Innovation: Qualität hat Priorität

Pharmahersteller sind ein wichtiger Faktor für die Weltgesundheit – mit enormer Verantwortung. Qualität hat höchste Priorität – gerade bei bahnbrechenden Innovationen, wie das Beispiel Boehringer Ingelheim zeigt.

„Das Vertrauen unserer Patienten ist das größte Kapital, das wir besitzen“, sagt Dr. Lothar Halmer. Er ist Chief Quality Officer bei Boehringer Ingelheim. Er weiß, wie fragil die Reputation eines Unternehmens und seiner Erzeugnisse sein kann: „Es dauert lange, Vertrauen aufzubauen, es geht aber schnell, es zu zerstören.“ Boehringer Ingelheim, eines der 20 größten Pharmaunternehmen der Welt, entwickelt seit weit über 100 Jahren neue Medikamente. Patienten, Ärzte und Apotheker schätzen die Qualität der Produkte. Und den Beitrag des Familienunternehmens zum medizinischen Fortschritt. Produkt- und Prozessqualität sind tief in den Genen von Boehringer Ingelheim verankert.

Zentrale Boehringer, Ingelheim am Rhein, 2022, Porsche Consulting
Ingelheim am Rhein (35.000 Einwohner) ist Stammsitz, Zentrale und weltweit größter Boehringer-Standort. Neue Wirkstoffe und Arzneimittel werden während der Markteinführungsphase hier produziert. Credit: Boehringer Ingelheim

In Zukunft gehören zum Portfolio des Unternehmens auch digitale Therapien. Zum Beispiel Apps, die Menschen helfen, die an Schizophrenie erkrankt sind. So entwickeln Spezialisten aus den Therapiegebieten und dem Digitallabor BI X von Boehringer Ingelheim in Zusammenarbeit mit dem US-Medizintechnikhersteller Click Therapeutics ein verschreibungspflichtiges digitales Therapeutikum, das bei Menschen mit dieser Erkrankung kognitive und soziale Defizite reduzieren soll. „Software as a medical device“ nennt die Branche solche Innovationen. Wie auch bei anderen neuen digitalen Medizinprodukten hat Boehringer Ingelheim hier die besonderen Qualitätsanforderungen von Anfang an im Blick. Dazu gehört auch die Erfüllung regulatorischer Anforderungen, beispielsweise bei Themen wie Data Integrity und der IT-Sicherheit. Halmer: „Es gelten höchste Qualitätsansprüche. Eine App muss für Patienten genauso zuverlässig und sicher sein wie die Tablette gegen Herzerkrankungen oder Diabetes.“

Simultan geht es schneller

Was bedeutet es für die Qualität, wenn das Tempo bei Innovationen beschleunigt wird? „Geschwindigkeit und Qualität gehören zusammen“, sagt Halmer und macht einen Vergleich: „Will man schnell sein, muss man genau sein. Einen Weg zweimal zu gehen, weil man schlecht vorbereitet war und gestolpert ist, dauert länger, als den Weg gut vorbereitet einmal sicher zu beschreiten.“ Wenn einzelne Arbeitsabschnitte nicht mehr in Sequenzen, sondern simultan ausgeführt werden, wird der Prozess beschleunigt. Hinzu kommen agile Methoden und intelligente Abläufe, die im Weg liegende „Steine“ beseitigen. Halmer: „Mit der Komplexität und dem technologischen Fortschritt steigen die Standards. Tadellose Qualität und höchste Sicherheit sind für uns der entscheidende Maßstab. Und deshalb integraler Bestandteil jeder Innovation.“

