Entwicklungspartnerschaft: Croatian Mastermind

Rimac Automobili baut vor den Toren Zagrebs superschnelle Elektroautos, die der Konkurrenz mehr als eine Fahrzeuglänge voraus sind. Auch deshalb ist Porsche seit gut einem Jahr an der Technologie- und Sportwagenfirma beteiligt. Die Zuffenhausener haben Interesse am Know-how der Kroaten und an den Ideen des Gründers Mate Rimac, der die Zukunft der Mobilität längst vor seinen Augen sieht.

Ein Mann tritt in die Garage, das Auto erkennt seinen Besitzer am Gesicht und öffnet die Türen. Nachdem der Fahrer sitzt, fährt das Fahrzeug vollautomatisch an und rast durch die Zukunft. Die Szene stammt aus dem Teaser-Video zum neuen Rimac C_Two. Das meiste davon kann der Hypercar aus der kroatischen Elektroautoschmiede tatsächlich, wenn er darf. Dem voll automatisierten Fahren stehen dabei eher die Lust am Selbstfahren und allgemeine Vorbehalte anderer Verkehrsteilnehmer im Weg.

Dass diese Zukunftsvision ausgerechnet 20 Minuten vor den Toren Zagrebs Gestalt annimmt, hat viel mit der Einstellung des Firmengründers Mate Rimac zu tun. Von ökonomischen Kalkulationen lässt sich der 31-Jährige nur ungern aufhalten. Er sieht Potenziale, wo andere noch Risiken sehen. Wenn er ein Projekt in die Hand nimmt, dann reizt er die Grenzen des Möglichen aus.

Rimac C2_Two
Rimac C2_Two, das Auto der Zukunft. Der Hypercar startet die Motoren per Gesichtserkennung und fährt vollautomatisch

Diese Einstellung hat Rimac Automobili in zehn Jahren von einer Zweimannfirma zu einem Unternehmen mit 500 Mitarbeitern gemacht. Was als Tüftelei in der Garage eines technisch hochbegabten Jungspunds begann, hat heute einen geschätzten Wert von 500 Millionen Euro. Der Gründer ist längst kein Daniel Düsentrieb mehr, sondern ein Visionär, der die Zukunft der Automobilbranche prägt. Einige vergleichen ihn mit Apple-Gründer Steve Jobs und Tesla-Chef Elon Musk, was nur teilweise passt. Jobs predigte die Fokussierung auf wenige Kernkompetenzen, während Rimac gerne vieles ausprobiert und alles perfekt machen möchte. Musk war schon steinreich, bevor er Elektroautos bauen ließ.

Mate Rimac, geboren 1988 in Bosnien, als Kind mit der Familie vor dem Balkankrieg nach Frankfurt geflohen und als Jugendlicher nach Kroatien gezogen, fing bei null an. Den Anstoß für seinen Aufstieg gab ausgerechnet eine Autopanne. Der Motor des 1984er BMW E30, den sich Rimac im Alter von 18 Jahren für Driftrennen gekauft hatte, explodierte schon beim zweiten Einsatz. Weil ein neuer Verbrennungsmotor zu teuer war, baute Rimac sein Auto ab 2007 mit Elektromotoren wieder auf und über die Jahre hinweg weiter aus. Am Ende beschleunigte der giftgrüne Flitzer in 3,3 Sekunden von null auf 100 und brach 2011 in seiner Klasse alle relevanten FIA-Rekorde. Der BMW war aber schwer, anfangs wenig kraftvoll und hatte eine geringe Reichweite. Kurzentschlossen gründete der Jungunternehmer 2009 – schon vor der Rekordfahrt – Rimac Automobili und baute ein Expertenteam auf, um eigene Komponenten zu entwickeln. „Ich war überzeugt davon, dass elektrische Antriebe im Vergleich zu dem, was auf dem Markt erhältlich war, viel mehr leisten können“, sagt Rimac.

Rimacs Ziel war damals, das schnellste serienreife Auto der Welt zu bauen. Eine Zukunftsvision, die erste Investoren anlockte. Mit deren Geld entstand in Handarbeit der Rimac Concept_One. Der erste elektrische Supersportwagen der Welt feierte auf der IAA 2011 seine Premiere. Ein 1.088 PS starkes Monster, das aus dem Stand in 2,8 Sekunden die 100-km/h-Mauer durchbrach. Schneller als alle anderen Autos seiner Zeit. Die Höchstgeschwindigkeit war aber auf 300 km/h gedrosselt.

„Ich war überzeugt davon, dass elektrische Antriebe im Vergleich zu dem, was auf dem Markt erhältlich war, viel mehr leisten können“ Mate Rimac

Der Concept_One kostete etwa eine Million Euro und war auf eine Stückzahl von knapp 100 Autos begrenzt. Tatsächlich verkaufte Rimac kaum 20. Es waren zu wenig, um eine Firma nachhaltig zu unterhalten. In dem Fahrzeug steckte aber jede Menge hoch entwickelte Technologie, die nicht nur Autofahrer faszinierte, sondern auch andere Autohersteller. An diesem Punkt fing der Kroate an, ökonomisch zu denken. Sein Team zerlegte den Concept_One quasi. Rimac Automobili wurde Zulieferer, entwickelt und baut seither für andere Hersteller Batteriesysteme mit Hochspannungstechnologie, Elektromotoren, Telemetrie- und Assistenzsysteme, digitale User-Interfaces und Infotainment-Systeme. In Zukunft möchte man auch verstärkt patentierte Technologien an andere Hersteller lizenzieren.

Für Porsche ist das kroatische Unternehmen vor gut einem Jahr zum Partner geworden. Die Zuffenhausener haben 15,5 Prozent gekauft. „Wir halten die Ideen und Ansätze des jungen Unternehmens für sehr vielversprechend und streben deshalb eine enge Zusammenarbeit mit Rimac in Form einer Entwicklungspartnerschaft an“, sagte der Porsche Finanz- und IT-Vorstand Lutz Meschke bei Vertrags­abschluss im Juni 2018.

Oliver Blume, Mate Rimac
Porsche-Chef Oliver Blume (links) im Gespräch mit Mate Rimac. Porsche hat vor einem Jahr Anteile an Rimac übernommen

„Unser Ziel ist es, ein führender Modul- und Systemlieferant für Automobilhersteller in den Bereichen Elektrifizierung, Konnektivität und Fahrerassistenzsysteme zu werden“, erklärt Mate Rimac die Partnerschaft. Und der Traum, das schnellste Serienauto der Welt zu bauen, ist durch den C_Two längst Realität geworden: 1.900 PS, in 1,8 Sekunden von null auf 100, 412 km/h Höchstgeschwindigkeit – und das bei 650 km Reichweite. Geplante Stückzahl ab 2020: 150 Fahrzeuge.

Text Benjamin Büchner

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