Litera-Tour

Große Bühne – doch Dramatik ist den thüringischen Hügeln fremd. Das Land zwischen Erfurt und Weimar, Wahlheimat Deutschlands größter Dichter, bildet die Kulisse für die Litera-Tour im Porsche 944 Turbo Cabriolet.

Sturm und Drang – diese Epoche der deutschen Literatur lag für Goethe und Schiller, als sie in Weimar endlich zueinanderfanden und engste Freunde wurden, schon einige Zeit zurück. Jahrelang hatten Inhalte wie unbedingter Freiheitswille, der Vorrang von Gefühl vor dem Verstand und die Ablehnung von strengen Ordnungen ihre Werke bestimmt. In Weimar, wo sich Goethe 1775 als Minister des jungen Herzogs Karl August niederließ, fand der Dichterfürst von der Unruhe seiner Sturm- und- Drang-Zeit in die Ruhe und Ordnung der Klassik. Rund 20 Jahre später wurde die Residenzstadt auch für den etwas jüngeren Friedrich Schiller zum Fixpunkt am Ende einer langen Odyssee.

Sturm und Drang – das könnte als Motto über dem Auftritt des Porsche 944 Turbo Cabriolet in Thüringen stehen. Ein offener Sportwagen mit 250 PS, das ist auch ein Vierteljahrhundert nach seiner Entstehung eine ordentliche Ansage. Wobei der Sturm nicht mal auf den Fahrtwind gemünzt ist, denn der streicht selbst bei flotter Gangart und offenem Verdeck knapp über den Scheitel hinweg. Eher schon treffen beide Begriffe auf das 2,5 Liter große Turbotriebwerk zu, das nach kurzem Luftholen stürmisch anschiebt und das geduckte Cabrio ordentlich nach vorn drängt.

Das 1,4-Tonnen- Cabrio lässt sich sicher dirigieren

Als Kulisse für diesen Klassiker sind die Wege zwischen dem beschaulichen Weimar und der benachbarten Landeshauptstadt Erfurt ohnehin perfekt geeignet. Viele Landstraßen folgen dem Geländeprofil heute noch genauso wie die Kutschenwege des Barock. Sie wurden weder begradigt, noch schlagen sie Schneisen in die sanfte Hügellandschaft wie die Nachwende-Schnellstraßen. So wechseln sich hängende Kurven, Senken und kurze Geraden ab. Immer wieder tauchen nach einer Kurve unvermittelt Steigungen auf. Und auch die sind jedes Mal höchstwillkommen. Denn um sie schwungvoll zu bezwingen, darf knackig runter geschaltet, kräftig Gas gegeben und beherzt bis über 4.000 Touren gedreht werden. Dabei täuscht der dezente Klang des großen Vierzylinders über den immer noch eindrucksvollen Biss hinweg. Oben angekommen, wartet dann nicht selten eine „blinde“ Kuppe. Dabei lässt sich das 1,4-Tonnen- Cabrio sicher dirigieren und bleibt wegen der perfekten Gewichtsverteilung – Transaxle sei Dank – stets perfekt ausbalanciert. Wie schön, dass es hier kaum mal geradeaus oder durch die Ebene geht ...

Beim Abstecher in die Erfurter Altstadt jedoch stößt das 944 Turbo Cabriolet – wie praktisch jedes andere Auto auch – an seine Grenzen. Die vielen hübschen Gassen sind seit den Zeiten der deutschen Klassik anscheinend weder breiter noch ebener geworden. Das grobe Kopfsteinpflaster, so stilvoll es wirkt, erlaubt bisweilen nur Schrittgeschwindigkeit. Doch Erfurts schöne Seiten wollen ohnehin zu Fuß erobert werden. Als Kreuzungspunkt zweier großer Handelswege und durch den Export des Blaufärbemittels Waid war die Stadt zu Reichtum gekommen, ihre Universität erlangte Weltruhm, und bis ins 19. Jahrhundert diente Erfurt als Sitz bedeutender Parlamente. Ein Stadtspaziergang ist wie das Blättern in einem architektonischen Bilderbuch: mittelalterliche Kirchen, kleine Fachwerkhäuser, verspielte Renaissancefassaden und reich verzierte Jugendstilhäuser wechseln sich ab.

