Freundschaft, Perfektion, Ästhetik

Klaus Voormann hat sich sein Leben lang im Prinzip nur auf zwei Dinge konzentriert: Musik und Grafikdesign. An einem entscheidenden Punkt seiner Vita kreuzten sich die beiden Linien – mit großem Erfolg. Und da kam auch ein Porsche ins Spiel.

Es ist keine Wohnung, es ist eine Anhäufung kleinster Räume, ganz oben unter dem Dach eines Londoner Wohnhauses, im Stadtteil Parliament Hill – gerade einmal groß genug, dass die Badewanne in der Küche Platz findet. Daneben drängt sich ein kleiner Tisch, obendrauf ein Zeichenbrett, Feder, Tinte und Schere. Wir schreiben das Jahr 1963. Klaus Voormann ist von Hamburg nach London gekommen, im Windschatten der Beatles. Zuvor waren John, Paul, George und Ringo für ihn zu Freunden geworden.

Drei Jahre später liegt der begabte Bassist und hoch talentierte Grafikdesigner Voormann nach einer langen Nacht im lauwarmen Badewasser. Die Beatles sind längst Weltstars und der alte Freund sieht sie nur selten. Als das Telefon klingelt, ahnt er nicht, dass dies der vielleicht wichtigste Anruf seines Lebens werden sollte. Christine, seine Freundin, nimmt den Hörer in die Hand und sagt: „Irgendein John will dich sprechen.“ Voormann fragt in den Hörer: „Welcher John?“

So beginnen Legenden

„Irgendein John“ kommt direkt zur Sache: „It’s me, you silly bastard!“ Diese Stimme konnte nur Lennon gehören, der barsche Ton voller Zuneigung. Er hat eine Frage: „Hast du eine Idee für unser neues Plattencover? Du weißt, das Cover ist für diese Band, die keiner kennt, vor allem nicht unser alter Freund Klaus.“ Voormann denkt kurz nach. Er hat eine. Und was für eine.

Zeichnung von Klaus Voormann, 2016, Porsche AG
Klaus Voormann's Zeichnung eines Porsche

Am Ende jener telefonischen Episode steht nicht nur eine Beatles-LP, die radikal mit der Vergangenheit brechen wird, sondern auch ein Schallplattencover, das Design-Geschichte schreibt. Revolver, so der Name des Albums, gibt der Neuausrichtung der Popkultur eine optische Form.

Die Liebe zur Musik und die Begabung für die Grafik

Klaus Voormann, Sohn eines Arztes, in Berlin geboren, ging noch vor seinem 20. Geburtstag nach Hamburg, um Grafikdesign zu studieren. Da brachte er seine erste Leidenschaft schon mit: die Liebe zur Musik. Klavierstunden, später intensiver Unterricht in klassischer Gitarre waren das Fundament seiner bedeutsamen Musikerkarriere. Sein Interesse an Jazz und zu Musikern wie Miles Davis oder dem Tenorsaxofonisten Sonny Rollins führten ihn zum Saxofon.

Parallel entpuppte sich seine Begabung für die Grafik als gute Möglichkeit, Geld zu verdienen. Bereits als 20-Jähriger hatte er für ein großes Hamburger Plattenlabel eine ganze Reihe von Plattenhüllen entworfen. Ein Talent, das letztlich zu mehr als 100 LP-Covern führen sollte – mit Revolver als Leuchtturm und Design-Ikone im Zentrum. Berühmt sind aber auch seine musikalische Mitarbeit an Solo-Alben von Ringo Starr und George Harrison oder seine Zeichnungen für Cover von den Bee Gees und Gary Wright.

