Earl Bamber (NZ), Timo Bernhard (DE) und Brendon Hartley (NZ) holten am 18. Juni nach einer grandiosen Aufholjagd den 19. Gesamtsieg für Porsche. Eine ähnlich starke Leistung gelang vor genau 40 Jahren Jacky Ickx (BE), Jürgen Barth (DE) und Hurley Haywood (USA), die mit dem Porsche 936 von Platz 42 aus zum Sieg fuhren.
Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG: „Was für ein dramatisches Rennen! Eine Aufholjagd von Platz 54 auf Platz 1 – wer hätte gedacht, dass so etwas möglich ist? Der Mythos Le Mans lebt. Genau wegen solch unglaublicher Geschichten, wie wir sie am Wochenende erlebt haben.“
Mit 19 Runden Rückstand Rückkehr ins Rennen
Die 85. Auflage des größten und härtesten Autorennens der Welt begann mit einer Doppelführung für Toyota und einem herben Rückschlag für den später siegenden Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 2. Das Auto von Bamber, Bernhard und Hartley kam um 18:30 Uhr außerplanmäßig an die Box. Der Tausch der E-Maschine, welche die Vorderräder antreibt, dauerte eine Stunde und fünf Minuten. Das Auto ging um 19:35 Uhr mit 19 Runden Rückstand an Position 54 wieder ins Rennen.
In der Nacht musste der starke Konkurrent aus Japan Verluste hinnehmen. Der Toyota Nummer 8 kam mit einem Defekt zu einer mehrstündigen Reparatur an die Box, die Nummer 7 rollte mit Kupplungsschaden aus und die Nummer 9 nach einem Überrundungsunfall. Um 00:45 Uhr ging der von Platz drei gestartete Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 1 in Führung. Um 11:09 Uhr forderte die Hitzeschlacht auch bei Porsche das nächste Opfer: Motorschaden am Führungsauto. Für Neel Jani (DE), André Lotterer (DE) und Nick Tandy (GB) war der Traum vom Gesamtsieg nach über zehn Stunden souveräner Führung jäh beendet.
Damit schlug die Stunde der Jäger: Der 919 mit der Nummer 2 war nun der bestplatzierte LMP1 im Rennen und pflügte durch das LMP2-Feld. Um 12:50 Uhr in der 330. Rennrunde fuhr Bernhard wieder in derselben Runde wie der Führende. In der 347. Runde rang er ihn nieder und kam 20 Umläufe später als Sieger ins Ziel.
Das Rennen in Zahlen
Das Siegerteam Earl Bamber (NZ), Timo Bernhard (DE) und Brendon Hartley (NZ) mit der Startnummer 2 legte 367 Rennrunden (5.001,23 Kilometer) zurück. Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 208,2 km/h.
Die Startnummer 2 führte das Rennen im Gesamtklassement die letzten 20 Runden an.
Die meisten Führungsrunden des Rennens absolvierte der Schwester-Porsche mit der Nummer 1 von Neel Jani (CH), André Lotterer (DE) und Nick Tandy (GB): Er lag ab der 155. bis einschließlich der 318. Rennrunde (00:45 bis 11:09 Uhr) an der Spitze. Inklusive zweier durch Boxenstopps bedingten Führungsrunden früher im Rennen, ergaben sich 166 Umläufe auf Platz eins.
Der Vorsprung der Nummer 1 betrug zum Zeitpunkt des Motorschadens 13 Runden.
Während der 24 Stunden gab es drei Safety-Car-Phasen (15 Runden) und 27 ‚Slow Zones’, in denen die Fahrer ihr Tempo auf 80 km/h drosseln mussten.
Lediglich auf 246 der 367 Rennrunden herrschte auf der gesamten 13,629 Kilometer langen Strecke freie Fahrt.
Das Siegerauto steuerte 29 Mal die Boxengasse an, einmal für eine Durchfahrtstrafe. Inklusive des Reparaturstopps für den Austausch des Elektromotors am Samstag betrug die Standzeit 1:38.05,211 Stunden.
