Mittlerweile stellen effiziente Prozesse einen überlebenswichtigen Wettbewerbsvorteil für Krankenhäuser dar. Eine Befragung von 60 ärztlichen Direktoren, Pflegedirektoren und Verwaltungsmanagern zeigt, wie weit Prozessoptimierungen in deutschen Krankenhäusern verbreitet sind und wo noch Verbesserungsbedarf besteht. 85 Prozent der Befragten gaben an, dass sie eine Verbesserung ihrer Organisation als strategisches Ziel haben. Gleichzeitig tun sich viele Häuser mit der Umsetzung ihrer Ziele schwer. So haben beispielsweise nur 17 Prozent der Befragten eine abteilungsübergreifende Planung, die verhindert, dass mehrere Bereiche gleichzeitig auf einen Patienten „zugreifen“.

Effizienz als Ziel: Verankerung in der Strategie und in Zielvereinbarungen von Managern und Mitarbeitern, 2016, Porsche Consulting GmbH
Abb. 1: Verankerung in der Strategie und in Zielvereinbarungen von Managern und Mitarbeitern

Auffallend ist in Anbetracht der angestoßenen strategischen Initiativen jedoch, dass die befragten Manager der einzelnen Krankenhäuser trotzdem nur relativ wenig Vertrauen in die Prozesse und die Patientenorientierung ihres eigenen Hauses haben: „Nehmen Sie an, eine Person, die Sie sehr schätzen, kommt als Patient in Ihr Krankenhaus: Vertrauen Sie darauf, dass diese Person auch ohne Ihren vorherigen Hinweis an das Personal respektvoll behandelt wird und kaum Wartezeiten auftreten?“ Rund 50 Prozent würden sich da eher Sorgen machen.

Zentrale Lean-Teams sind kaum etabliert

Um die prozessualen Verbesserungen nachhaltig zu implementieren haben 38 Prozent der Krankenhäuser zentrale Funktionen geschaffen, welche sich dezidiert mit der Prozessoptimierung im Krankenhaus befassen. In Wirtschaftsunternehmen, in welchen die Lean-Philosophie schon seit vielen Jahren gelebt wird, werden solche zentralen Einheiten proaktiv von dezentralen Fachabteilungen um Unterstützung gebeten. In deutschen Krankenhäusern ist dies noch nicht der Fall. Nur 22 Prozent der Befragten geben an, dass ein zentrales Lean-Team auch durch die Mitarbeiter der einzelnen Fachabteilungen nachgefragt wird.

Idee der Behandlungspfade setzt sich durch

Die Einführung von Standards ist vor allem für Patienten mit typischen, häufig vorkommenden Krankheitsbildern von großer Bedeutung. Einheitliche Arbeits- und Vorgehensweisen, unter anderem in der Diagnostik, bei Therapien und der Verordnung von Medikamenten, entlasten nicht nur das medizinische Personal, sondern erhöhen auch die Qualität der Behandlung. Zudem sorgen Standards für mehr Transparenz und geben dem Patienten Sicherheit während seines Aufenthalts. Die überwiegende Mehrheit – 87 Prozent der Studienteilnehmer – hat die häufigsten Diagnosen mit Behandlungspfaden hinterlegt.

Diesen Wert bestätigt Dr. Dominik Pförringer, DRG-Beauftragter der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum rechts der Isar: „Auch in unserem Klinikum ist ein Großteil der Pfade beschrieben, jedoch noch Optimierungspotenzial vorhanden. Es kommt primär auf den Zugang an. Nur wenn dieser klar geregelt ist, besteht eine Chance auf Umsetzung der Behandlungspfade zum Wohle des Patienten.“

Viele Chancen zur Reduktion von Wartezeiten bleiben ungenutzt

Ein Indikator dafür, dass bei den Krankenhäusern noch großes Verbesserungspotenzial in der Organisation besteht, sind die Wartezeiten von Patienten. Nur 37 Prozent der Krankenhäuser geben beispielsweise an, dass es in ihrer Notaufnahme oder ihrem Funktionsbereich zu keinen mehrstündigen Wartezeiten für die Patienten kommt. Zu erklären sind die hohen Wartezeiten unter anderem durch ein unausgeglichenes Patientenaufkommen im Tages- und Wochenverlauf. Dieses führt unweigerlich in Stoßzeiten zu hohen Wartezeiten. Nur 20 Prozent der befragten Manager geben an, dass sie über ein ausgewogenes Patientenaufkommen verfügen und dieses durch eine gezielte Einbestellung von Elektivpatienten steuern (Abb. 2).

Prozesse und Planung: Bei der Umsetzung effizienter Abläufe gibt es noch deutliche Defizite, 2016, Porsche Consulting GmbH
Abb. 2: Bei der Umsetzung effizienter Abläufe gibt es noch deutliche Defizite.

Auch die vorausschauende Layoutplanung der Krankenhäuser bietet Chancen, um unnötige Wartezeiten zu vermeiden. Optimalerweise sollte die Anordnung der Räumlichkeiten so beschaffen sein, dass Wege und Transportzeiten für Patienten und Mitarbeiter möglichst gering ausfallen. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass nur 38 Prozent der Krankenhäuser angeben, dass sie ihr Layout unter Lean-Gesichtspunkten durchdacht haben, um Wege möglichst kurz zu halten.

