmensgeschichte soll helfen, die Vergangenheit zu verstehen, um die Zukunft zu gestalten.

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