Die Stuttgarter Zeitung sprach mit Branchenexperte Robert Heiler von Porsche Consulting über die schwierige Situation der europäischen Batteriebranche. Trotz aktueller Rückschläge gibt es Grund zu Optimismus.

Herr Heiler, das schwedische Startup Northvolt ist pleite. Porsche hat Pläne für eine Gigafabrik gestoppt, auch das Konsortium ACC, an dem Mercedes beteiligt ist, bremst seine Aktivitäten. Ist die europäische Batterieproduktion am Ende, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat?

Zugegeben, wenn man nur die Meldungen von Projektstopps und Insolvenzen liest, tauchen viele Fragezeichen auf. Aber wir haben uns angeschaut, wo die Reise mittel- bis langfristig hingeht. Und da bieten die Zahlen ein anderes Bild.

Welches?

Noch vor zwei, drei Jahren war die Stimmung enthusiastisch. Die Pläne für Batteriefabriken summierten sich auf eine Produktionskapazität von 1,6 Terawattstunden pro Jahr, die bis 2030 in Europa aufgebaut werden sollte. Das ist heute nicht mehr realistisch, aber es gibt nach wie vor Projekte für 1,1 Terawattstunden. Die werden nicht alle ins Ziel kommen, aber wenn man dieses Risiko einkalkuliert, rechnen wir fürs Ende des Jahrzehnts mit einer Kapazität von 740 Gigawattstunden. Heute sind es rund 200.

Wer baut diese Fabriken?

Europäische, chinesische und koreanische Firmen. Dabei dürften ähnlich große Anteile in Händen von europäischen und chinesischen Herstellern liegen. An dritter Stelle kommen dann Firmen aus Korea, die aktuell noch den größten lokalen Produktions-Footprint in Europa haben.

Worin besteht derzeit der technische Vorsprung von China und Südkorea?

Ihre Stärke ergibt sich aus der Summe aller Bestandteile, die dazu gehören, eine Batterie im industriellen Maßstab zu fertigen. Das heißt, sie haben wahnsinnig erfahrene Entwicklungsmannschaften, die schnell neue Technologien und Plattformen hervorbringen. Sie haben außerdem erfahrene Produktionsteams, die wissen, wie man eine neue Fertigungslinie hochfährt und sie auch extrem produktiv betreibt. Dritter Punkt: sie sind ganz nah an den Rohstoffen dran – und in allen Komponenten tief investiert.

Sind sie trotzdem zuversichtlich, dass Europa den Vorsprung aufholen kann?

Optimistisch bin ich auf jeden Fall. Ich glaube, uns bleibt gar nichts anderes übrig. Es gibt schon sehr viel zu tun, und man muss an vielen Fronten gleichzeitig kämpfen. Aber über eine gewisse Zeit hinweg kann man es schaffen.

Aktuell ist das Angebot bei E-Auto-Batterien größer als die Nachfrage. Die Gewinnmargen sind gesunken. Wer soll da noch investieren?

Die Situation wird sich drehen. Wir halten die aktuelle Überkapazität für ein temporäres Problem. Der Bedarf wird in den nächsten fünf, sechs Jahren aufholen, und dann wird sich das im Gleichschritt aufbauen. Klar ist aber auch: Man braucht einen langen Atem, wenn man in die Batterieproduktion investiert. Da wird man nicht in zwei Jahren profitabel, sondern muss mittel- und langfristig denken.

Bei stationären Großspeichern liefert China nicht nur den Akku, sondern ein quasi schlüsselfertiges System. So könnte es mit Autos auch kommen, ist dadurch die deutsche Autoindustrie nicht existenziell bedroht?

Dass die etablierten Hersteller unter Druck stehen, ist bekannt. Jeder muss sehen, wie er sich erfolgreich für den Elektroautomarkt aufstellt. Aber man hat auch schon andere Krisen überstanden.

Sie sind Chairman der Battery Show Europe in Stuttgart. Was ist in dieser Rolle Ihre dringendste Botschaft?

Wir brauchen klare Strategien und Perspektiven für fünf bis zehn Jahre – als Gesellschaft, in Europa und innerhalb jedes Unternehmens. Unternehmen müssen sich darüber klar werden, welche Rolle sie künftig einnehmen wollen und können und diesen Kurs konsequent verfolgen. Das kann auch bedeuten, eine Zeit lang im Rahmen von Partnerschaften von etablierten asiatischen Herstellern zu lernen, um zentrale Kompetenzen aufzubauen. Die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, ist natürlich auch eine Aufgabe der Politik. Es geht um mehr als die Frage, wie bekomme ich die günstigste Batterie für mein Fahrzeug. Wir müssten ein Ökosystem schaffen, in dem Rohstoffbeschaffung, Anlagenbauer, Produzenten von Batteriezellen und Autohersteller sich gegenseitig befruchten und in eine gemeinsame Richtung gehen. Es ist eine noch junge Branche, und Ideen gibt es genug.

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