Das Siegerauto kam mit zehn Reifensätzen (ausschließlich Slicks) durch das Rennen und wurde 28 mal aufgetankt.
Die höchste Spitzengeschwindigkeit im Rennen wurde für den Sieger-Porsche mit 334,9 km/h gemessen (Bernhard in der 338. Runde).
Die längste Distanz, die mit einem Satz Reifen gefahren wurden, waren 43 Runden. Von der 124. bis zur 167 Runde saß dabei Bamber am Steuer.
Nur eine Runde weniger lang war Bernhards Finale von der 325. Runde bis zum Zieleinlauf nach 367 Runden.
Bernhard bestritt deutlich die größte Distanz mit dem Siegerauto. Er fuhr insgesamt 159 Runden, Hartley 106 und Bamber 102.
Bernhard wog vor dem Rennen in voller Montur mit Overall und Helm 65,0 Kilogramm. Nach der Zieldurchfahrt brachte er 63,8 Kilogramm auf die Waage.
Der schnellste Boxenstopp mit Fahrer- und Reifenwechsel dauerte im Porsche Team 82,343 Sekunden.
Den schnellsten Tankstopp (komplette Füllung) erledigte die Crew in 64,342 Sekunden um 22:14 Uhr.
Den Fahrern standen im Auto pro Stint 0,9 Liter Getränk zur Verfügung. Die Trinkflaschen wurden bei jedem Tankstopp ausgetauscht.
Insgesamt elf Folien, die nach und nach entfernt wurden, sorgten auf der Windschutzscheibe des Siegerautos für klare Sicht.
Die höchste Außentemperatur betrug 31,5 Grad Celsius kurz vor dem Zieleinlauf. In der Nacht kühlte die Luft auf bis zu 19 Grad Celsius ab. Die Asphalttemperatur erreicht am Samstag mit 39 Grad Celsius ihren Höhepunkt. Der geringste Wert in der Nacht waren 27 Grad Celsius.
25,2 Gigabyte Daten wurden von Fahrzeug Nummer 2 während der 24 Stunden an die Box übermittelt.
Nach nunmehr drei von neun Läufen zur FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft und doppelter Punktvergabe in Le Mans führt Porsche in der Herstellerwertung mit 111 Punkten vor Toyota (78,5). In der Fahrer-WM liegen Bamber/Bernhard/Hartley mit 83 Punkten und einem Vorsprung von 17 Zählern an der Spitze. Jani/Lotterer/Tandy belegen mit 28 WM-Zählern Platz fünf.
Jacky Ickx’ Aufholjagd 1977
Auch vor 40 Jahren schaffte Porsche das scheinbar Unmögliche in Le Mans. Der sechsmalige Gesamtsieger Jacky Ickx (BE, 72) erinnert sich: „Nach drei Stunden glaubten wir das Rennen verloren. Mein 936 war ausgefallen, und ich stieg bei Jürgen Barth und Hurley Haywood zu. Aber bei denen lief es auch nicht rund, wir lagen an 42. Stelle. Was dann geschah, ist für mich bis heute schwer fassbar. Es war wie ein Rausch. Ich bin die komplette Nacht durchgefahren, mit voller Geschwindigkeit, immer am Limit. Bei Regen und Nebel. Ich wurde immer schneller. Platz 42, 35, 28, 20, neun, sechs, fünf. Alle haben gespürt, dass wir das Unvorstellbare erreichen können. Jürgen und Hurley fuhren schneller denn je, die Mechaniker leisteten Unglaubliches. Ich spürte keine Müdigkeit. Dann gingen wir in Führung. Am Sonntagvormittag war ich total erschöpft. Am Schluss trug Jürgen den 936 mit nur noch fünf Zylindern ins Ziel. Ich hätte das nicht gekonnt. Man kann über viele Rennen tolle Geschichten erzählen. Aber 1977 ragt heraus. So etwas macht man nur einmal im Leben. Solche Rennen haben Porsche zur Legende gemacht.“