Patrick Pilet im Porträt

Mit seinem vierten Saisonsieg hat Patrick Pilet am Wochenende die Fahrerwertung in der United SportsCar Championship gewonnen. Grund genug, den Franzosen mal genauer vorzustellen.

Für den größten Tag seiner Karriere hätte sich Patrick Pilet getrost besseres Wetter wünschen können. Beim Petit Le Mans in den USA hat es jedenfalls den ganzen Samstag wie aus Kübeln gegossen, und die Fans entlang der Traditionsrennstrecke Road Atlanta wurden trotz Regenschirmen und Plastikumhängen nass bis auf die Haut. Doch vielleicht waren es gerade diese extremen Bedingungen, die der Franzose gebraucht hat, um fünf Tage vor seinem 34. Geburtstag am 8. Oktober seinen bislang wichtigsten Erfolg feiern zu können – den ersten Gesamtsieg von Porsche bei dem neben Daytona und Sebring bedeutendsten Langstreckenrennen auf dem nordamerikanischen Kontinent. Und den Meistertitel in der stark besetzten Klasse GTLM der United SportsCar Championship, in der die Werksteams von Porsche, BMW, Corvette und Ferrari um die Krone der Sportwagenhersteller kämpfen.

„In so einem Rennen ist es wichtig, dass du bereit bist, auch unter schwierigsten Bedingungen Verantwortung zu übernehmen. Genau das habe ich heute getan“, sagte er nach der Siegerehrung, triefend nass vom Regen und vom Champagner, der auf dem Podium verspritzt wurde. „Dieser Erfolg war aber nur möglich, weil alle im Team an ihre Grenzen gegangen sind. Ich bin glücklich, dass wir für unseren großen Einsatz auf diese Weise belohnt wurden.“

Siegeswille und Präzision

An der Klasse des Rennfahrers Patrick Pilet gibt es nicht erst seit dem Petit Le Mans keine Zweifel. „Sein Siegeswille, seine Präzision und seine Fähigkeit, ohne den kleinsten Fehler Rennen zu beenden, überzeugen mich auf ganzer Linie. Er hat den Meistertitel voll verdient“, sagt Porsche-Motorsportchef Dr. Frank-Steffen Walliser über den „außergewöhnlichen Rennfahrer“. Für seinen Teamkollegen Nick Tandy ist Patrick Pilet „einer der schnellsten Menschen, die je in einem 911 gesessen sind“, einer, der kein Risiko scheut und auch in extremen Situationen keine Fehler macht.

In den Worten, die Patrick Pilet nach seinem Sieg am Samstag sagte, kommen zwei Charaktereigenschaften zum Ausdruck, die ihn zusammen mit seinem Ausnahmetalent und seiner mentalen Stärke zu einem Weltklassefahrer machen. Auf der einen Seite ist er immer unglaublich fokussiert auf seine Aufgabe, ein akribisch arbeitender Mensch mit großen Ambitionen bis hin zu einer gesunden Aggressivität. Gleichzeitig verfügt er aber, wenn die Arbeit getan ist, über eine Lockerheit, mit der es ihm immer wieder mühelos gelingt, das ganze Team anzustecken und auf seine Seite zu ziehen. Für einen Sportler, der ein gutes Team braucht, um erfolgreich sein zu können, sind das beste Voraussetzungen.

Kein typischer Franzose

So gesehen entspricht Patrick Pilet, der mit der TV-Journalistin Guenaelle Longy verheiratet ist, nicht ganz der Vorstellung, die der Rest der Welt vom typischen Franzosen hat. Das unter seinen Landsleuten weit verbreitete Laissez-faire, den Dingen ihren Lauf zu lassen, pflegt er grundsätzlich erst dann, wenn der Job erledigt ist. Deshalb schaltet er auch nicht gleich ab, wenn er aus dem Auto steigt. Er bleibt immer sachlich fixiert, bringt die Dinge auf den Punkt, sagt Programmmanager Steffen Höllwarth und erzählt vom Rennen in Watkins Glen: „Auch das hat es geregnet, auch da mussten wir von hinten starten. In nur einer Runde hat Patrick fast das gesamte Feld überholt, und als wir ihm über Funk seinen Vorsprung durchgaben, hat er nur gemeint, wir sollen ihn nur machen lassen. Und hat nochmal 40 Sekunden draufgehauen.“

