Noch vor wenigen Jahren verstand fast niemand, was ich in meinem Job als Leiter Entwicklung im Sachgebiet Head Up Display tue. Wenn ich gefragt wurde, was Head-up-Displays (HUD) sind, verwies ich auf den Marvel-Comic „Iron Man“. Tony Stark, der allseits bekannte gewitzte Superheld in seinem rot- und goldfarbenen gepanzerten Anzug, sieht die Welt durch ein in seinen Helm integriertes immersives Head-up-Display. Das reichert das, was sich in seinem Blickfeld befindet, mit wichtigen Informationen zu seinen Feinden und zum Status seines Anzugs, einer Karte und vielem mehr an.

„AR, VR und XR sind mittlerweile ziemlich verbreitet – nicht nur in der Unterhaltungsindustrie, sondern auch in den Bereichen Produktion, Dienstleistungen, Gesundheitswesen, Einzelhandel und sogar beim Militär.“ René Müller

Im Grunde genommen hat Marvel damit die Augmented Reality (AR) vorweggenommen: Sein Held interagiert mit virtuellen Elementen, die in Echtzeit in der realen Umgebung angezeigt werden. Virtual Reality (VR) dagegen ist eine künstliche Umgebung, die mit Software erzeugt wird und dem Nutzer vorspielt, dass er sich in einer realen Umgebung befindet. Um VR erleben zu können, wird ein spezielles Headset benötigt, das das natürliche Umfeld ausblendet. Neben AR und VR gibt es noch die Cross Reality, auch X Reality (XR) genannt.

Bei ihr kommt andere Hardware und Software zum Einsatz und sie soll plattformübergreifend und in mehreren Realitäten anwendbar sein. AR, VR und XR sind mittlerweile ziemlich verbreitet – nicht nur in der Unterhaltungsindustrie, sondern auch in den Bereichen Produktion, Dienstleistungen, Gesundheitswesen, Einzelhandel und sogar beim Militär. Fahrstuhltechniker sehen bei Reparaturen vor Ort technische Informationen und Expertenratschläge, beim weltweit größten Einzelhändler werden Mitarbeiter mithilfe dieser Technologien eingestellt, Kunden interagieren mit virtuellen Ankleidekabinen und smarten Spiegeln und Scanner erstellen Karten der Venen und Venenklappen im Körper von Patienten.

Es gibt eine Vielzahl von Anwendungsfällen für Virtual, Cross und Augmented Reality und diese sind auch richtig toll, denn sie nutzen das Potenzial von Zukunftstechnologien in den unterschiedlichsten Branchen auf einem ganz neuen Niveau.

Bau von Prototypen und Training mit Virtual und Augmented Reality

Das gilt natürlich auch für die Automobilindustrie. Wir bei Porsche haben schon vor einer ganzen Weile das Potenzial neuer Technologien für Trainings- und Servicezwecke sowie für das Kundenerlebnis entdeckt und arbeiten ständig an Verbesserungen in diesen Bereichen.

So helfen beispielsweise VR und unsere Drohne „Alice“ unseren Aftersales-Mitarbeitern weltweit, komplexe technische Sachverhalte leichter zu erfassen. Alice führt die Mechaniker durch die einzelnen Schritte bei der Reparatur der Hochvolt-Batterie des Panamera 4 E-Hybrids. Unter der Aufsicht von Alice kann jeder Handgriff völlig gefahrlos ausgeführt werden, denn das Training findet im virtuellen Raum statt – das ist ein großer Vorteil, weil damit auch das komplexeste Training für unsere Mitarbeiter zu einer sicheren Sache wird.

Eine weitere digitale Innovation ist die Power Wall, auf der ein detailliertes 3D-Modell eines Fahrzeugs angezeigt werden kann, das sich vielleicht sogar noch in der Entwicklung befindet. Mit ihr können unsere Aftersales-Kollegen das Reparieren einzelner Fahrzeugkomponenten auf der Basis von 3D-Daten testen, ohne dass sie dazu einen echten Prototypen benötigen. Das gibt uns die Möglichkeit, die Belange dieser Kollegen in den Produktentstehungsprozess einfließen zu lassen, und zwar lange bevor erste Prototypenteile existieren.

Neues Kundenerlebnis mit AR und VR

VR ist aber nicht nur etwas für Training und Aftersales, sondern sie eignet sich auch hervorragend, um das Herz von Sportwagenliebhabern schneller schlagen zu lassen. Bei der Einführung des neuen Porsche 911 Carrera S auf der letztjährigen „LA Auto Show“ haben wir gemeinsam mit Slightly Mad Studios ein exklusives virtuelles Erlebnis präsentiert, bei dem Besucher eine Probefahrt mit dem brandneuen Modell in einer einzigartigen, intensiven VR-Umgebung machen konnten.

Das ist aber noch nicht alles: Aus einer Kooperation mit Google ging die AR-App „Mission E Augmented Reality“ hervor, mit der Interessierte die Technologie von morgen bereits heute virtuell erleben können. Unsere Kunden können sich in verschiedenen Ansichtsmodi den Taycan, den ersten rein elektrischen Sportwagen von Porsche, digital ansehen.

“Mission E Augmented Reality” App, 2019, Porsche AG
Porsche präsentiert die “Mission E Augmented Reality” App

Beim Blick auf all diese großartigen Projekte möchte ich mich unbedingt bei unseren hervorragenden Partnern bedanken. Wir bei Porsche sind überzeugt davon, dass niemand die Zukunft allein gestalten kann und sollte – egal, über wie viele Experten, Ressourcen und Erfahrungen man verfügt. Das Entwickeln von Technologien – und Autos – für die Zukunft erfordert Kooperation, fachübergreifende Teams und neue Methoden.

