Porsche legt derzeit ein Wahnsinnstempo vor. Wird Ihnen der Erfolg nicht ab und zu unheimlich?
Matthias Müller: Nein, ganz bestimmt nicht. Aber wir haben natürlich Respekt vor der gesamten Aufgabenstellung. Und wir freuen uns am Jahresende, wenn wir ein gutes Jahr hinter uns haben. 2014 ist aber schon wieder Vergangenheit, jetzt müssen wir für 2015 versuchen, ein möglichst gutes Ergebnis herauszuholen.
Porsche ist ja momentan fast schon ein Selbstläufer. Brauchen Sie da ein Marketinginstrument wie den Motorsport überhaupt?
Der Rennsport ist für uns ja nicht nur ein Marketinginstrument, sondern Motorsport hat vor allem etwas mit unserer Markenidentität zu tun.
Es ist noch gar nicht so lange her, als man Motorsport in Ihrem Haus für reine Geldverschwendung hielt.
Es reicht jedenfalls nicht aus, immer nur von den Erfolgen der Vergangenheit zu reden. Natürlich haben wir eine ruhmreiche Rennsportgeschichte. Porsche hat sechzehnmal Le Mans gewonnen. Aber irgendwann verblasst auch der große Ruhm.
Im Motorsport gibt es immer nur einen Sieger und viele Verlierer.
Das muss man sportlich sehen. Unsere Rennwagen sind auf jeden Fall immer auch rollende technische Labore, in denen die Innovationen der Zukunft erprobt werden.
High-Tech-Rennsport als Entwicklungshelfer.
Definitiv. Es gibt wirkliche genügend Beispiele, die es von der Rennstrecke in die Serie geschafft haben. Das jüngste ist der Plug-in-Hybrid.
Gut, aber diesen Effekt können Sie auch in der Formel 1 haben. Und die Formel 1 hat bei den Motorsportfans doch einen anderen Stellenwert als die WEC-Langstrecken-WM.
Das mag in der Vergangenheit so gewesen sein. Fakt ist, dass die Zuschauerzahlen in den Formel 1 dramatisch rückläufig sind. Aber der entscheidende Punkt ist, dass die Langstrecke eindeutig besser zu unserem technischen Anspruch passt.
Ein Formel-1-Rennen dauert 90 Minuten...
Und ein WEC-Lauf mindestens sechs Stunden. Und in Le Mans sogar 24 Stunden. In Le Mans fahren wir über 5000 Kilometer am Stück. Oder um es plakativer auszudrücken: Für die Le Mans-Distanz braucht die Formel 1 eine ganze Saison.
Die echte technische Herausforderung heißt Langstrecke.
Das ist jedenfalls unser Standpunkt bei Porsche. Und das leuchtet ja auch jedem Laien ein: Es ist schon ein substantieller Unterschied, ob das Material unter extremen Wettbewerbsbedingungen eineinhalb Stunden oder eben volle sechs Stunden beansprucht wird. Und in Le Mans sind es wie bereits erwähnt ja extreme 24 Stunden. Für unsere Techniker bedeuten diese Belastungsunterschiede Welten. Und das gilt nicht nur für die Belastungsfähigkeit des eingesetzten Materials, das gilt vor allem auch für die Bewertung der Haltbarkeit und der Funktionalität neuer Techniklösungen und -systeme, die wir im Rennwagen bei Langstreckenrennen auf Herz und Nieren prüfen können.
Entwicklungstechnisch zahlt Ihr WEC-Engagement momentan hauptsächlich auf das Thema Elektroantriebe ein...
Ganz klares Ja. Die WEC mit ihrem weitgehend offenen Hybrid-Reglement und den langen Dauerlaufdistanzen ist ein ideales Entwicklungsumfeld für die Antriebszukunft.
Porsche ist mit einem mittlerweile gut aufgestellten Serienangebot so etwas wie ein Plug-in-Hybrid-Pionier.
Wir glauben an diese Technik, die langfristig vielleicht sogar mehr ist als eine Brückentechnologie. Sauberes emissionsloses Fahren mit dem E-Antrieb auf der Kurzstrecke und ein effizienter Verbrenner ohne Reichweitenprobleme – das ist faszinierende Automobiltechnik.
Jetzt müssen Sie nur noch die Kunden überzeugen.
Keine Sorge. Porschefahrer sind ja oftmals Technik-Avantgardisten. Und der E-Motor unserer Plug-in-Systeme liefert nicht nur eine saubere Kurzstrecke, sondern bei Bedarf über die Boostfunktion auch eine echte Leistungsspritze. Es ist kein Zufall, dass Porsche bei der Plug-in-Entwicklung an der Spitze fährt.