Zu den Stärken des deutschen Maschinenbaus gehört außer der hohen Innovationskraft auch die Fähigkeit, Unikate und kundenindividuelle Varianten zu konstruieren und zu produzieren. Gleichzeitig erwarten die Kunden neben kürzeren Lieferzeiten eine hohe Verlässlichkeit in der Lieferterminaussage und die Möglichkeit, bis kurz vor Produktionsstart noch Änderungen an den Maschinen vorzunehmen. Das heißt Mehrarbeit für die Konstruktion, aber auch für den Einkauf: Er muss ein immer größeres Spektrum an Komponenten in kürzerer Zeit verlässlich beschaffen.

Wenn ein Unternehmen diese Herausforderung angeht, ohne die Prozesse kundenseitig (Markt/Vertrieb) und kapazitätsseitig (Produktion/Einkauf) ressortübergreifend darauf auszurichten, sind die zu erwartenden Konsequenzen offensichtlich: Es kommt zu Versorgungsengpässen und zu kostspieligem Troubleshooting inklusive teurer Sonderfahrten, und die Zulieferer werden häufiger mit sich permanent verändernden Bedarfsbildern konfrontiert. Das erschwert auch die Preisverhandlungen, weil „Schnellschüsse“ beim Zulieferer ebenfalls zu höherem Aufwand führen.

Ziel: Stabile Planung für die Supply Chain

Ist diese Entwicklung zwangsläufig, wenn wachsende Flexibilität gefragt ist? Oder gibt es Möglichkeiten, Flexibilität gegenüber dem Markt, also „spontanere“ Kundenentscheidungen, mit einem stabilen Planungsprozess zu etablieren? Dieser Frage ist Porsche Consulting intensiv nachgegangen und hat das Planungsinstrument „Durchgängiges Bedarfs- und Kapazitätsmanagement“ – kurz dBKM – entwickelt. Ziel dabei war es, auch bei sich rascher verändernden Bedarfssituationen in Vertrieb, Produktion und Einkauf eine stabile Planung zu gewährleisten, die den Verzicht auf teure und arbeitsintensive Sonderarbeiten und -fahrten ermöglicht.

Das praktische Ergebnis eines solchen Planungsinstrumentes erlebt jeder Käufer eines Porsche-Fahrzeugs. Nachdem er zuhause oder in einem Porsche-Zentrum gemeinsam mit dem Händler am „Car Configurator“ sein Wunschfahrzeug zusammengestellt und die Bestellung bestätigt hat, wird ihm innerhalb von Sekunden der präzise Liefertermin genannt. Dabei handelt es sich nicht um einen angenommenen Zeitpunkt, sondern um einen „echten“ Termin, denn das Fahrzeug ist in diesem Moment schon im zentralen Auftragsmanagement in Zuffenhausen platziert. Darauf folgt ein komplexes, aber definiertes Zusammenspiel von Vertrieb, Produktion und Beschaffung. Der Bedarf an Zukaufteilen liegt zu diesem Zeitpunkt bereits fest, und die Teile können direkt und auf den Tag genau bestellt werden. So werden Versorgungssicherheit und eine „beruhigte“ Montage gewährleistet.

Bedarf und Kapazität verzahnen sich

Dieses praxiserprobte Konzept ist – das haben die Berater von Porsche Consulting schon mehrfach bewiesen – durchaus übertragbar auf andere Branchen. Dazu gehören Werkzeugmaschinenbauer ebenso wie Hersteller von Komponenten und komplexen Kfz-Zulieferteilen mit vielen Varianten.

Wie funktioniert der präzise Planungsprozess mit dBKM in der Praxis? Und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit dieses Management-Tool greift? Zunächst handelt es sich bei diesem Planungsinstrument um die Verzahnung und Synchronisation der Prozesse von Vertrieb, Produktion und Beschaffung. Mit anderen Worten: Ein Vertriebsprozess – der Verkauf eines Autos oder einer Maschine – löst die zugehörigen Prozesse auf der Beschaffungs- und Produktionsseite aus, und zwar selbsttätig und ohne Doppelarbeit. Voraussetzung ist natürlich, dass der Planungsprozess ressortübergreifend genau durchstrukturiert und idealerweise IT-seitig unterstützt wird. Wenn das der Fall ist, kann die Maschine, die Komponente oder das Fahrzeug schon bei der Bestellung genau in die benötigten Bauteile und entsprechenden Kapazitätsbedarfe zerlegt werden. Auf dieser Basis lassen sich die einzelnen Prozessschritte, die aus dem Bedarf bzw. dem konkreten Kundenauftrag resultieren, sequenzieren und als Basis einer Produktions- und Beschaffungsplanung verwenden.

Dazu gehört zwingend ein Abgleich des Bedarfs mit den Kapazitäten, so dass quasi automatisch eine Überlastung der Werke und Lieferanten vermieden wird. Somit verzahnen sich, um auf das Eingangsszenario zurückzukommen, Bedarf und Kapazität. Außerdem lassen sich „Freeze“-Zeitpunkte festlegen, bis zu denen noch Veränderungen in der Konfiguration möglich sind, weil Beschaffungs- oder  Produktionsprozess darauf ausgelegt wurden.

Vorteile eines Bedarfs- und Kapazitätsmanagements

Die Vorteile eines Bedarfs- und Kapazitätsmanagements aus Sicht des Herstellers liegen auf der Hand. Die Planung orientiert sich an realistischen Rahmendaten, die Kapazitäten lassen sich gut gleichmäßig auslasten. Die Supply Chain wird gleichsam beruhigt, und die vorhandenen Ressourcen werden effizient genutzt. „Bottlenecks“ lassen sich ebenso vermeiden wie „Schnellschüsse“, weil einzelne Aufträge nicht fristgerecht abgearbeitet werden.

Somit kann der Hersteller auf aufwändige und teure Sonderaktionen verzichten und sämtliche Aufträge planmäßig und fristgerecht abarbeiten. Auf der Beschaffungsseite führt dies nicht nur zu vergrößerter  Planungssicherheit und stabileren Prozessen, sondern auch zu verringerten Beständen in den Werken oder bei den Lieferanten. Das verringert die Kapitalbindung im Unternehmen bzw. es wirkt sich positiv auf die Materialeinkaufskosten (MEK) aus.

Die Zulieferer profitieren davon, dass ihr Kunde dieses Planungsinstrument einsetzt, weil sie mit verlässlicheren Planzahlen operieren können. Noch besser ist es natürlich, wenn sie selbst auch mit diesem Planungs-Tool arbeiten. Dann entsteht ein wirklich durchgängiges Bestands- und Kapazitätsmanagement über die gesamte Prozesskette, das sich flexibel an sich verändernde Kundenwünsche anpassen lässt. Wobei aus Sicht der Beschaffung natürlich auch die Vorteile der „internen“ Kunden der Produktion und des Vertriebs zu berücksichtigen sind. Ihnen stellt der Einkauf ja letztlich die Ressourcen bereit.

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