Manchmal ist es nicht ganz einfach mit dem Namen Porsche – zum Beispiel, wenn es um die Porsche Design Group geht. Der Name provoziert Fragen: Ist dies die Designabteilung des Unternehmens, werden dort die Porsche-Modelle entworfen? Die Antwort: nein. Hat dieses Designstudio überhaupt etwas mit Porsche in Zuffenhausen zu tun? Aber klar! Gehören Studio und Stammhaus zusammen? Mittlerweile ja. Bevor noch mehr Verwirrung entsteht, erzählt man klugerweise ganz von Anfang an. Schlägt jedenfalls Roland Heiler vor. Der 58-jährige Geschäftsführer des Studios erklimmt die Dachterrasse des Neubaus, der intern „der Turm“ genannt wird. „Turm“ ist vielleicht eine etwas großzügige Bezeichnung für einen Bau mit gerade drei Stockwerken. Allerdings erhebt er sich in Zell am See – und dort im beschaulichen Pinzgau ragt er schon heraus.
Vom Dach aus deutet Heiler nach Norden auf eine Gebäudegruppe, die schon fast ein kleines Dorf bildet. „Das ist das Schüttgut, der österreichische Sitz der Familie Porsche. Dort ist Ferdinand Alexander Porsche aufgewachsen“, sagt er. Diese historisch-geografische Einordnung erklärt, warum der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche seine Designagentur nicht in Stuttgart oder woanders ansiedelte, sondern in der alpenländischen Provinz: Dort waren seine Wurzeln. Ferdinand Alexander Porsche war Designdirektor im Familienunternehmen Porsche, als er Anfang der 1960er-Jahre ein Auto entwarf, das ihn augenblicklich auf den Olymp der Gestalter katapultierte: den Porsche 911, eine Ikone des Sportwagenbaus. Auch viele Entwürfe für Rennwagen stammen aus seiner Feder. Als sich abzeichnete, dass sein Vater Ferry das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umwandeln würde, war dies für den Sohn das Signal, die Firma zu verlassen.
1972 machte sich Ferdinand A. Porsche selbstständig, und natürlich blieb der Designer in seinem Metier. Sein erster Auftrag war eine lupenreine Familienangelegenheit: „F.A.“, wie er intern bis heute genannt wird, sollte für die Porsche AG eine Uhr gestalten. Sie war gedacht als originelles und hochwertiges Präsent für verdiente Mitarbeiter und ausgewählte Kunden. Der Konzern garantierte eine Mindestabnahmezahl – und Ferdinand Alexander gelang erneut ein Geniestreich des Produktdesigns: Der „Chronograph I“ war die erste Uhr mit einem schwarzen Gehäuse und schwarzem Ziffernblatt. Das war weder eine Spielerei, noch hatte es ästhetische Gründe. Porsche orientierte sich dabei vielmehr an den Armaturen von Rennwagen und Flugzeugen, eingebettet in eine schwarze Cockpit-Landschaft, weil sie die irritierenden Reflexionen der Scheiben schluckt. „Es kam aber hinzu, dass der Trend zu Schwarz damals in der Luft lag“, so Heiler. „So wurden die Zierleisten und Fenstereinfassungen des Porsche 911 ab 1972 nicht mehr in Chrom ausgeführt, sondern mattschwarz lackiert. Den Anstoß dazu hatte Ferdinand A. Porsche als Chefdesigner selbst noch gegeben.“
Mit dem „Chronograph I“ setzte Porsche Maßstäbe für sein Studio: Das „Gründungsobjekt“ der Agentur wurde zum Topseller und ist es noch heute. Und es wurde zum Symbol für das Gestaltungsprinzip des Studios: Das Design muss vor allem und zuerst der Funktion dienen. Heiler ist diese Designphilosophie in Fleisch und Blut übergegangen. Kein Wunder, er ist selbst ein Porsche-Gewächs: Lehre als Technischer Zeichner in Zuffenhausen, Studium am renommierten Londoner Royal College of Art, Rückkehr zu Porsche als Junior-Designer („Da hieß es erstmal nur Auspuff und Spoiler zeichnen“), schließlich Leiter des Porsche Styling Studios in Kalifornien. Dann kam der Moment, als sich „F. A.“ aus dem Tagesgeschäft seiner Agentur zurückzog, im Jahr 2004. Das Stammhaus in Zuffenhausen wollte vermeiden, dass das Studio mit diesem Namen in familienfremde Hände übergeht. Die Porsche AG übernahm zwei Drittel der Anteile und beorderte Heiler aus Kalifornien nach Zell am See.
Offiziell heißt das Designstudio heute „Studio F.A. Porsche“. Der Name soll einerseits die Abgrenzung von der Porsche AG verdeutlichen und andererseits Verwechslungen verhindern: Das Studio ist nicht gleichbedeutend mit „Porsche Design“. Denn so heißt die Marke für Premium-Lifestyle-Produkte außerhalb der Autowelt. Sie machen etwa 30 Prozent der Aktivitäten des Studios aus. Das Gros des Geschäfts aber sind Gestaltungsaufträge der Industrie, die mit dem Hersteller Porsche und der Automobilsphäre nichts zu tun haben. Beispiele: die neuen Business-Class-Sitze des A350-1000 der Fluggesellschaft Cathay Pacific, die sich mit nur einem Knopfdruck in ein komplett flaches Bett verwandeln lassen. Oder das weltweit einzigartige E-Piano der Firma Alpha Pianos, dessen Design die Ästhetik eines klassischen Konzertflügels aufweist.
