Erste Assoziationen mit Busreisen sind lange Stunden auf der Autobahn, beengter Raum, stickige Luft und schlimmstenfalls sogar Kaugummireste auf einem unbequemen Sitz. Doch diese Zeiten sind längst vorbei – zumindest in einigen Teilen der Welt. Wenn Hugo Fleck unterwegs auf Reisen ist, dann am liebsten mit dem Bus. „In Brasilien ist der Bus die einfachste, sicherste und angenehmste Art der Fortbewegung über größere Distanzen“, so der Inhaber des Transportunternehmens Ouro e Prata – zu Deutsch „Gold und Silber“. Die Marke ist seine Mission. Aber dazu später.

Während in Deutschland erst seit 2013 mit der Änderung des Personenbeförderungsgesetzes ein weitgehend liberaler Markt für Buslinien zwischen Städten entstanden ist, bilden Busse in dem lateinamerikanischen Land seit Jahrzehnten das Rückgrat des Fernverkehrs. „Neunzig Prozent der brasilianischen Bevölkerung nutzt dieses Verkehrsmittel“, so Fleck. Ouro e Prata transportiert jährlich rund 3,6 Millionen Personen quer durch Brasilien.

Der Bus ist dort nicht nur etwas für kleine Portemonnaies, sondern auch bei Geschäftsreisenden und gut situierten Bürgern beliebt. Was in der Luftfahrt zum Standard gehört, etabliert sich mehr und mehr auch im Busverkehr: Die Basisleistung ist der sichere Transport von A nach B. Wer Wert auf mehr Komfort legt, kann – analog zur Business oder First Class im Flugverkehr – Leistungen hinzubuchen. Mit dem Unterschied, dass die Klassen nicht innerhalb eines Fahrzeugs untergebracht sind – die Passagiere haben die Wahl zwischen verschiedenen Bustypen.

Wenig Sitze und viel Komfort im Luxusliner

Den meisten Komfort verspricht der Luxusliner „Ônibus Executivo“, indem sich nur 26 Sitze befinden. Diese sind extrabreit und bequem und lassen sich in eine komplett liegende Position bringen. Onboard-Entertainment und Verpflegung sind inklusive. „Viele unserer Kunden nutzen den Bus als rollendes Büro“, erklärt Fleck. Steckdosen für Laptops an jedem Platz und schnelle WLAN-Verbindungen machen das möglich. Wer über Nacht mit Ouro e Prata fährt, kommt am Morgen gut ausgeruht an – manch ein Tourist spart sich so die Hotelübernachtung und legt die Strecke zum nächsten Stopp auf der Reiseroute im Schlaf zurück.

Willy Fleck, Mitte, Firmengründer Ouro e Prata, Porsche Consulting GmbH
Firmengründer Willy Fleck (Mitte) im Jahr 1940

Dass sich in Brasilien eine Art Buskultur entwickelt hat, liegt nicht nur an der Geselligkeit, für welche die Brasilianer weltweit bekannt sind. Die Infrastruktur des Landes bietet auch kaum Alternativen. Das Schienennetz ist schlecht ausgebaut, Flugzeuge verbinden in erster Linie die Bundeshauptstädte des weitläufigen Landes. Für andere Ziele und Distanzen bis 500 Kilometer ist der Bus oft die beste oder sogar die einzige Wahl. „Selbst Autofahrer steigen mehr und mehr auf den Bus um“, so Fleck. Das sei nicht nur günstiger, sondern auch sicherer und bequemer.

„Viele Straßen sind in einem erbärmlichen Zustand und das Verkehrsaufkommen ist hoch – selbst am Steuer zu sitzen, macht da keinen Spaß.“ Hinzu komme ein stärker werdendes ökologisches Bewusstsein in der brasilianischen Gesellschaft. Und nicht zuletzt ist der Bus preislich nicht zu schlagen. So kostet etwa eine Fahrt von Porto Alegre ins mehr als 500 Kilometer entfernte Santa Rosa nahe der Grenze zu Argentinien zwischen 30 und 55 Euro, je nach Busklasse.

Querschnitt durch die Gesellschaft

Ouro e Prata operiert mit 90 Buslinien, die mehr als 260 Städte im ganzen Land verbinden. Am stärksten frequentiert das Unternehmen den Bundesstaat Rio Grande do Sul rund um den Hauptsitz in Porto Alegre im Süden des Landes. Die längste Buslinie verbindet Porto Alegre mit Santarém, das im Norden Brasiliens direkt am Amazonas liegt. Fast 4000 Kilometer legt der Bus zurück, 72 Stunden dauert die Fahrt, zehn Fahrer kommen dabei zum Einsatz.

