Joby Aviation, Lilium, Volocopter, Archer, Vertical Aerospace, Electra.aero: Die Liste der Unternehmen, die elektrisch angetriebene Flugtaxis zu einem künftigen Fortbewegungsmittel für breite Bevölkerungskreise machen wollen und dazu Milliarden eingesammelt haben, ist im Jahr 2021 kontinuierlich gewachsen. Weltweit nehmen mittlerweile mehr als 100 Hersteller am Rennen um das erste funktionierende Konzept teil. Ihre gemeinsame Vision lautet, neuralgische Verkehrsknotenpunkte zu entschärfen. Wie? Indem Passagiere ein emissionsfreies Lufttaxi genauso einfach buchen können wie heute ein Taxi auf der Straße.
Das nötige Startkapital besorgten sich die jungen Unternehmen bei traditionellen Investorenrunden mit Wagniskapitalgebern, Private-Equity-Firmen oder strategischen Investoren. Außerdem beteiligten sich etablierte Partner wie die Fluggesellschaft American Airlines oder Autohersteller wie Toyota (Japan) und Geely (China). Doch vor allem Börsengänge sorgten für Schlagzeilen: Mantelgesellschaften (SPACs) sammelten Kapital ein, das in die jungen Unternehmen investiert wurde. Alleine in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 flossen rund sechs Milliarden US-Dollar in die Kassen der Flugtaxihersteller. Addiert man die Investitionen seit 2015, hat die Branche in diesem Zeitraum fast sieben Milliarden US-Dollar auf sich ziehen können.
Ohne Ökosystem kein Start
„Auf den Hype an den Finanzmärkten müssen bis zum Jahr 2025 konkrete Schritte folgen, um vertikale Mobilität zum Erfolg zu führen“, sagt Gregor Grandl, Senior Partner bei Porsche Consulting. Er hat in der Studie „The Economics of Vertical Mobility“ den Flugplan zur Wirtschaftlichkeit von Flugtaxis analysiert und einen Weg zur schrittweisen Realisierung skizziert. Der beginnt mit ersten kommerziellen Flügen voraussichtlich in der Mitte des Jahrzehnts. Sein Fazit: Für kurze bis mittellange Strecken ab 20 Kilometern könnten elektrische Passagierdrohnen durchaus ein relevantes Angebot werden. Dafür muss sich das gesamte Ökosystem aus Hardware, Infrastruktur und Services zügig vom Proof of Concept zum operativen Betrieb entwickeln.
„Glückwunsch an diejenigen, die es so weit geschafft und ihre Finanzierungsrunden abgeschlossen haben“, sagt Grandl. „Jetzt müssen alle ihre Hausaufgaben machen, um das Tal der Tränen zu überleben. Nur dann kann vertikale Mobilität die hohen Versprechungen einlösen und zum Bestandteil des Verkehrsnetzes von morgen werden.“
Das Potenzial ist durchaus vorhanden, um in den nächsten 15 Jahren ein neues und nachhaltiges Fortbewegungsmittel zu etablieren. Nach der oben genannten Studie von Porsche Consulting wird der Markt für vertikale Mobilität bis zum Jahr 2035 rund 32 Milliarden US-Dollar umfassen. Dazu sind allerdings Investitionen von mindestens 20 Milliarden US-Dollar notwendig. Damit die ersten Strecken bereits ab Mitte dieses Jahrzehnts beflogen werden können, müssen die Hersteller der eVTOLs (electric Vertical Take-Off and Landing aircraft) fünf bis zehn Milliarden US-Dollar in deren Entwicklung investieren. Weitere Investitionen haben die Anbieter von Infrastruktur und Dienstleistungen zu stemmen. Außerdem ist noch unklar, so die Studie, ob bis dahin die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie die erforderliche Infrastruktur vorhanden sein werden.
