Hartmut Falter und Christian Riethmüller – ein ungewöhnliches Buchhändler-Tandem. Im Wettrennen mit großen Online-Anbietern setzen sie auf Sportsgeist, Kondition und Disziplin. In ihren Filialen gibt es nur noch ein Ziel: den zufriedenen Kunden.

Noch vor 20 oder 30 Jahren gehörten Buchhandlungen in den besten City-Lagen zum Stadtbild. Heute kann sich das kaum noch ein Buchhändler leisten. Allein in den Jahren von 2010 bis 2014 mussten rund 400 Geschäfte schließen. Zwei mittelständische, regional tätige Filialisten nehmen diese Herausforderung sportlich und arbeiten dabei eng zusammen. Beide sind Familienunternehmer, beide führen Buchhandlungen mit langer Tradition und beide kennen durch Stationen im Discount-Handel sowie in der Beratung Methoden, um ein Geschäft auf Effizienz zu trimmen.

Christian Riethmüller, Geschäftsführer der Osianderschen Buchhandlung GmbH, und Hartmut Falter, Geschäftsführer der Mayerschen Buchhandlung KG, verändern einiges in ihren Unternehmen. Sie vernetzen den stationären Handel mit dem Onlinegeschäft und bieten E-Reader an. Gleichzeitig stellen sie mit Unterstützung von Porsche Consulting ihre Filialen so auf, dass dem Personal deutlich mehr Zeit für die Kundenberatung bleibt. Durch Zusatzverkäufe mit oftmals besseren Margen als es bei Büchern möglich ist, die der Preisbindung unterliegen, schaffen sie ordentlichen Umsatz. Vieles, was sie unternehmen, gehen sie gemeinsam an – zum Beispiel das Projekt mit Porsche Consulting. Außerdem scheuen sie keine deutlichen Worte, kritisieren die Verlage, die Buchmesse und loben ihren Hauptwettbewerber Amazon.

Lernen vom Wettbewerb

Im vergangenen Jahr reisten die beiden Unternehmer nach Seattle, wo Amazon einen der ersten „Bookstores“ eröffnet hat – auf relativ kleiner Fläche und mit stark begrenztem Sortiment von etwa 6.000 Titeln. Das Ergebnis des Besuchs fasst Hartmut Falter zusammen: „Die Sortimentskonzeption kommt bei Amazon aus den Algorithmen des Onlineshops und nicht aus der Themenkompetenz des Handels und der Mitarbeiter. Das lässt sich nicht übertragen. Die Reduzierung des Angebotes ist extrem, aber die Flächen werden auch hier in Deutschland kleiner. Große Ladenlokale mit mehr als 2.000 Quadratmetern sind nur noch in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern wirtschaftlich zu führen.“ Was die Buchhändler in Seattle beeindruckte, war die Ansprache der Kunden. Christian Riethmüller: „Wer den Laden betritt, wird sofort wahrgenommen und steht im Mittelpunkt.“ Das liegt auch daran, dass die Mitarbeiter fast ausschließlich mit Kundengesprächen beschäftigt sind. Im deutschen Buchhandel gibt es da Nachholbedarf, wie die Analyse von Porsche Consulting zeigte: Nur 20 Prozent der Arbeitszeit in den Filialen von Osiander und der Mayerschen entfielen auf die Kommunikation mit den Kunden. Der (große) Rest wurde für Sortieren, Einräumen, Umpacken, Bestellen etc. aufgewendet.

Materialfluss: Lernen von der Industrie

Dieses Ergebnis überraschte nicht nur die Geschäftsführer, sondern auch die Mitarbeiter. Hier kann der Handel von den Materialfluss-konzepten der Automobilindustrie lernen. In jeweils zwei Pilotfilialen beider Unternehmen führten die Berater unter anderem das Einsortieren mit Bücherwagen in geordnetem Rundverkehr ein. Zudem findet das Einräumen jetzt statt, bevor der Laden öffnet. So haben die Buchhändler mehr Zeit für die Kunden. Der Wareneingang wurde effizienter organisiert, ebenso das Remittieren, also das Zurücksenden der Bücher an Grossisten und Verlage. Und in jeder Filiale gibt es nun Kernzeiten für das „Power-Selling“, in denen alle Mitarbeiter mit Ausnahme der Kassenbesetzung aus-schließlich in der Beratung tätig sind.

Ergebnis: Deutlich mehr Zeit für den Kunden

Parallel zu diesen Pilotprojekten bildeten die Berater von Porsche Consulting Trainer für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess aus, die ein Handbuch mit dem Titel „Mehr Zeit für den Kunden“ erarbeiteten. Mit diesem Handbuch als Grundlage können die Trainer die Projekt-ergebnisse in anderen Filialen kommunizieren und ihre Kollegen bei der Umsetzung unterstützen. In den Pilotfilialen konnte der Zeitanteil, die auf die Kundenberatung entfällt, von rund 20 auf 50 Prozent gesteigert, also mehr als verdoppelt werden. Das ist noch nicht so viel wie im Amazon- Bookstore, was die Filialbuch-händler aber nicht beunruhigt. Christian Riethmüller: „Unsere Mitarbeiter sind viel kompetenter als bei Amazon. Wenn wir es schaffen, diese Kompetenz mit Verkaufsbegeisterung zu verbinden und die Nebentätigkeiten effizienter zu erledigen, sind wir klar besser.“

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