Einer der interessantesten Altstadtplätze Europas

Beliebter Ausgangspunkt ist der Anger, das geschäftige Herz Erfurts mit seinen allgegenwärtigen Straßenbahnen aus allen möglichen Richtungen. Bauwerke aus neun Jahrhunderten wie die prächtige Hauptpost und das ornamentreiche Anger Entrée ziehen sich entlang des Platzes. Von hier geht es über die Schlösserstraße zum Fischmarkt, der mit seinen Prachtbauten aus verschiedenen Epochen als einer der interessantesten Altstadtplätze Europas gilt. Vorbei am neogotischen Rathaus führt der Weg zum Highlight der Stadt, der Krämerbrücke. Auf ihren hölzernen Vorläufern hielten schon im 12. Jahrhundert die Händler, genannt Krämer, begehrten „Kram“ wie Gewürze, Edelmetall und Farben feil. Heute stehen auf der einzigen vollständig bebauten Brücke der Welt 32 Fachwerkhäuser. Bis auf zwei gehören alle der Stadt Erfurt. Als Mieter werden lokale Gründer mit ungewöhnlichen Geschäftsideen bevorzugt. Jeder Laden ist eine kleine, wunderbare Welt für sich: Linkshänder-Geschäft, Schmuckdesign, Galerie, Keramik, Antiquitäten, Buchladen, Feinkost, Schokoladen-Manufaktur, Thüringer Spezialitäten.

944 Turbo Cabriolet, Thüringen, 2017, Porsche AG
Nur 528 Exemplare wurden vom 944 Turbo Cabriolet gebaut

Nicht weniger speziell wirken die bunten Mäuse, Elefanten, Bären und sogar Kastenweißbrote, die einem an vielen Ecken heiter entgegenblicken – oder auch das Sandmännchen, das freundlich zum Verweilen auf einer Bank einlädt. Sie alle gehören zu den Stammdarstellern des in Erfurt ansässigen Kinderkanals KiKA. Jung wirkt die historische Altstadt aber auch wegen der Studenten, der feierlustigen Grüppchen und der vielen jugendlichen Touristen, die Bio-Cafés und vegane Imbisse bevölkern. Ein klasse Tipp sind die Kaffee- und Kuchenspezialitäten, die im Clara Grün Café ausschließlich aus Fairtrade-Produkten hergestellt werden. Zum Genießen lassen sich Gäste gern auf dem Rasen der gegenüberliegenden Predigerkirche nieder.

944 Turbo Cabriolet von 1991 – ein ultraseltenes Sammlerstück

Kein Geheimtipp, dafür absolutes Pflichtprogramm ist der Erfurter Dom. Mächtig erhebt er sich oberhalb der 70 breiten Stufen des Dombergs. Tagsüber ziehen die Touristengruppen in rauen Mengen hierher. Zeit für ein ruhiges Fotoshooting mit dem Porsche 944 Turbo Cabriolet bleibt nur abends ... – denkste. Eine Schülergruppe kommt vorbei, viele drehen sich um, deuten auf das blaue Cabrio, das Design wirkt offenbar zeitlos. Im 944 sehen sie keinen Youngtimer, sondern die Inkarnation eines Sportwagens: flach, breit, lange Motorhaube. Und dann noch offen – läuft. Im Nu ist der auf dem Domplatz posierende Porsche umringt, eine junge Frau bittet den Fotografen um ein Handybild mit Porsche und Partner.

944 Turbo Cabriolet, Thüringen, 2017, Porsche AG
Zeitlose Hingucker: der Erfurter Dom und die rechts aufragende Severikirche

Dabei wissen die Bewunderer vermutlich nicht einmal, welche absolute Rarität sie hier vor sich haben. Mit nur 528 gebauten Exemplaren ist das 944 Turbo Cabriolet von 1991 ein ultraseltenes Sammlerstück. Und mit 260 km/h Spitze wahrscheinlich der schnellste offene Vierzylinder weltweit.

Der Motor wurde aus der rechten Zylinderbank des V8- Aggregats im Porsche 928 abgeleitet und auf 2,5 Liter vergrößert. Ausgleichswellen, die mit doppelter Kurbelwellendrehzahl rotieren, führten zu einer Laufruhe, die an die eines Sechszylinders heranreichte. Das anfangs 163 PS (ohne Kat) starke Triebwerk legte 1986 im 944 S dank Vierventiltechnik auf 190 PS zu. Die 3,0-Liter-Version des 944 S2 erhöhte 1988 auf 211 PS. Ein Jahr später debütierte das 944 S2 Cabriolet mit diesem DOHC-Motor.