Partnerschaft mit WayRay zur nahtlosen Integration virtueller Objekte in das Fahrerlebnis

Mit unserer Investition in WayRay haben wir einen wirklich innovativen Partner gefunden, der die Technologie von morgen direkt in unsere Autos bringt. WayRay produziert holografische AR-Head-up-Display-Lösungen wie Navion, das erste holografische AR-Navigationssystem für Autos. Das System nutzt einen SLAM (Simultaneous Localization And Mapping) genannten Prozess, um über ein holografisches optisches Element digitale Daten auf die Windschutzscheibe zu projizieren.

Es kartiert ständig die Umgebung und erfasst parallel stets den Standort des Autos. Die Technologie hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen und mich gleichzeitig extrem neugierig gemacht.

Die Gestaltung der Zukunft verlangt Neugier, Diversität und Kooperation

Pionierarbeit für die Zukunft leisten, kreative Menschen treffen, künftige Technologien erleben und Wege entwickeln, diese in Porsche-Fahrzeuge zu integrieren – das gehört zu den Dingen, die mir bei der Arbeit am meisten Spaß machen. In meinem Job ist es extrem wichtig, über den Horizont hinaus zu schauen, neugierig zu bleiben und sich inspirieren zu lassen. Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, dass ich von WayRay zur Teilnahme am „Reality Virtually Hackathon“ beim MIT Media Lab in Cambridge, Massachusetts (USA) eingeladen worden war, der vom 17. bis zum 21. Januar stattfand. WayRay trat beim Hackathon als Sponsor des Preises für die Automobilindustrie auf und lud mich als Jurymitglied ein.

Natürlich habe ich zugesagt!

Der „Reality Virtually Hackathon“: eben noch Fremde bilden tolle interdisziplinäre Teams

Beim „Reality Virtually Hackathon“, dem größten immersiven Hackathon, dreht sich alles darum, wie die Technologien VR, XR und AR zur Schaffung neuer Erlebnisse eingesetzt werden können. Mit seiner Ausrichtung auf interdisziplinäre Teams und Diversität steht der Hackathon Entwicklern, Designern, Ingenieuren, Künstlern, Programmierern, Sound-Designern, Storytellern, Studenten und fantasievollen AR/VR-Enthusiasten aus aller Welt offen. Aus den etwa 1.600 Bewerbern wurden 400 Teilnehmer ausgewählt – die Hälfte Studenten, die andere Hälfte Experten –, denen die Aufgabe gestellt wurde, originale Cross-Reality-Erlebnisse und -Anwendungen zu kreieren. Eine Sache ist beim Konzept dieses Hackathons zusätzlich interessant: Jeder Teilnehmer muss für seine Idee werben, um ein Team zu bilden.

Mit Alice im VR-Land

Virtual Reality, kurz VR, bietet völlig neue Perspektiven. Die Zukunftstechnologie erleichtert es nun auch Mitarbeitern im Bereich After Sales weltweit, komplexe technische Sachverhalte leichter zu erfassen.

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Ich war so gespannt darauf, die anderen 400 Teilnehmer aus 53 Ländern weltweit zu treffen! Den ganzen ersten Tag haben wir mit Workshops verbracht, um uns mit dem Thema XR-Design vertraut zu machen. An den darauffolgenden Tagen habe ich jede Menge neue Leute getroffen, viel Brainstorming betrieben und viele neue AR/VR-Skills erworben. Die Atmosphäre mit all ihrer Vielfalt war einfach inspirierend. Am letzten Tag wurden dann die Projekte der Teams in einer Ausstellung präsentiert, die später auch für das MIT und die gesamte Bostoner und Cambridger AR- und VR-Technologie-Community zugänglich war – das war schon recht spannend.

Und natürlich gab es auch Gewinner: In der Kategorie „Beste Verwendung des True AR SDK“ – das True AR SDK ist das Software-Entwicklungs-Kit von WayRay, mit dem das AR-Erlebnis auf die Windschutzscheibe gebracht wird – hat das Wayriders-Team gewonnen! Das Team hat eine AccuDrive-App entwickelt, das Autofahrern durch „Gamifizierung“ des Fahrerlebnisses dabei hilft, besser zu fahren. Mich als Juroren hat die Verbindung von Fahrspaß und mehr Sicherheit auf der Straße überzeugt!

Am meisten hat mich am „Reality Virtually Hackathon“ wohl die interdisziplinäre Herangehensweise begeistert – nicht nur in Bezug auf die Teilnehmer, sondern auch in Bezug auf den Themenumfang. Beim Hackathon ging es nicht nur um Lösungen für die Automobilindustrie, sondern auch um Projekte, die mit Mobilität allgemein, Barrierefreiheit, Gaming, sozialen Fragen, Gesundheit und Kunst zu tun haben.

Die Menge an tollen Ideen für den Einsatz von AR- und VR-Technologie in echten Anwendungsfällen hat dazu geführt, dass ich das Potenzial bestimmter Branchen komplett neu sehe. Ich bin mehr als dankbar für diese Erfahrung und bin voller Inspiration und aufgekrempelten Ärmeln ins gute alte Deutschland zurückgekehrt – bereit, die Head-up-Display-Technologien in unsere #nextvisions zu überführen.

Der Reality Virtually Hackathon bei MIT, 2019, Porsche AG
Die Reality Virtually Hackathon mit MIT

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