Spagat zwischen bildender Kunst und Musik

Das Außergewöhnliche an Voormanns Vita ist der Spagat zwischen bildender Kunst und Musik. Die Gestaltung von Schallplattencovern hat mit seinem Talent, Musik zu machen, wenig bis gar nichts gemeinsam. Und wahrscheinlich war sich Voormann seiner Begabung lange nicht bewusst – bis er im London der frühen 1960er-Jahre, wo sich gerade eine musikalische Revolution abspielte, selbst zum Bass griff. Spielen konnte er: „Dank Spanischer Gitarre, war ich wirklich gut“, sagt Voormann, was viel heißt, kennt man seine zurückhaltende hanseatische Art. Anfang 1966 stieg er bei Manfred Mann’s Band ein. In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche Hits.

Klaus Voormanns Atelier, 2016, Porsche AG
Die achtsaitige Gitarre Vootar, ein Eigenbau, hat ihren Platz im Atelier

Genau in diese Phase der Neuorientierung platzte das Angebot der Beatles. „Es folgten schreckliche Wochen – zu lange Arbeitstage, zu viele Zigaretten, zu wenig Schlaf. Ich war am Tag nach Johns Anruf in die EMI-Studios gefahren, die Band hatte mir ihre Bänder vorgespielt. Ich war sprachlos: Das war nicht mehr die Musik, die ich in Hamburg gehört hatte. Die Musik der ersten Beatles-LPs, mit der sie ihre Fans zum Rasen gebracht hatten“, erinnert er sich.

Voormann erhielt zwei Grammys und blieb ausgeglichen

Wissenschaftlich betrachtet gilt Revolver als musikalischer Innovationsführer. Das Album transportiert progressive psychedelische Klänge und vermischt sie mit experimenteller Studiotechnik. Das Resultat: eine Melange neuer, bis dato nie gehörter Tonwelten. Die LP verkaufte sich von Beginn an enorm. Und so wurde Revolver – gemeint ist nicht die Waffe, sondern die Bezeichnung für den sich drehenden Plattenteller – der logische Zwischenschritt auf dem Weg zu Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, mit der die „Fab Four“ 1967 den nächsten Schritt zum reinen Konzeptalbum vollzogen.

Was an Voormann fasziniert, ist seine Ausgeglichenheit. Er hätte wirklich jeden Grund, mit seiner schillernden Vergangenheit, seinen musikalischen Reminiszenzen, hausieren zu gehen. Zum Beispiel mit den beiden Grammys, die er 1967 für das Revolver-Cover und 1972 für seinen Beitrag zum legendären Livealbum Concert for Bangladesh mit George Harrison erhielt. Doch die Oscars der Musikbranche liegen unscheinbar verstaut in einem kleinen braunen Pappkarton. Mit Edding wurde schnell noch „Grammy“ auf die Seite gekritzelt. Abgehakt, weggelegt.

Niemand ahnt, dass er sich noch immer mit Paul McCartney trifft

Auch von seinen Kultauftritten mit John Lennons Plastic Ono Band mit Ringo Starr und George Harrison berichtet er nur auf ausdrücklichen Wunsch. In seinem Domizil südlich von München, auf einem alten Bauernhof, lebt Voormann völlig entspannt. Das Interview unterbricht er wie selbstverständlich, wenn Spaziergänger vorbeischauen und fragen, ob sie eine Grafik von ihm kaufen können. „Kommen Sie doch morgen wieder, dann habe ich mehr Zeit für Sie“, sagt er.

Klaus Voormanns Grammy, 2016, Porsche AG
Voormann holt den gut verpackten Grammy hervor

Dass dieser Mann mit der zarten Statur und den auffallend präsenten Augen sich noch immer mit Paul McCartney trifft und mit Ringo Starr Musik macht, ahnt niemand. Starallüren? Fehlanzeige. Das erklärt auch, warum man Statussymbole bei Klaus Voormann vergeblich sucht. Und seine Leidenschaft für Autos?

