In einem ruhigen Viertel von Kamogawa in dem grünen Amtsbezirk Chiba südöstlich von Tokio erwacht ein luftgekühlter 4-Zylinder-Boxermotor zögerlich hustend zum Leben. Es ist April. Das weiße Licht der Morgensonne dringt durch die dichte Kirschblütendecke und lässt die Silberlackierung eines frühen 356 aufleuchten.

Toshiyuki Suzuki setzt langsam zurück auf die leere Straße. Ohne großes Aufsehen zu erregen, begibt sich der 60 Jahre alte Geschäftsmann und Familienvater auf die ultimative Porsche-Tour.

Vor Suzuki-san liegt eine Reise von mehr als 15.000 Kilometern, die ihn in einige der unwirtlichsten Gegenden der Erde führen wird: durch entlegene Gebirgszüge, staubtrockene Wüsten, über reißende Flüsse und unwegsame Straßen. Endlose Kilometer auf monotonen Highways, kurvenreichen Passstraßen, zerfurchten Feldwegen und Fernstraßen voller Schlaglöcher durch einen riesigen, fremden Kontinent. Das Ziel? Natürlich Stuttgart-Zuffenhausen, rechtzeitig zur Geburtstagsfeier für den 356, der 70 Jahre alt wird.

Suzukis Reise atmet den Geist jener altmodischen Hingabe, die George Mallory mit den Worten „Weil er da ist“ zum Ausdruck brachte, als man ihn fragte, warum er den Mount Everest besteigen wolle. Mit einem Oldtimer um die halbe Welt reisen, einfach um der Fahrt willen? Warum nicht?

356 (1953) von Toshiyuki Suzuki, Zuffenhausen, 2018, Porsche AG
Der 356 vor dem Museum in Zuffenhausen


Allerdings liegen bei Suzuki die Gründe vielleicht doch noch ein wenig tiefer. Er ist Fan der Marke, seit er mit 22 seinen ersten Porsche gekauft hat. Mittlerweile ist er seit 38 Jahren stolzer Porsche-Besitzer. Über die Jahre hat er ein inniges Verhältnis zu den Fahrzeugen und zur Marke insgesamt entwickelt. Die Tour ist nun so etwas wie eine Entdeckungsreise und für den guten alten 356 der Test schlechthin. Das trifft natürlich auch auf seinen Fahrer zu.

Die strapaziöse Pilgerfahrt führt über zwei Kontinente durch Südkorea, Russland, Lettland, Litauen, Polen, die Tschechische Republik und Österreich bis nach Deutschland. Nach Stuttgart, um genau zu sein, der geistigen Heimat von Porsche. Suzukis Auto kehrt damit an den Ort seiner Geburt zurück, den es vor etwa 65 Jahren verlassen hat.

Suzukis 356 „Pre-A“ aus dem Jahr 1953 wurde generalüberholt

Der Japaner spricht ein wenig Englisch und kein Russisch. Ein paar wichtige Phrasen hat er sich auf Zettel geschrieben, mit denen er sich durchschlagen muss. Von Porsche Japan hat er keinerlei materielle Unterstützung erhalten, abgesehen von einem einzelnen Beutel Instant-Misosuppe: eine humorvolle Geste ganz nach dem Geschmack unseres optimistischen Fahrers. Alle Vorbereitungen für die Reise hat er selbst getroffen.

Doch wenn es ein Auto gibt, das so alt ist und dem man trotzdem eine solche Reise zutraut, dann ist es dieses. Suzukis 356 „Pre-A“ aus dem Jahr 1953 wurde generalüberholt und läuft mit einem sorgfältig hergerichteten 1582cc-Austauschmotor mit 95 PS, der aus einem deutlich jüngeren SC stammt. Auch das Getriebe wurde ausgebaut und erneuert, und die Fahrzeugaufhängung wurde wieder in einen neuwertigen Zustand gebracht.