Digitalisierung und IT haben den Weg in das Krankenhaus noch nicht gefunden

Die mangelhafte Koordination von Terminen zeigt sich auch dann, wenn verschiedene Fachbereiche zeitgleich auf einen Patienten zugreifen wollen. Gerade einmal 17 Prozent der Führungskräfte schließen es aus, dass ein Patient in ihrem Haus durch unterschiedliche Abteilungen (zum Beispiel Radiologie und Funktionsbereich) zur selben Zeit für verschiedene Termine eingeplant wird (Abb. 2). Solche Doppelplanungen führen nicht nur im Terminplan der einzelnen Abteilungen zu Verschiebungen und organisatorischen Schwierigkeiten, sondern vermitteln auch dem Patienten ein wenig vertrauenswürdiges Bild des jeweiligen Hauses.

Daria Ostovan, Arzt und Leiter für klinische Prozesse und Konzepte der Privatklinikgruppe Hirslanden in der Schweiz, kennt dies aus seiner früheren Erfahrung in deutschen Krankenhäusern und lenkt den Fokus auf die IT-Unterstützung: „IT-Systeme sind ein wesentlicher Hebel zur Umsetzung von effizienten Prozessen. In vielen Häusern plant noch jede Abteilung mit ihrem eigenen IT-Tool. Da fällt eine übergreifende Planung zusammen wie ein Kartenhaus. Bei Hirslanden haben wir dies weitgehend überwunden und setzen auf integrierte IT-Systeme.“ Über 40 Prozent der befragten Krankhäuser geben dementsprechend an, dass bisher weder „alte Zöpfe“ abgeschnitten wurden, noch ein großer Schritt in das Zeitalter der Digitalisierung gegangen wurde. So gehören papiergebundene Patientenakten beispielsweise bei 75 Prozent der Krankenhäuser zumindest teilweise immer noch zum Alltag. Das ist im Zeitalter der Digitalisierung kaum zu glauben. Doch Unfallchirurg Dr. Pförringer erinnert an die Realität: „Manche Krankenhäuser besitzen nicht einmal ein IT-Budget oder leiden unter einem deutlich zu niedrigen.“

Die weichen Faktoren sind entscheidend

Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass bei der Umsetzung der strategischen Zielsetzung, effiziente und verlässliche Prozesse zu etablieren, an vielen Stellen noch Nachholbedarf besteht. Das Zusammenspiel der Lean-Ansätze mit der Veränderungsbereitschaft und Motivation aller Mitarbeiter sind ein Schlüssel für die Wirksamkeit von Lean Hospital. Auf die große Bedeutung der weichen Faktoren für die Verankerung des Ansatzes verweist auch Gerald Tomenendal, Kaufmännischer Direktor am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart: „Das Potenzial von Lean Hospital ist leicht aufgezeigt, der Kulturwandel jedoch steinig in der Umsetzung. Allerdings zahlen sich Konsequenz und Ausdauer aus – sowohl für unsere Patienten als auch für unsere Mitarbeiter“.

Porsche Consulting empfiehlt bei der Umsetzung von Lean Hospital die Orientierung an drei Erfolgsfaktoren, die sich in über 100 Lean-Projekten an Krankenhäusern bewährt haben.

1. Erfolgsfaktor: Behandlungsprozess statt Abteilungsdenke

Der Fokus bei der Optimierung der Prozesse sollte stets auf dem gesamtheitlichen Behandlungsprozess liegen. Dabei ist es hilfreich, den gesamten Behandlungsablauf einmal aus der Perspektive des Patienten zu durchlaufen. Ein häufig begangener Fehler bei der Umsetzung effizienter Prozesse ist die Fokussierung auf nur einen Bereich des Krankenhauses, ohne dass dabei die Schnittstellen zu anderen Abteilungen berücksichtigt werden. So werden beispielsweise effiziente und schlanke Prozesse im OP oder Funktionsbereich etabliert, ohne die Auswirkung auf den stationären Ablauf im Blick zu haben. Dies spielt vor allem in der Planung eine entscheidende Rolle. So ist für den gesamtheitlichen Behandlungsprozess zum Beispiel noch wenig gewonnen, wenn der Patient zwar einen schnellen und zuverlässigen Untersuchungstermin im Funktionsbereich erhält, dieser aber nicht auf die Visitenzeiten der Station abgestimmt ist und der Stationsarzt den Patienten suchen muss.

2. Erfolgsfaktor: Vorausschauende Planung statt „Flexibilität“

Eine vorausschauende Planung des Behandlungsablaufs, insbesondere bei Elektivpatienten, beginnt bereits ab der ersten Kontaktaufnahme mit dem Patienten und endet mit der Organisation der Nachversorgung. In diesem Zusammenhang ist das Aufnahme- und Entlassmanagement zentraler Bestandteil der Terminierung der einzelnen Behandlungsschritte. Ausgehend von einem bereits bei der Aufnahme definierten Entlassdatum, kann der Großteil aller weiteren Aktivitäten im Behandlungsprozess bereits frühzeitig eingesteuert werden. Die Planung des Behandlungsprozesses sollte dabei zentral durch eine Person vorgenommen werden (Case Management). Auf diese Weise können Doppelplanungen und Verschiebungen des Entlasstermins aufgrund unzureichender Organisation verhindert werden.

3. Erfolgsfaktor: Change Management statt Anordnen

Lean Hospital Management ist mehr als eine Methodik. Es ist eine Philosophie und Denkart, nach der die täglichen Arbeitsabläufe betrachtet und gestaltet werden können. Dies lässt sich nur schwer per Anordnung umsetzen, sondern muss letztendlich von den einzelnen Mitarbeitern und Führungskräften verinnerlicht werden. Hilfreich ist es, neben der Vermittlung der theoretischen Grundlagen, die Grundidee von Lean Management anhand von Pilotprojekten und praxisnahen Simulationen erlebbar zu machen.

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