Voormann: „Ringo gönnte mir einen 911 Targa“

„Schon als Kind habe ich mit meinem Bruder im Garten an der Böschung zwei parallele Rennbahnen mit überhöhten Kurven gebaut, auf denen wir unsere Rennwagen gegeneinander antreten ließen – mein silberner Porsche hat meistens gewonnen.“ Später kam dann ein großes Porsche-Modell mit lenkbaren Vorderrädern dazu, mit dem er das Ein- und Ausparken übte. „Für ein tolles Auto hat das Geld leider lange nicht gereicht.“ Er sagt: „Man kann sich heute kaum vorstellen, wie schlecht Musiker damals, wenn sie nicht auf Beatles-Level agierten, bezahlt wurden – selbst die Rolling Stones wurden viele Jahre von ihren einstigen Managern über den Tisch gezogen.“

Als er 1972 in Los Angeles bei der dritten LP von Ringo Starr, die später unter dem Titel Ringo erschien, als Bassist mitspielte, „mietete Ringo für mich ein Auto“, erinnert sich der Musiker an den Porsche-Moment in seinem Leben. „Ohne Auto bist du in Los Angeles verloren – also gönnte Ringo mir einen 911 Targa, schließlich ist Kalifornien der perfekte Platz für ein offenes Fahrzeug.“ Starr und Voormann wohnten in einem Bungalow im Beverly Hills Hotel, fuhren im Porsche zum Studio und produzierten dort das erfolgreichste und meistverkaufte Album des Beatles-Schlagzeugers.

Energiegeladen steht er in seinem kleinen Atelier am Starnberger See

Voormanns Haare sind noch immer so lang wie damals in den lässigen Siebzigern – nur sind sie heute grauweiß. Zeichen der Zeit, die aber am Wesen des Designers und Musikers kaum Spuren hinterlassen hat. Mit einem leichten Einschlag ins Englische, zugleich aber auch mit unverkennbar hanseatischem Akzent sprudelt es aus Voormann heraus. Energiegeladen, voller Freude steht er in seinem kleinen Atelier am Starnberger See. Einem fast schon winzigen Raum voller Geschichte. Dort liegen Pappschachteln mit der Aufschrift „Twiggy“ (mit Fotos des Models, die er in den 1960er-Jahren für die Vogue gestaltet hat), „Ringo“, „Manfred Mann“, „George“ und so weiter. Unprätentiös hat der „Sideman“, wie er sich selbst tituliert, das Leben archiviert. Unsentimental, seinen Blick zufrieden nach vorne gerichtet. Gerade hat er eine Graphic Novel über die Entstehung des Revolver-Covers fertiggestellt. Seine Zeichnungen erscheinen jetzt als Buch.

Das Layout stammt von Tochter Ruscha, die Texte hat seine Frau Christina verfasst. Ein Buch, das jene Zeit reflektiert, in der Voormann groß geworden ist. Was diese Epoche der Beatles so einzigartig macht, beschreibt der „Sideman“ so: „Wir hatten Freiheitsgrade, die in den frühen 1950er-Jahren, direkt nach dem Krieg, undenkbar waren.“ Und es gab nun Designer, die den Tand und die dekorativen Elemente, die bis dahin jede klare Linie übertünchten, radikal entfernten. So entstanden zum Beispiel die legendären Braun-Stereo-Anlagen. Oder ein Precision-Bass, der auf das reduziert ist, was er können soll: Musik machen. Und auch der Porsche 911, der 1963 seine Weltpremiere feierte, ist auf die Form komprimiert, die einem Sportwagen angemessen ist. Deswegen hält sie sich seit mehr als 50 Jahren. Und vielleicht ist das auch das Geheimnis des Revolver-Covers: Es ist auf das Profil der vier Protagonisten reduziert – und gleichzeitig mit Fotos angereichert, die Geschichten erzählen, ohne diese in den Vordergrund zu spielen.

Somit spiegelt das berühmte Cover auch perfekt das Wesen Voormanns wider: Geschichten erzählen, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Andere an Wissen teilhaben lassen, ohne den Betrachter zu überrollen. Sich auf das zu reduzieren, was man kann und was persönlich wichtig erscheint: Ästhetik. Perfektion. Freundschaft.

Weitere Artikel