Drei Herausforderungen
Die erste dringliche Aufgabe besteht in der Entwicklung und Zulassung verlässlicher Hardware. „Wir erleben gegenwärtig einen Konzept- und Zulassungswettbewerb, bei dem von mehr als 100 Playern voraussichtlich nur fünf bis zehn ins Ziel kommen werden“, lautet die Prognose von Experte Gregor Grandl. „Mehrere Konzepte haben sich durchgesetzt. Hersteller müssen jetzt nicht nur die technische Machbarkeit nachweisen. Sie müssen vor allem auch nachvollziehbar belegen, dass sich mit dem neuen Verkehrsmittel Geld verdienen lässt.“
Eng mit der technischen Weiterentwicklung der Fluggeräte hängt auch die gesellschaftliche Akzeptanz zusammen: Die Branche wird nur dann erfolgreich sein, wenn es gelingt, die Bedenken der Bevölkerung mit nachvollziehbaren Argumenten zu entkräften. Das betrifft vor allem den sicheren Betrieb, den Nutzen von Flugtaxis – und Umweltfolgen wie beispielsweise die Geräuschentwicklung durch Rotoren.
Die zweite unmittelbare Herausforderung besteht darin, aus Start-ups professionelle Unternehmen zu machen – High-Performance-Organisationen nennt Managementberater Grandl das. Im Mittelpunkt dabei: die Kosten in den Griff bekommen, schnell und effizient arbeiten, gleichzeitig die Hardwarekosten niedrig halten, ein eigenes Produktionsnetzwerk aufbauen sowie den Servicebetrieb inklusive Reparaturen und Überholung der Flugtaxiflotte vorbereiten.
Bis 2035 werden schätzungsweise 15.000 Lufttaxis weltweit im Einsatz sein, ergibt die ausführliche Kalkulation der Studie, die drei unterschiedliche Szenarien im Detail betrachtet. Dabei werden einzelne Hersteller nicht mehr als 1.000 Kleinflugzeuge im Jahr produzieren. „Die Stückzahlen werden so klein sein, dass jeder Hersteller nur an einem einzigen Standort weltweit wirtschaftlich produziert“, erklärt Grandl. „Von dort aus müssen sich Lieferanten und Abnehmer bedienen lassen. Das stellt ungewöhnlich hohe Ansprüche an die Supply Chain.“ Anders als kommerzielle Jets, die für größere Wartungs- und Überholungsarbeiten an zentrale Standorte geflogen werden, können eVTOLs nur regional gewartet werden. Daraus folgt: Die Anbieter müssen in allen ihren Geschäftsgebieten eigene Werkstätten aufbauen.
Die dritte Aufgabe geht über den Kreis der Hardwarehersteller hinaus. Sie lautet, rasch ein komplettes Ökosystem mit Transportdienstleistern und Serviceanbietern aufzubauen, um vertikale Mobilität attraktiv zu machen. Für eine relevante Marktgröße im Jahr 2035, so die Studie, müssten mindestens eine halbe Million Passagiere pro Tag Flugtaxis in Anspruch nehmen und 1.000 bis 2.500 Start- und Landeplätze in bis zu 60 geeigneten Städten weltweit entstehen.
Schließlich bedarf es des Aufbaus der nötigen Infrastruktur an Start- und Landeplätzen (Vertiports) sowie von Ladesäulen und nicht zuletzt der Zulassung der ersten Strecken, um das neue Fluggerät überhaupt zum Einsatz zu bringen und Umsätze zu generieren. Geschieht das nicht schnell genug, brauchen die Hersteller zusätzliches Kapital und riskieren dabei, die Geduld ihrer Investoren zu erschöpfen. Je näher die Realität rückt, umso mehr Transparenz wird verlangt: „Wer den Börsengang gewählt hat, unterliegt strengeren Auskunftspflichten als andere Start-ups“, gibt Grandl zu bedenken.