Auch eine besonders ausgeprägte Kultur der Qualität ist für den Pharmahersteller selbstverständlich. Diese Kultur erreicht alle Fachgebiete sowie alle Mitarbeitenden. Und ihre Effektivität lebt von stetiger Weiterentwicklung – insbesondere bei Innovationen. Der kontinuierliche Austausch über Abteilungen hinweg spielt dabei eine bedeutende Rolle: „Unsere Mitarbeitenden denken Qualitätsaspekte gleich mit und greifen selbst ein, wenn korrigiert werden muss. Und sie lernen voneinander, auch aus Fehlern.“ Das führt zu einer verbesserten Entscheidungsfindung und einem optimierten Risikomanagement. Ergebnis: Arzneimittel werden den Menschen schneller zur Verfügung gestellt. Dr. Halmer: „Klingt in der Theorie einfach. In der Praxis müssen aber auch organisatorische Veränderungen zuerst der geforderten Qualitätsprüfung standhalten, bevor sie eingeführt werden können.“

Eine Aufgabe für alle

Im Januar 2020 startete Boehringer Ingelheim die intensive Zusammenarbeit mit einem Team der Managementberatung Porsche Consulting. Das Life-Sciences-Unternehmen, das durch Fortschrittlichkeit und exzellente Qualität einen hervorragenden Ruf erworben hat, will Qualität auf allen betrieblichen Ebenen zukunftsfähig machen und als Wettbewerbsvorteil kontinuierlich ausbauen. Dabei gilt es, Veränderungen zu berücksichtigen, zum Beispiel mehr digitale Anwendungen, steigende Prozesskomplexität und höhere regulatorische Anforderungen an Pharmahersteller. Die Teams von Porsche Consulting und Boehringer Ingelheim begannen zunächst mit einer strategischen Analyse der Aktionsfelder und glichen die Resultate mit den bevorstehenden Entwicklungen und besonderen Notwendigkeiten in der Pharmaindustrie ab. Daraus wurde ein starkes Work-Package-Portfolio abgeleitet.

Es besteht aus elf Initiativen und mehr als 70 Arbeitspaketen. Sein Spektrum reicht von der Datenintegrität über Gesundheits-Apps bis zu Konzepten für klinische Fernstudien bei neuen Medikamenten. Zudem wurden ein Steuerungssystem aufgebaut und Best Practices aus der Pharma-Expertise von Porsche Consulting in die Arbeitspakete integriert. Die Fortschritte dieser Arbeit ließen sich mit Kennzahlen messbar und sichtbar machen. Gemeinsam mit dem Qualitätsteam von Boehringer Ingelheim konnte eine neue, zukunftsorientierte Qualitätskultur entwickelt und global ausgerollt werden. „Qualität ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie wirklich von allen Unternehmensbereichen gelebt wird, und zwar aus Überzeugung“, sagt Marcel Geers, verantwortlicher Manager von Porsche Consulting.

Karriere im Konzern

Dr. Lothar Halmer ist seit dem Jahr 2020 Chief Quality Officer beim Pharmahersteller Boehringer Ingelheim. Der Biologe studierte an der süddeutschen Universität Konstanz. Dort promovierte er 1997 in molekularer Genetik. Im folgenden Jahr startete er seine berufliche Laufbahn bei Boehringer Ingelheim in der Qualitätskontrolle der Biopharmazie. 2008 wechselte er für das Unternehmen nach Österreich und war dort bis 2013 als Standortleiter der Biopharmazie mit Sitz in Wien tätig. Im Anschluss verantwortete Lothar Halmer verschiedene Rollen in der globalen Qualitätseinheit des Konzerns.

Dr. Lothar Halmer, Chief Quality Officer bei Boehringer Ingelheim, 2022, Porsche Consulting
Dr. Lothar Halmer im Corporate Center von Boehringer Ingelheim. Seit 1998 arbeitet der Biologe für das Pharmaunternehmen. Qualität ist sein Spezialgebiet, von Anfang an. Credit: Porsche Consulting / Marco Prosch
Dr. Lothar Halmer, Chief Quality Officer bei Boehringer Ingelheim, 2022, Porsche Consulting
Nicht nur die Arbeitsumgebung ist bei Boehringer Ingelheim auf Zukunft ausgerichtet. Auch die hohen Qualitätsansprüche müssen Weltspitze sein – insbesondere im Zuge der Digitalisierung, betont Dr. Halmer. Credit: Porsche Consulting / Marco Prosch

