Siegesserien, Rekordrunden, Schreckmomente und drei Whisky – jeder, der Turbo-Technologie von Porsche erlebte, hat seine ganz persönliche Story. Hier erzählen prominente Rennfahrer und Ingenieure, was „Turbo“ für sie bedeutet

 

Walter Röhrl

Der zweifache Rallye-Weltmeister, Entwicklungsfahrer und Markenbotschafter über seine persönliche Turbo-Laufbahn.

Souverän

1978 fuhr ich erstmals den 911 Turbo 3.0. Das Auto war anspruchsvoll im Handling, aber die Kraft hat mich begeistert – 1979 kaufte ich einen 911 Turbo 3.3. Mit Turbotechnik von Porsche im Motorsport verbinde ich Power, Erfolg – und gute Freundschaft. 1981 war ein intensives Jahr. Einen 935 mit unbändiger Kraft an der Hinterachse auf der nassen Strecke von Silverstone zu fahren war ein Balanceakt. In Le Mans brachten wir einen 944 Prototyp sehr gut über die Distanz. Freunde bei Porsche bauten für mich einen 924 Carrera GTS für die Deutsche Rallyemeisterschaft, wo wir vier Gesamtsiege feierten. Viele Jahre später ging es mit dem 911 Turbo S Le Mans GT weiter. 500 PS für 1.000 Kilogramm Auto, und das ohne nennenswerten Abtrieb – ein Abenteuer.

Heute ist der 911 Turbo der Generation 992 für mich das beste Auto der Welt: Der Turbo ist souverän, enorm stark und leise auf der Langstrecke. Ich fahre diesen Porsche oft mit neun Liter Verbrauch. Sportlichkeit und Riesenkomfort, die Originalidee des Turbo lebt. In meinen Augen so gut wie nie zuvor.

 

Peter Falk

Zu Zeiten des ersten 911 Turbo Versuchsleiter, später als Motorsportchef hinter den Erfolgen des 956/962 C, TAG-Turbo „made by Porsche“ und 959 Paris-Dakar.

Manches Aha-Erlebnis

Die Entwicklung des 911 Turbo fand in einer Zeit statt, die eigentlich das Ende des Elfers hätte einläuten sollen. Ich glaube, es half, dass unser kommender Vorstandschef Dr. Ernst Fuhrmann die Erfolge der 917 Spyder mit der neuen Turbo-Technologie in Amerika miterlebt hatte. Es war dann eine schöne Aufgabe, den 911 Turbo auch für begabte Zivilisten fahrbar zu machen, wobei wir mit einem anfangs von der Kraft und dem Gewicht überforderten Fahrwerk so manches Aha-Erlebnis hatten. Denn unsere Versuchswagen liefen fast 300 Sachen.

Wie damals Entscheidungen getroffen wurden, ist heute unvorstellbar. So konnte ich Herrn Fuhrmann im Frühjahr 1977 davon überzeugen, für den 911 Turbo 3.3 die vom 917 abgeleitete Bremsanlage zu übernehmen. Fuhrmann war zunächst kein Freund dieser Idee und sagte: „Warum bremsen? Die Leute sollen fahren.“ Nach drei Whisky kam schließlich doch sein OK. Das Gespräch fand am Rande der Präsentation des 928 an einer Bar in Südfrankreich statt.

 

Valentin Schäffer

Von 1964 bis 1991 Leiter Rennmotoren, stand maßgeblich hinter der Entwicklung der Turbo-Triebwerke für den Motorsport, ist bis heute als „Turbo-Zauberer“ bekannt. Hier erinnert sich Schäffer an den Erfolgsmotor des 956/962 C.

Von Amerika nach Le Mans

Sehr spät fiel der Entschluss, in Le Mans 1981 zu starten. Jetzt brauchten wir schnell einen siegfähigen Motor. Ich schlug unserem Entwicklungsvorstand Helmuth Bott den 2,65-Liter-Boxer vor, den ich für ein geplantes, aber abgesagtes Engagement in den USA gemacht hatte. Für Le Mans musste ich das Triebwerk von Einzel- auf Biturbo und von Methanol- auf Benzinbetrieb umarbeiten. Herr Bott war skeptisch: „Schaffen Sie das in der Zeit?“ Ich sagte: „Das muss.“ Wir gewannen Le Mans.

Für 1982 beschnitt das Reglement den Benzinverbrauch drastisch. Wir senkten den Ladedruck von 1,2 auf ein bar, was uns rund 580 PS ließ. Das reichte, wir holten die ersten drei Plätze. Um den Kraftstoffverbrauch weiter zu senken, ersetzten wir für 1983 die mechanische Kugelfischer-Einspritzung durch die Bosch Motronic 1.2 und hatten rund 640 gut fahrbare PS. Im Training in Le Mans 1985 fuhren wir erstmals den voll wassergekühlten Dreiliter-Biturbo, der im Renntrimm 650 PS abgab. Mit diesem späten Nachkommen des US-Motors gewannen wir 1986 und 1987. Ich war schon im Ruhestand, da siegte der Motor 1994 noch einmal.