Startfreigabe in Sicht
Relevante Player in den Segmenten Hardware, Infrastruktur und Service müssen eine schlüssige Strategie entwickeln, wann sie in welche Märkte einsteigen. Also wie sie eine Balance zwischen regionaler Präsenz und Internationalisierung angehen. Standorte wie Hongkong oder Los Angeles haben bereits begonnen, mit kommerziellen Partnern wie Volocopter neue Konzepte auszuloten, wie sich Flugtaxis in bestehende Verkehrssysteme einfügen könnten. Damit dies gelingt, sind operative Kompetenz und ein überzeugendes Kundenerlebnis unabdingbar – von der einfachen Buchung und Entsendung der Flugtaxis bis zu ihrer zeitnahen Wartung. Parallel dazu muss die Ladeinfrastruktur rasch ausgebaut und der Bau von Vertiports beschleunigt werden, etwa mit modularen Konzepten. Künftige Betreiber von Vertiports sind außerdem gefragt, innovative Geschäftsmodelle für Einzelhandel und Gastronomie zu entwickeln und andere Verkehrsmittel zu integrieren.
Das Pensum an Aufgaben ist enorm groß und vielfältig. Dennoch: Elektrische Flugtaxis können zu einer sinnvollen und zukunftsgerechten Ergänzung der bestehenden Verkehrssysteme werden, die für breite Nutzerschichten attraktiv und erschwinglich ist, resümiert die Studie von Porsche Consulting. „Vertikale Mobilität wird sich schrittweise entwickeln, statt exponentiell zu wachsen“, sagt Gregor Grandl. Der Experte ist überzeugt: „Flugtaxis werden die Startfreigabe erhalten.“
Kompetenter Rat für einen erfolgreichen Take-off
Porsche Consulting besitzt die Expertise und das nötige Netzwerk, um Unternehmen und Investoren auf dem Gebiet der vertikalen Mobilität kompetent zu beraten. Die Managementberater unterstützen den Prozess von der Entwicklung der Strategie bis zur Operationalisierung des Geschäftsmodells: Lufttaxi-Hersteller können auf dieses Wissen zurückgreifen, um vom Business Case zur Operationalisierung zu gelangen. Investoren und Betreiber von Vertiports bekommen Antworten auf Fragen rund um die Auswahl der richtigen Standorte, den Aufbau von Ladeinfrastruktur oder die Anbindung an das bestehende Verkehrsnetz. Außerdem erhalten sie Einsichten zum innerstädtischen Verkehr und zu operativer Exzellenz. Reiseanbieter kann Porsche Consulting zu beispielhaftem Betrieb und überzeugendem Kundenerlebnis beraten – und sie bei der Integration und Vernetzung aller Verkehrsträger unterstützen.
Unternehmen können sich mit dem Weg zur High-Performance-Organisation vertraut machen und Effizienzprogramme ausloten.
Beim Thema Hardware lohnt sich ein Blick auf Studien zur Modularisierung von Industriegütern, der Produktkostenoptimierung, die Erfolgsformel 911 und das intelligente Lieferantenmanagement.
Lesenswert sind auch Papiere zur Lean Production bei Airbus und Porsche. Weitere Studien drehen sich um Smart Factory, Fragen der vernetzten Supply Chain, der Logistikkosten und den Einkauf.
Relevant sind außerdem White Papers zum prädikativen Asset Management und zur Skalierung im Flugtaximarkt.
Einsichten für den Service bieten Untersuchungen zur Strategiearbeit, New Urban Mobility, Micromobilität und Servitization.
Weiterführendes gibt es außerdem zu Service & Operational Excellence aus Kundensicht und zu den Bestandteilen einer erfolgreichen Service-Plattform. Nicht vergessen sollte man das Schlüsselthema soziale Akzeptanz einer Marke.
Fragen rund um die Infrastruktur der vertikalen Mobilität beleuchten Studien aus der Autoindustrie, der Bauindustrie und Untersuchungen zu innovativen Geschäftsmodellen nach der Corona-Pandemie.
Die Attraktivität von Flughäfen und das Stakeholder Management im Zeichen der Nachhaltigkeit sind zwei weitere wichtige Themen in der Diskussion der vertikalen Mobilität.
Info
Text erstmalig erschienen im Porsche Consulting Magazin.