Die automobile Klassikszene ist ein komplexer Kosmos. Ähnlich dem Kunstmarkt, wo sich alte Sammlerfamilien, nervöse Investoren und trendorientierte Statuskäufer, gern auch aus Boomländern, zu einem kaum berechenbaren Cocktail vermischen. Der Tanz um das historische Automobil erscheint manchen deshalb als sprunghaft und undurchschaubar, doch bei genauer Betrachtung gibt es deutliche Tendenzen und wiederkehrende Muster, die man deuten kann.

In den vergangenen Jahren ist der Markt für klassische Automobile kontinuierlich gewachsen. Historische Porsche gehören zu den begehrtesten Sammlerobjekten und werden zu immer höheren Preisen gehandelt. Nach der Finanzkrise von 2008 und angefeuert durch niedrige Bankzinsen, die alternative Investments attraktiv machten, zog die Wertentwicklung rasant an. Zuletzt galten jährliche Wachstumsraten von 15 Prozent als gesetzt, manche Modelle erzielten sogar ein Vielfaches dieser Rendite. Auch 2015 schien die Nachfrage nach Automobilklassikern keine Grenzen zu kennen.

Ein neues Bewusstsein für Qualität

Als sich jedoch im vergangenen Sommer bei den großen Auktionen nicht mehr alle 1960er-Jahre-Ferrari zu neuen Rekordpreisen verkauften und auch andere Verkaufsgaranten ohne neuen Besitzer von der Auktionsrampe rollten, wurde bereits vom Ende des Oldtimer-Hypes gemunkelt. Mit einigen Monaten Abstand kann man nun sagen: Ein Einbruch ist weder eingetreten noch in Sicht. Die großen Auktionen haben 2015 mit ihren Umsätzen sogar erstmals die Eine-Milliarde-Euro-Marke geknackt. Die Verkaufsraten liegen so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr und Sammler sind weiterhin weltweit bereit, Millionensummen in Automobile zu investieren.

Dennoch hat sich der Markt verändert. Zum einen gibt es offensichtlich ein neues Bewusstsein für Qualität: Die Rekordgaranten haben ihr Preiswachstum verlangsamt, die Sammler sind wählerischer geworden und zahlen nicht mehr jeden Preis. Im High-End-Segment jenseits der Millionen-Euro-Grenze verkaufen sich nur noch perfekt erhaltene Exemplare, bei denen von den obligatorischen Matching-Numbers bis zum Originallack alles stimmt. Oder wenn – wie jüngst bei dem für 16,3 Millionen Euro versteigerten ehemaligen Ferrari 250 GT SWB California Spider von Alain Delon und Janis Joplins Porsche 356, der 1,6 Millionen Euro einbrachte – eine individuelle Story die Strahlkraft des Wagens erhöht.

Die Nachfrage ist höher als das Angebot

Zum anderen drängt eine neue Käufergeneration aufs Spielfeld: Autofans, die sich mit modernen Klassikern der 1970er- bis 2000er-Jahre ihre Kindheitsträume erfüllen und in diesem Segment für neue Rekordpreise sorgen. Von diesem Trend profitieren auch die Zuffenhausener Klassiker stark, seltene und gut erhaltene Porsche 911 steigen rasant im Wert, die Nachfrage ist höher als das Angebot. Die Analysten der Historic Automobile Group sahen bei repräsentativen Porsche-Klassikern im vergangenen Jahr mit fast 20 Prozent Wertzuwachs sogar das größte Wachstum aller Marken.

Besonders stark im Wert gestiegen ist aber nicht nur der Porsche 911 Carrera RS 2.7, der gelegentlich sogar die Millionen-Dollar-Marke knackt, sondern auch der deutlich jüngere Porsche Carrera GT – mit fast 24 Prozent Zuwachs und einem Auktionshöchstpreis von einer Million US-Dollar für ein fast neuwertiges Exemplar beim Auktionshaus Mecum. Auch legendäre Porsche-Rennwagen, wie etwa der bei Gooding in Pebble Beach für 10,1 Millionen US-Dollar versteigerte Porsche 956 – der Le-Mans-Siegerwagen von 1983 –, ziehen merklich an.

Je seltener, desto besser

Zudem rücken bisher unterbewertete Porsche ins Blickfeld der Sammler, die in guter Qualität noch zu moderateren Preisen zu haben sind – zum Beispiel die klassischen Transaxle-Modelle. Bei diesen Sleepern, die in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag feiern, gilt allerdings auch: je seltener, desto besser. Raritäten wie ein 924 Carrera GT, ein 928 GT oder ein 968 CS sind die begehrenswertesten Varianten, die erfreulicherweise nicht nur die beste Rendite, sondern auch großen Fahrspaß versprechen.

Wer auf maximales Wertwachstum setzt, sollte zudem auf einen perfekten Originalzustand, ein lückenloses Serviceheft sowie geringe Laufleistung achten – denn wenn man aus der Entwicklung des vergangenen Jahres einen Schluss ziehen kann, dann diesen: Qualität zahlt sich aus.

Weitere Artikel