Flexibler bei klinischen Studien

Ein Beispiel ist die Organisation klinischer Studien. Hier hat sich ein Wandel vollzogen. Die Entwicklung neuer Medikamente dauerte früher im Durchschnitt etwa acht bis zehn Jahre, inklusive klinischer Studien. Das ändert sich: Nicht erst seit Beginn der Covid-19-Pandemie werden klinische Studien für neue Medikamente nicht mehr mit Patienten in einigen wenigen, spezialisierten Zentren durchgeführt, sondern dezentral an mehr Standorten. So können in kürzerer Zeit auch mehr passende Patienten gefunden werden. Gerade bei selteneren Krankheiten kann dieser Zeitvorteil viele Monate betragen.

Um gleichbleibende Qualität in der Validität und Zuverlässigkeit der Studien zu gewährleisten, sind neue Arten der Datenerfassung, ein gutes Datenmanagement und die Einhaltung des Studienplans notwendig. Boehringer Ingelheim hat dafür flexible Lösungen geschaffen. So wurde zum Beispiel eine direkte Medikamentenlieferung an die Studienteilnehmer organisiert, der regelmäßige Besuch vor Ort von Fachpersonal eingerichtet und die Fernüberwachung durch Videoanrufe ermöglicht. Dadurch konnten klinische Studien bei gleichbleibender Qualität trotz der Pandemie fortgesetzt werden.

Solche Qualitätserfolge sind für den deutschen Pharmahersteller von enormer Bedeutung. Denn das Geschäft des Unternehmens basiert auf einem umfangreichen Forschungs- und Entwicklungsportfolio, das sich auf Krankheiten mit hohem ungedeckten Behandlungsbedarf konzentriert. So befinden sich zum Zeitpunkt dieses Berichts (Anfang 2022) in der Forschungs- und Entwicklungs-Pipeline der Boehringer-Humanpharmazie mehr als 60 neue Wirkstoffe sowie rund 100 klinische und präklinische Projekte. Das Potenzial: Bis 2025 könnten die Zulassungen für bis zu 15 neue Medikamente beantragt werden. In der Pharmabranche ist das enorm. Zuletzt erzielte Boehringer Ingelheim vor allem Fortschritte in der Behandlung von Herzinsuffizienz, bei neuropsychiatrischen Störungen sowie in der Immunologie und Pneumologie. Auch in die Erforschung verschiedener Krebsarten wird investiert, ebenso in den Ausbau des Portfolios für Haus- und Nutztiere.

Stichprobe in der Pharmazeutischen Entwicklung, 2022, Porsche Consulting
Stichprobe in der Pharmazeutischen Entwicklung: Eine technische Mitarbeiterin kontrolliert die Flaschenabfüllung von Kapseln. Die Klinikmuster eines Medikaments zur Behandlung von Lungenkranken sind für Studien bestimmt. Credit: Peter Ginter, 2021

Bleibt ein abschließender Blick nach vorn, in die Zukunft des weltbekannten Pharmaunternehmens: Boehringer Ingelheim hat hervorragende Chancen. Sie liegen insbesondere in der noch schnelleren und zielgenaueren Entwicklung von Medikamenten für Bereiche, in denen der medizinische Bedarf hoch ist. Und: Als Familienunternehmen ist Boehringer Ingelheim unabhängig von kurzfristigen Interessen – wie etwa dem Wunsch von Shareholdern nach Profiten. In Ingelheim am Rhein kann langfristig gedacht, geplant und entwickelt werden. Es geht dem Management um Nachhaltigkeit für Generationen. Dabei bekommen digitale Werkzeuge wie Apps, künstliche Intelligenz, virtuelle Trainings, Predictive Analytics oder Big Data bedeutende Rollen. Und für Halmer steht fest: „Auch bei der Realisierung solcher technologisch getriebenen Innovationen achten wir von Anfang an genau darauf, dass unsere hohen Qualitätsanforderungen erfüllt werden.“

Info

Text erstmalig erschienen im Porsche Consulting Magazin.

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