 

Timo Bernhard

Porsche-Werksfahrer von 2002 bis 2019, gewinnt zahlreiche Championate, zweifacher Le-Mans-Sieger und Langstrecken-Weltmeister.

Anfang, Highlights und Historie

2002 wurde ich Werksfahrer, 2003 hatte ich mein erstes Turbo-Erlebnis. Auf der Nordschleife durfte ich mit einem 911 Turbo der Generation 996 von Manthey Racing beim 24-Stunden-Rennen starten. Der Motor hatte weit über 600 PS, das Auto war sehr wild zu fahren. Wir wurden Dritte, und die Nordschleife mit diesem Elfer zu fahren – das werde ich nicht vergessen. Der 919 Hybrid mit der High-Tech Kombination von einer E-Maschine und dem V4-Turbo war unser Siegfahrzeug in Le Mans 2017, und mit diesem Rennwagen gewannen wir zwei Langstrecken-Weltmeisterschaften. Mit der über 1.000 PS starken Evo-Version des 919 Hybrid fuhr ich 2018 auf der Nordschleife die extremste Runde meines Lebens – 5:19.55 Minuten, Durchschnitt 233,8 km/h, Höchstgeschwindigkeit 369 km/h. Heute bewege ich hin und wieder Rennfahrzeuge aus dem Bestand des Porsche Museum und erlebe hautnah, wie sich Turbo entwickelte. Bei dem brachialen 917/30 Spyder oder dem 935/78 „Moby Dick“ fühlt sich der Turbo an wie ein Leistungsschalter. Der 962 C ist brutal stark, aber schon fahrbarer. Der Anfang, meine Highlights und das Eintauchen in die Historie – all das ist „Turbo“ für mich.

 

Alwin Springer

Als Teilhaber des kalifornischen Unternehmens Andial und Motorspezialist einer der Pfeiler etlicher Rennsporterfolge von Porsche in Amerika. Von 1990 bis Ende 2003 President Porsche Motorsport North America.

Danke, 911 Turbo!

Januar 1990, ich übernehme die Leitung von Porsche Motorsport North America (PMNA). Es sind interessante Zeiten. Die Wirtschaft stottert, im Rennsport ist unser 962 nach sagenhaften Erfolgen aufs Altenteil gerollt. Ein neuer siegfähiger Rennprototyp von Porsche ist nicht in Sicht, denn Weissach setzt auf Indy und einen Formel 1-Motor. Bob Carlson als Pressemann von Porsche in Amerika und ich brüten eine Idee aus: 1991 kommt die IMSA Supercar Meisterschaft für seriennahe Sportwagen, es gibt großes Interesse der Hersteller. Unser 911 Turbo der Generation 964 ist wie maßgeschneidert für diese Serie, und dieser Turbo erlebt aktuell im Verkauf eine Flaute. Also: Wir steigen in die Supercar-Serie ein. Weissach nickt und schickt zwei Elfer, PMNA gibt den Autos den letzten Renn-Schliff. Wir gewinnen 1991 die Meisterschaft, unsere Fahrer Hans-Joachim „Strietzel“ Stuck und Hurley Haywood sind sehr beliebt. Der Verkauf der 911 Turbo springt wieder an, PMNA ist zurück auf der Bühne. Der Kundensport lebt auf, und wir gehen erfolgreich auf unseren neuen Kurs: Gran-Turismo-Sport. Danke, 911 Turbo!

 

Roland Kussmaul

Bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2009 ist Roland Kussmaul 40 Jahre lang einer der federführenden Ingenieure bei der Entwicklung von Renn- und Straßensportwagen, die er auch als Testfahrer auf Herz und Nieren prüft.

Kaum noch zu schlagen

Zum Thema „Turbo“ ging es heftig voran über die Jahre. Bei einem Vergleichstest saß ich im 1.000 PS starken 917/10 Spyder von 1972, Jürgen Barth fuhr einen 936 Spyder von 1976 mit nur 540 PS, beide Wagen waren etwa gleich schwer. Auf ein Zeichen traten wir im dritten Gang das Gaspedal durch. Der 936 war schon 100 Meter voraus, als meine PS schlagartig die Hinterräder durchpfeifen ließen. Bei der Entwicklung des 962 C erschien mir in den frühen 1980er-Jahren die Leistungsentfaltung dank modernerer Elektronik um Welten besser. Wenig später kam unser TAG-Turbo für die Formel 1. Aus 1,5 Liter Hubraum 720 standfeste PS, das Ansprechverhalten empfand ich als fast so gut wie das eines Saugmotors. Aber der Registerlader des 959 für die Rallye Paris-Dakar 1986 war die Königslösung. Ein kleiner Turbo setzte bei niedriger Motordrehzahl ein, mit höherer Drehzahl kam ein zweiter Lader dazu, was eine feinfühlige Dosierbarkeit für lockeren Untergrund ermöglichte. Heute ist „Turbo“ kaum noch zu schlagen. Es sei denn, es geht um Nostalgie, Sound und seidige Fahrbarkeit für uns alte Renn-Recken.