Es gibt nicht viele Produktkategorien, denen das Studio in den 45 Jahren seines Bestehens nicht schon seine Form gegeben hat: Brillen, Schreibgeräte, Möbel, sogar Straßenbahnen. „Auch Lackierpistolen und eine Kapselbefüllmaschine für ein pharmazeutisches Unternehmen haben wir entworfen“, sagt Christian Schwamkrug, Design Director und stellvertretender Geschäftsführer. Wenn der 59-Jährige Beispiele für die Designphilosophie des Studios nennt, sprudelt es nur so aus ihm heraus: Von Klassikern wie etwa den Wechselglas-Sonnenbrillen, die nicht nur optisch markant, sondern auch praktisch und flexibel sind, spricht er. Oder er schwärmt von Geräten, die mit Oberflächen aus gebürstetem Aluminium zwei Jahrzehnte lang das Küchendesign bestimmten.
Schwamkrug nimmt ein Objekt aus der Vitrine im Showroom. „Dieser Kugelschreiber zeigt, wie wir denken und gestalten.“ Auf den ersten Blick ein formvollendeter Stift aus Edelstahl mit feinen horizontalen Fugen. „Aber natürlich“, so der Designchef mit leuchtenden Augen, „sind die Fugen nicht nur Dekoration. Sie sind der sichtbare Teil einer feinen eingelaserten Mäanderstruktur, die sich ringartig durch das Gehäuse zieht. Auf Druck schiebt sie sich zusammen und löst den Mechanismus aus, der die Mine ein- und ausfährt. Jedes Element hat eine Funktion, und die steht immer an erster Stelle. Die Struktur hat also keinen dekorativen, sondern funktionalen Hintergrund. Es ist ein Design, das von Ingenieursgedanken geleitet wird.“
Dasselbe gilt auch für neue Produkte im Bereich Entertainment und Kommunikation. Typisch dafür ist etwa die „911 Soundbar“, ein Soundsystem fürs Wohnzimmer, dessen Resonanzkörper der Endschalldämpfer des Porsche 911 GT3 ist. Ein anderes Beispiel für das Credo ist das Luxus-Smartphone Porsche Design Huawei Mate 9. Es verknüpft brillante Leistungswerte mit technischen Innovationen und einer unverkennbaren Ästhetik. Damit erfüllt das elegante Gerät die hohen Ansprüche, die man in Zell an Elektronikprodukte stellt – und setzt Maßstäbe für weitere Produkte, die bereits in Planung sind.
Zu den jüngsten Aktivitäten des Studios zählen Projekte von einer völlig neuen Dimension: die Porsche Design Tower – Hightech-Wohntürme, deren luxuriöses Interieur vollständig vom Studio stammt, natürlich unter dem Primat des Funktionalen. Der Porsche Design Tower in Miami ist fast fertiggestellt. „Er wird das erste Hochhaus sein, in das man sein Auto bis in die sechzigste Etage mitnehmen und im Appartement parken kann“, sagt Schwamkrug. Auch an der Außengestaltung des Towers hat das Studio mitgewirkt. So gehen zum Beispiel die eingerückten und teilweise verglasten Balkons, die das Gebäude vor den Einflüssen des Atlantiks schützen, auf Ideen aus dem Pinzgau zurück. Und Miami ist nur der Anfang: Der erste europäische Porsche Design Tower soll 2019 in Frankfurt am Main stehen, in Brasilien und in der malaysischen Millionenmetropole Kuala Lumpur könnten ebenfalls Wohntürme nach der Philosophie von Porsche Design in den Himmel wachsen.
In Zell am See erinnert unterdessen viel an die Anfänge des Studios – und an seinen Gründer. Ferdinand Alexander Porsche starb 2012, doch sein Büro, von dem aus er auf das Familiengut blickte, ist nahezu unberührt geblieben. Dort schließt sich der Kreis. Zurzeit arbeiten die Designer gemeinsam mit der Porsche Design Timepieces AG an einem neuen und höchst innovativen Uhrenkonzept. Und auch diese Uhr wird vor allem eines zeigen: Die Philosophie von F. A. Porsche ist bis heute Verpflichtung – und sichtbar in jedem der Objekte.
Ferdinand Alexander Porsche
Der älteste Sohn von Ferry Porsche gründete 1972 das Studio F. A. Porsche, ein unabhängiges Studio für Produktdesign. „F.A.“, wie der 1935 geborene Designer häufig genannt wurde, verließ nach nur zwei Semestern die Hochschule für Gestaltung Ulm, um im Karosserie-Styling bei Porsche zu arbeiten. Dort entstand Anfang der 1960er-Jahre sein Meisterstück: der 1963 präsentierte Porsche 901, der als 911 zur Ikone wurde. Seit 2003 ist Porsche Design Teil der Porsche AG. Ferdinand Alexander Porsche starb 2012 im Alter von 76 Jahren
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche-Kundenmagazin Christophorus, Nr. 380
Text: Jan van Rossem // Fotos: Thorsten Doerk