Ein Klassiker auf Welttournee

Für alle Beteiligten bei Porsche war 2018 ein Jahr der großen Zahlen. Der 70. Geburtstag des ersten Porsche Sportwagens, des 356, sollte den Dreh- und Angelpunkt für eine Reihe unvergesslicher Ereignisse rund um die Welt darstellen. Im Zentrum das Auto, mit dem alles begann: der Porsche 356 „Nr. 1“ Roadster.

Mit diesem Mittelmotor-Zweisitzer und seiner eher bescheidenen Leistung setzte Ferry Porsche erstmals seine Vision eines Straßensportwagens um. Der 356 „Nr. 1“ Roadster wurde in einem ehemaligen Sägewerk in Gmünd handgefertigt und bereitete den Weg für hochwertige Kleinserien-Sportwagen. Mit seinen technischen Lösungen bot Porsche erstmals eine erschwingliche, alltagstaugliche Alternative zu den teuren Spezialanfertigungen aus dem Europa der Vorkriegszeit.

Der 356 „Nr. 1“ Roadster erhielt am 8. Juni 1948 seine allgemeine Betriebserlaubnis – ein Meilenstein der Automobilgeschichte. Porsche wurde damit zum Sportwagenhersteller.

Die Nummer 1 ist für Porsche somit von enormer Bedeutung und stellt ein Stück Firmengeschichte dar, das in diesem so wichtigen Jubiläumsjahr perfekt zur Geltung kommen sollte. Deshalb fand sich Mitte 2017 im Porsche Museum Zuffenhausen eine Arbeitsgruppe zusammen, um zu planen, wie man den ersten 356 auf internationaler Bühne optimal präsentieren könnte.

356 „Nr. 1“, Berlin, 2018, Porsche AG
Die „Nr. 1“ in der Austellung zu 70 Jahre Porsche Sportwagen in Berlin


Dieses Museumsstück von unschätzbarem Wert sollte die verschiedensten Weltregionen bereisen und bei einer Reihe von Veranstaltungen auftreten. Dazu mussten zahlreiche interne und externe Beteiligte eingebunden werden.

Der 356 „Nr. 1“ Roadster war kurz nach seiner Fertigstellung verkauft und in den Jahren, die er in Privatbesitz verbracht hatte, erheblich verändert worden. Als Porsche das Auto zurückkaufen konnte, beschloss das Unternehmen, es als ein Stück lebendiger Automobilgeschichte in diesem Zustand zu belassen – eben deutlich anders als von Ferry Porsche ursprünglich gebaut.

Zum 70. Jubiläum entschied man sich daher für einen detailgetreuen Nachbau der Karosserie  im Originalzustand von 1948. Dem Porsche Museum würde somit ein zweites Exponat zur Verfügung stehen, das die Tour aufwerten würde und auch in logistischer Hinsicht eine weitere Herausforderung darstellen sollte. Beide Fahrzeuge sollten im Jubiläumsjahr abwechselnd um die ganze Welt reisen können. Eines würde stets in Zuffenhausen für die Besucher des Porsche Museum verbleiben.

356 „Nr. 1“ Roadster, Mission E, Monterey Car Week, Pebble Beach, 2018, Porsche AG
Bei der Monterey Car Week: die originale „Nr. 1“ und ein Modell des Mission E


Für die Experten des Museums begann ein anspruchsvoller Prozess. Zuerst wurde das Originalfahrzeug mit einem 3D-Scanner vermessen und dieses virtuelle Ergebnis den Konstruktionszeichnungen von 1948 gegenübergestellt, was zahlreiche Abweichungen offenbarte. Anhand von Originalfotos, Aufzeichnungen und Protokollen aus dem Porsche-Archiv entstand ein authentischer Eindruck davon, wie das Auto ursprünglich ausgesehen haben musste.

Mit einer computergesteuerten Fräsmaschine wurde dann aus einem Hartschaumblock ein lebensgroßes Modell geformt, anhand dessen wiederum traditionelle Holzformen zur Herstellung präziser Karosserieteile aus Aluminium gebaut wurden. Diese Aluminiumbleche wurden von spezialisierten Fachleuten mit traditionellen Werkzeugen aus der Nachkriegszeit über die Holzformen getrieben.

Das fertige Showcar zeigt die Front des originalen Fahrzeugs, zudem verjüngt sich die Karosserie im Heckbereich stärker. Außerdem ist die hintere Haube einteilig, während sie am echten Modell im Laufe der Zeit durch zwei getrennte Klappen ersetzt worden war.

Auch die ungewöhnliche Farbe entspricht der damaligen Zeit. Mithilfe einer Reihe von Proben, die man hinter der Instrumententafel des 356 „Nr. 1“ entnahm, konnten die Fachleute von Porsche den ursprünglichen Farbton, der zwischenzeitlich mehrfach überlackiert worden war, genau nachbilden.

356 „Nr. 1“, Goodwood Festival of Speed, England, 2018, Porsche AG
Auch auf dem Goodwood Festival of Speed in Südengland war die „Nr. 1“


Das Showcar, das nun bereit stand, übernahm sogleich die erste Station der Tour: die Ausstellung „70 Jahre Porsche Sportwagen“ in Berlin, die von März bis Mai 2018 lief. Nach einem kurzen Medientermin an seinem Ursprungsort in Österreich bildete das Original dann die Hauptattraktion im Zuffenhausener Porsche Museum, als Besucher aus aller Welt offiziell den 70. Geburtstag der Marke und die Eröffnung einer Sonderausstellung begingen.

Anschließend gingen die beiden Fahrzeuge abwechselnd auf Tour. Es ging in die Tschechische Republik, nach Polen und sogar zum Sportscar Together Day in Südafrika. Anfang Juli begeisterte der 356 „Nr. 1“ im Rahmen der alle zwei Jahre ausgerichteten Le Mans Classic die Menschenmassen am berühmten Circuit de la Sarthe, bevor er beim Goodwood Festival of Speed das berühmte Bergrennen beehrte. Es gab auch zwei heimatnahe Auftritte, zunächst auf einer Fahrt durch die Berner Alpen; anschließend galt es in Österreich die Bergetappen der Ennstal Classic zu meistern.

Auf eine Sommerpause verzichteten die beiden Fahrzeuge dankend. Ende August rief die kalifornische West Coast, quasi die zweite Heimat von Porsche. Dort strahlte der 356 „Nr. 1“ Roadster bei der Monterey Car Week mit einem Mission-E-Modell um die Wette. Anschließend stahl er bei der Rennsport Reunion in Laguna Seca mit Dr. Wolfgang Porsche am Steuer allen die Show.

356 „Nr. 1“, Peking, 2018, Porsche AG
Auch in Peking stand die „Nr. 1“ im Mittelpunkt des Interesses


Weiter ging es nach Vancouver und Toronto und dann wieder zurück über den Atlantik zur Porsche Sound Nacht in der Stuttgarter Porsche Arena. Kurz durchgeatmet, und schon war unser Team wieder auf Achse, unter anderem zwischen Oktober und Dezember in China.

Bis zum Jahresende war der 356 „Nr. 1“ Roadster 46.854 Kilometer um die ganze Welt gereist, das Showcar mit 53.898 Kilometern sogar noch ein gutes Stück weiter.

Für alle Beteiligten eine außergewöhnliche logistische Herausforderung, schließlich mussten Teams aus der ganzen Welt präzise koordiniert werden. Aber die einmalige Gelegenheit, das wichtigste Auto in unserem Stall Zehntausenden von Fans nahezubringen, war es mit Sicherheit wert: das perfekte Geburtstagsgeschenk!

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