Ein Blick in den Innenraum eines Busses ist manchmal wie ein Querschnitt durch die Gesellschaft. Das Spektrum reicht von jungen Leuten, die zur Universität in eine andere Stadt müssen, bis zu Senioren, die weite Strecken zu medizinischen Behandlungen fahren. Der Bus, davon ist Fleck überzeugt, wird auch noch lange Zeit ein Erfolgsmodell bleiben.

Die Familie mit dem deutschen Namen Fleck hat ihre Wurzeln in Baden-Württemberg. Im Jahr 1846 wanderten die Ur-U r-U r-Großeltern von Hugo Fleck nach Brasilien aus. Sein Vater Willy gründete gemeinsam mit dessen Bruder Raimundo vor über 75 Jahren eines der ersten Unternehmen Brasiliens für den Personentransport. Drei offene Lkw waren ihre ersten Fahrzeuge. Die Brüder Fleck hatten es mit denkbar schweren Bedingungen zu tun. Im Gründungsjahr 1939 tobte der Zweite Weltkrieg. In Brasilien fehlte es an Treibstoff und von einem gut ausgebauten Straßennetz konnte keine Rede sein. Die Flecks sorgten mit einfachen Mitteln für die ersehnte Mobilität – und professionalisierten das Unternehmen nach und nach.

Die Nation bewegen – auch im Wasser

Sohn Hugo führt heute das Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Der 63-Jährige ist immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, die Menschen in Brasilien in Bewegung zu bringen. „Wann immer es geht, nutze ich die Angebote unserer Konkurrenten im In- und Ausland. Das bringt mich manchmal auf gute Ideen.“ Ein Innovationsteam hält Ausschau nach Trends und Entwicklungen in Verkehr und Transport. „In einem Familienunternehmen muss jede Generation den Führungsanspruch der Firma durch Innovationen behaupten und neues Wachstum schaffen“, so Fleck. „Unser Fokus ist und bleibt der Personentransport, aber wir entwickeln uns weiter.“

Neben dem Busgeschäft ist die Unternehmensgruppe Ouro e Prata auf weiteren Feldern im Bereich Transport aktiv. Schon seit den Anfangstagen des Unternehmens wurden nicht nur Personen und ihr Gepäck, sondern auch Postsendungen transportiert. Durch die steigende Zahl an Bestellungen über das Internet wurde das Liefergeschäft bei Ouro e Prata neu belebt.

Hugo Fleck, Mitte, Inhaber von Ouro e Prata, 2016, Porsche Consulting GmbH
Hugo Fleck (Mitte) ist stolz auf die Unternehmenskultur

Das größte Wachstum spielt sich aber nicht auf staubigen Straßen, sondern im Wasser ab. „Wir setzen neben dem Zukauf von Buslinien verstärkt auf den Ausbau des Fährnetzes“, so der Präsident der Unternehmensgruppe, zu der auch Firmen für Schiffsbau und die Verpflegung auf Fähren gehören. „Brasilien ist durchzogen von Gewässern. Hier finden sich perfekte Voraussetzungen für einen schnellen und komfortablen Verkehr mit Schiffen“, so Fleck weiter. Die Strategie 2020 hat Ouro e Prata gemeinsam mit Beratern von Porsche Consulting entwickelt. „Die Ziele sind sehr ambitioniert“, sagt Fleck. Dafür mussten zunächst die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden: „Wir hatten mit hoher Verschwendung zu kämpfen. Wie sollten wir da eine große Marge erzielen? Porsche Consulting hat uns geholfen, uns effizient aufzustellen.“

Gold und Silber für Mitarbeiter und Kunden

Seit 2013 erarbeiten Porsche-Berater in Workshops gemeinsam mit den Mitarbeitern von Ouro e Prata konkrete Verbesserungen. Kein Bereich wurde ausgespart: Von administrativen Einheiten wie IT, Einkauf und Rechnungswesen bis zu operativen Aufgaben wie der Wartung und Aufbereitung von Bussen. Das ganzheitliche Vorgehen schaffte konkrete Resultate. Zum Beispiel kommen Busse jetzt bis zu 60 Prozent früher wieder zum Einsatz und die Produktivität ist deutlich gestiegen. „Die Arbeitsweise und das Modell von Porsche Consulting haben uns schnell überzeugt: Sie sind einfach und effizient“, findet Fleck. Heute sei der Kulturwandel im ganzen Unternehmen angekommen.

Bei all den Veränderungen denkt der Chef immer auch an das Wohl seiner Mitarbeiter. Stolz berichtet er, dass die vollkommene Zufriedenheit in der Mannschaft auf über 90 Prozent gestiegen sei. „Die Verbesserungskultur wird Tag für Tag stärker. Das zahlt sich finanziell aus, aber das trägt auch zu einem guten Klima im Unternehmen bei.“ Ob es um Mitarbeiter oder Kunden geht, für Hugo Fleck ist Ouro e Prata nicht nur der Firmenname, sondern gleichzeitig das Maß der Dinge: Gold und Silber.

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