Innen wurde der Originalsitz gegen einen modernen Schalensitz ausgetauscht, der mehr Halt und Sicherheit bietet. Ein nachgerüstetes Satelliten-Navigationssystem dominiert das schlichte Armaturenbrett. Auf dem Dach ist eine Transportbox festgezurrt, die zwei Reserveräder, zusätzliches Motoröl und einen Wagenheber enthält. Abgesehen von solchen Details handelt es sich um einen frühen Original-356er, der sich anschickt, die Welt zu erobern. Ein sanftes Drücken der Gaspedalmechanik im Fahrzeugboden und das Auto rumpelt los die Straße hinauf. Man sieht noch den Blinker aufleuchten, als der Wagen in einer Biegung verschwindet. Dann verliert sich auch das Motorengeräusch in der Ferne.

Auf seiner längsten Etappe legte Suzuki 1.050 km zurück

Etwa 50 Tage später treffen wir Toshiyuki Suzuki wieder. Der 356 steht vor dem Museum in Zuffenhausen, über und über mit Aufklebern bedeckt. Sie erzählen von einer Reise, deren weit über asiatische und europäische Landstriche verteilte Stationen eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Außer dass dort Porsche-Fans leben oder Owners Clubs existieren. Der Kilometerzähler auf dem Satelliten-Navi zeigt imposante 15.463 km an.

Suzuki lächelt, wie er immer lächelt, als die Leute sich um sein Auto herum versammeln, um die Zeugnisse eines fast zweimonatigen Straßenabenteuers aus der Nähe zu betrachten. Mit sanfter Stimme schildert er bereitwillig seine Erlebnisse: die einsamen Tage in der Ödnis der ostsibirischen Steppe oder schwierige Reparaturen am Straßenrand, als er zum Beispiel einmal die Benzinpumpe auswechseln musste. Er berichtet von unglaublicher Gastfreundschaft, ungenießbarem Essen und von der erstaunlichen Leichtigkeit, mit der sein unermüdlicher 356er die Kilometer abspulte. Auf seiner längsten Etappe legte Suzuki 1.050 km an einem Tag zurück. Das ist schon für ein modernes Auto eine stolze Entfernung, ganz zu schweigen von einem Gefährt, das älter ist als sein 60-jähriger Fahrer.

Suzuki spricht auch von seiner unumstößlichen Gewissheit, dass sein Auto es bis nach Zuffenhausen schaffen würde. Er meisterte die Reise weitgehend ohne Probleme. Fast auf der gesamten Strecke konnte er sich guten Wetters und einer bemerkenswert hohen Benzinqualität erfreuen. Zum Ende der Reise verlor das Auto seinen ersten Gang. Da er ihn unterwegs nicht reparieren konnte, fuhr der unerschütterliche Suzuki einfach ohne ihn weiter.

Toshiyuki Suzuki, 356 (1953), Zuffenhausen, 2018, Porsche AG
Am Ziel: Vor dem Museum empfängt die Porsche-Familie Auto und Fahrer

Hier nun, auf dem großzügigen Platz vor dem Museum, empfängt die Porsche-Familie Auto und Fahrer mit offenen Armen. Suzuki wird von Reportern umringt und auch seine Frau ist da. Sie ist extra mit dem Flugzeug angereist, um ihn hier zu empfangen. An diesem Festwochenende zum Jubiläum „70 Jahre Porsche Sportwagen“ sind Suzuki und sein geliebter 356 zweifellos eine der Hauptattraktionen. Da ist es angemessen, dass der Wagen in den nächsten Wochen als Teil einer Sonderausstellung im Museum zu sehen sein wird. Und einen magischen Moment gab es auch: Als Suzuki in Gmünd ankam, wo der erste 356er gebaut wurde, kam der Kilometerzähler genau bei 58.356 km zum Stehen.

356 (1953) von Toshiyuki Suzuki, Zuffenhausen, 2018, Porsche AG
Toshiyuki Suzukis 356 im Porsche Museum


Nach der abenteuerlichen Reise und den Jubiläumsfeierlichkeiten ist nun wieder Ruhe eingekehrt. Da fragt man sich, was die Zukunft noch für Suzuki und seinen treuen Begleiter bereithält. Das Auto wird vom Museum zurück nach Hause verschifft, zu den ruhigen, von Bäumen gesäumten Straßen Chibas. Doch es sieht so aus, als könne er sich noch nicht ganz zur Ruhe setzen. Als Suzukis Frau gerade außer Hörweite ist, verrät er uns, dass er bereits über den 80. Geburtstag nachdenke. Der perfekte Vorwand, um alles noch einmal zu machen.

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