1924: Der Moment des Dr. Ing.
Sizilien, 1924: Wie jedes Jahr im Mai befindet sich die Insel im Ausnahmezustand. Zumindest die Nordküste: Die Elite des Motorsports trifft sich zum berühmtesten Autorennen der Welt – alle Fahrer, Teams und Autofabrikanten, die etwas auf sich halten, gehen bei der Targa Florio an den Start: Alfa Romeo, Bugatti, Maserati, sie alle schicken ihre leuchtend roten Wagen auf die Strecke. Auch die Daimler-Motoren-Gesellschaft aus Stuttgart ist dabei – mit dem Mercedes Kompressor-Rennwagen. Sein Zweiliter-Vierzylindermotor wird durch den Kompressor an der Stirnseite aufgeladen – so bringt er es auf satte 126 PS. Der Konstrukteur heißt: Ferdinand Porsche.
Seit April 1923 ist Porsche Leiter des Konstruktionsbüros und Vorstandsmitglied der Daimler-Motoren-Gesellschaft. Unermüdlich experimentiert er mit den Motoren; besonders der Kompressortechnik gilt sein Augenmerk. Fleiß und Mühen haben sich gelohnt: Die ebenfalls rot lackierten Mercedes-Renner dominieren das Geschehen. Nach 360 Kilometern und 6 Stunden, 32 Minuten und 37 Sekunden rauscht Christian Werner als Sieger über die Ziellinie; auch die anschließende fünfte Runde beendet er als Erster und holt sich zusätzlich den Pokal für die Coppa Florio.
Der heimliche Sieger der Targa Florio heißt Ferdinand Porsche
Die überlegene Leistung und Verlässlichkeit seines Kompressor-Triebwerks sorgen noch für weitere Medaillen: Christian Lautenschlager und Alfred Neubauer belegen den zweiten und dritten Platz, die Rennleitung telegrafiert nach Stuttgart: „Werner gewinnt Targa und Coppa Florio, die Coppa Caltavutura für kürzeste Zeit vom Start bis dort, die Coppa Villa Igiea für den Rundenrekord, ferner die grosse goldene Medaille des Ital. Königs und die des Sizil. Automobilclubs, ausserdem sämtliche Preise gestiftet von der Kaufmannschaft Palermo. Klassenresultat: Werner erster, Lautenschlager zweiter, Neubauer dritter.“
Der erste deutsche Sieg bei der legendären Targa Florio wird zum nationalen Ereignis. Der heimliche Sieger der Targa Florio 1924 heißt jedoch Ferdinand Porsche. Sein großer Moment kommt nach dem Rennen: Die Technische Hochschule Stuttgart würdigt die Konstrukteursleistung für den siegreichen Mercedes mit der ehrenhalber Verleihung eines Doktor-Ingenieur. Sechs Jahre später begegnet dieser Titel den hochschulischen Honoratioren regelmäßig: im Schriftzug der Dr. Ing. h. c. F. Porsche GmbH.