Style des Cabriolets mit der Technik und Ausstattung des stärksten Turbomodells

Der Zweiventiler kam derweil durch Aufladung zu neuen Ehren. Die 250 PS starke Version stammte aus dem Porsche 944 Turbo Cup-Rennwagen und wurde 1988 zunächst dem 944 Turbo S Coupé gegönnt. Als krönenden Abschluss der Baureihe vereinte Porsche 1991 in einer nur wenige Monate gebauten Sonderserie den Style des Cabriolets mit der Technik und Ausstattung des stärksten Turbomodells. Klimaanlage und elektrisches Verdeck gehörten zur Serienausstattung. Mit einem Neupreis von 103.725 DM stand das 944 Turbo Cabriolet als einziger 944er mit einer sechsstelligen Summe in der Preisliste.

Übrigens leistet sich das Cabrio eine kleine Extravaganz, die jeden freut, der Sinn für solide Mechanik hat: Das Verdeck öffnet und schließt zwar elektrisch, doch der erste bzw. letzte Schritt bleibt immer Handarbeit – das Ent- und Verriegeln des Verdecks mit einem stählernen Knebel. Er wird in die beiden Aussparungen im Frontscheibenrahmen gesteckt, nach einer Vierteldrehung zieht sich die Verdeckkante fest an den Rahmen und rastet mit einem beruhigenden „Klack“ ein. Nettes Detail: Die rustikal designten Vierkantschlüssel liegen symmetrisch angeordnet in der Mittelkonsole. Die Frontscheibe ist gegenüber der Coupé-Version übrigens um rund sechs Zentimeter flacher und stärker geneigt, um Windgeräusche bei offenem Verdeck zu minimieren.

Klassikerverehrung, moderne Streetart, Freiraum für Kunst, bunte Vielfalt und Subkultur

Als Touristenmagnet kann Weimar die Landeshauptstadt Erfurt noch übertreffen. Kopfsteinpflaster, Pferdekutschen, barocke Bauten und flanierende Menschen in den Altstadtgassen lassen die Stadt beschaulich wirken – behäbig aber ist sie nie. Weimar bietet auf kleinstem Raum extrem viel (und vielseitige) Kultur und hat bei aller Klassikerverehrung auch Platz für moderne Streetart oder die WunderBar in der Gerberstraße, ein Freiraum für Kunst, bunte Vielfalt und Subkultur.

944 Turbo Cabriolet, Thüringen, 2017, Porsche AG
Das 944 Turbo Cabriolet

Sehr wahrscheinlich zog diese Synthese aus persönlicher Freiheit und entspannender Ruhe schon Johann Wolfgang von Goethe und 1799 dann Friedrich Schiller an. Heute blicken ihre Statuen Arm in Arm von ihrem Sockel über den Theaterplatz – bei ihrem ersten Zusammentreffen 1788 aber waren sie sich nicht geheuer. Goethe fühlte sich vom wachsenden Ruhm des zehn Jahre jüngeren bedrängt, Schiller hingegen fand Goethe arrogant. Erst bei Besuchen in Goethes Wahlheimat Weimar lernten sie sich kennen und schätzen.

Goethes Wohnhaus am Frauenplan beherbergt heute das Goethe-Nationalmuseum

Goethes Wohnhaus am Frauenplan, dem gemütlichen Platz in der südlichen Altstadt, beherbergt heute das Goethe-Nationalmuseum. Hier erfahren Besucher viel über den Dichter, der fast 50 Jahre hier lebte und arbeitete, aber auch über seine Epoche und den Mikrokosmos Weimar. Schiller zog später praktisch um die Ecke ein, in ein Haus auf einem von Platanen gesäumten Boulevard, der heute folgerichtig Schillerstraße heißt.

Wer dieser Flanierstraße folgt, erreicht nach wenigen Metern das gemeinsame Denkmal der beiden Freunde. Die Statuen der Denker blicken übrigens in Richtung Moderne – aufs Bauhaus-Museum. Denn auch das ist Weimar: die Keimzelle einer Bewegung, die den Verzicht auf jeglichen Zierrat und die totale Dominanz der Funktion über die Form forderte. Das Bauhaus zog 1925 aus politischen Gründen nach Dessau um, letztlich entstand in Weimar nur ein einziges Gebäude im puren Bauhaus-Stil: das Musterhaus Am Horn. Damals war hier, am Hang oberhalb von Goethes Sommerhaus im Ilmpark, eine ganze Bauhaus-Siedlung geplant. Um die Jahrtausendwende wurde die Idee wieder aufgenommen und als „Neues Wohnen Weimar“ verwirklicht.

Am Sockel des Dichterdenkmals auf dem Theaterplatz grinden heute jugendliche Skater ohne jegliche Berührungsängste mit den Klassikern. Die blicken gern über das moderne Treiben hinweg – schließlich vertraten sie einst selbst den Aufbruch der Jugend zu einem unkonventionellen, selbstbestimmten Leben. Und wie schrieb Schiller: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

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