Patrick Pilet, United SportsCar Championship, 2015, Porsche AG
Rennfahrer Patrick Pilet

Patrick Pilet, der im 911 RSR, wie es scheint, auf Knopfdruck funktioniert, ist zweifellos einer der beliebtesten Piloten im Fahrerlager. Auch die Fans rund um den Globus mögen ihn. Sein Lächeln und seine Lockerheit wirken ansteckend, seine strahlend blauen Augen erwecken Vertrauen. Er ist ein Typ, dem jede besorgte Mutter ihre heranwachsende Tochter bedenkenlos mit ins Kino geben würde. In seiner Freizeit schaut er sich tatsächlich gerne Filme an, und als begeisterter Golfer sucht er auf Fairways und Greens genau so akribisch nach der idealen Linie wie auf der Rennstrecke. Wer wie er in Auch geboren wurde, einer Kleinstadt im Südwesten Frankreichs, dem mangelt es nicht an sportlichen Vorbildern. Hervorgebracht hat sein Geburtsort in erster Linie erfolgreiche Rugbyspieler, dazu mit Joel Bouzou einen Weltmeister im Modernen Fünfkampf und, was nicht verwundert, auch einige Radprofis. Einer von ihnen, Raymond Mastrotto, hat immerhin mal eine Etappe der Tour de France gewonnen. Doch das war nichts für Patrick Pilet: „Ich wollte schon immer Rennfahrer werden.“

Worten folgten Taten

Diesen Traum hat er sich erfüllt. Nach seinen Lehrjahren im Kart gewann er 2001 die Formula France und 2004 die Formel Renault. 2007 holte er den Gesamtsieg im Porsche Carrera Cup France, im Jahr darauf wurde er Porsche-Werksfahrer. Sein erster Einsatz war 2008 das 24-Stunden-Rennen in Daytona. Als er am berühmten Daytona International Speedway eintraf, noch etwas eingeschüchtert von dieser für ihn neuen Welt, wurde er von den Verantwortlichen von Porsche Motorsport gefragt, warum er Rennen fahre. Seine Antwort: „Weil ich gewinnen will.“ Diesen Worten ließ er Taten folgen: Mit Porsche feierte er Siege in so unterschiedlichen Rennserien wie den International GT Open und der American Le Mans Series. In der Sportwagen-Weltmeisterschaft WEC gewann er im Vorjahr das Rennen in Shanghai, vier Mal wurde er Zweiter. Einer seiner größten Erfolge 2014 war der Klassensieg bei den 24 Stunden von Daytona. Auch da war Nick Tandy, mit dem er sich auch privat eng befreundet ist, sein Teamkollege.

Als Teamplayer fühlte er sich bei Porsche von Anfang an wie zu Hause. „Porsche ist meine zweite Familie“, sagt er. „Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als für Porsche Rennen zu fahren.“ Diese Worte sind kein bloßes Lippenbekenntnis. Neben seiner Tätigkeit als Werksfahrer betreut er junge Talente im Carrera Cup France, für die er zugleich Mentor und Vorbild ist. Schließlich hat er gezeigt, wie viel man in den Porsche-Markenpokalen lernen kann und wie man sie, wenn man wie er das nötige Talent und den Durchsetzungswillen mitbringt, als Karrieresprungbrett nutzen kann.

Grandioser Gesamtsieg

Auf seinen ersten Titelgewinn in einer so bedeutenden Sportwagenrennserie wie der United SportsCar Championship hat er lange gewartet. Als er es dann mit dem grandiosen Gesamtsieg beim Petit Le Mans geschafft hatte, fehlte nur eine Winzigkeit zum vollkommenen Glück. „Es ist schade, dass Nick nicht mit mir Meister geworden ist. Wir sind ein Team und ich hätte diesen Erfolg gerne mit ihm geteilt“, sagte er. „Doch leider ist er zwei Rennen nicht mit mir gefahren, hat dafür aber eine gute Entschuldigung: Er hat in dieser Zeit den 17. Gesamtsieg für Porsche bei den 24 Stunden von Le Mans geholt.“

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