 

 

Hans-Joachim Stuck

Ex-Formel-1-Fahrer, zweifacher Le-Mans-Sieger und Langstrecken-Weltmeister mit Porsche und Turbo-Power.

Turbo hat mein Leben geprägt

Ich war Mitte 20, fuhr in der Formel 1 und träumte von einem Porsche 911 Turbo. Mit viel Glück kaufte ich günstig ein tolles schwarzes Auto, und jede Fahrt mit diesem Wagen war ein Erlebnis. So etwas hatte es auf der Straße noch nicht gegeben. Aber der 911 Turbo war damals, Mitte der 1970er-Jahre, ein arges Biest, noch nicht elektronisch verbastelt. Vor allem im Regen musstest du aufpassen, der Leistungsbums mit dem großen Einzellader ist bis heute legendär. Jedenfalls fuhr ich mit meinem Turbo zu einigen Formel-1-Rennen, und viele Fahrerkollegen warfen begehrliche Blicke auf meine 300-PS-Schönheit. Mit Turbo im Rennsport verbinde ich vor allem den Porsche 962 C als besten Rennwagen, den ich je fuhr. Bis zu 700 PS hatten wir auf der Hinterachse, 1985 wurde ich mit meinem Teamkollegen Derek Bell Langstrecken-Weltmeister, mit dem Porsche-Werksteam gewannen Derek, Al Holbert und ich 1986 und 1987 Le Mans. Alles in allem: Der Turbo hat mein Leben ziemlich geprägt.

 

Hurley Haywood

Amerikas erfolgreichster Langstrecken-Rennfahrer, gewann mit Porsche unter anderem fünf Mal die 24 Stunden von Daytona und drei Mal Le Mans.

Wie ein Schachspiel

Nachdem wir 1977 Le Mans gewonnen hatten, stellte Dr. Porsche mir einen 911 Turbo zur Verfügung. Bei unserer ersten Fahrt auf der Landstraße konnten mein Rennfahrerkollege Peter Gregg und ich gar nicht aufhören, vor Begeisterung zu lachen, denn das Auto hatte eine unglaubliche Power. Seit der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre fuhr ich Porsche-Rennwagen mit Turbomotoren. In dieser Zeit mussten wir unseren Fahrstil dem Turbo noch anpassen. Oberstes Gebot war, den Lader auf Drehzahl zu halten. Da passierte es also, dass du am Kurveneingang hart auf der Bremse warst und zugleich Gas gabst, ein verrückter Stil. Auch unsere Renntaktik passten wir entsprechend an. Es war fast wie ein Schachspiel. Du schautest weit voraus und hast dir einen Weg zurechtgelegt, wie du durch den Verkehr kommen konntest, ohne Drehzahl zu verlieren und dann lange zu warten, bis deine PS sich wieder aufbauten. Manche konnten das hervorragend, andere haben es nie gelernt. Heute ist die „Turbo-Gedenksekunde“ längst Geschichte, die Porsche-Turbomotoren bauen Leistung so spontan auf, wie das einst nur Sauger konnten.

 

Mark Webber

Ex-Formel-1-Pilot, Werksfahrer von 2014 bis 2016, gewinnt mit dem 919 Hybrid die Langstrecken-WM 2015. Heute Porsche Markenbotschafter.

Mit der Stoppuhr in der Hand

Gemeinsam mit Timo Bernhard und Brendon Hartley gewann ich mit dem 919 Hybrid 2015 die Langstrecken-WM, unser Verbrenner war ein V4-Turbo. Besser könnten meine Erinnerungen an Turbo also nicht sein. Seit ich erstmals einen 911 Turbo auf der Straße fuhr, habe ich immer einen dieser Porsche in der Garage. Der Kern der Sportwagen von Porsche liegt im Rennsport. Es fühlt sich an, als wäre auch der 911 Turbo mit der Stoppuhr in der Hand entwickelt worden. Schiere Kraft, Allradantrieb, variable Aerodynamik. Der Turbo ist die Speerspitze, mit diesem Auto verschiebt Porsche immer wieder die scheinbaren Grenzen des Machbaren. Seit dem ersten 911 Turbo von 1974 ist Porsche dabei der Tradition treu geblieben, in dem Fahrzeug Höchstleistung und exzellenten Komfort zusammen zu bringen.

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