Eigentlich wollte ich gar nicht nach Süddeutschland ziehen, aber dann kam der Anruf von Porsche“, sagt Tobias Hillers. Das Telefon klingelt vor acht Jahren bei dem wissenschaftlichen Mitarbeiter am Institut für Kraftfahrzeuge der Uni Aachen. Der Anruf hat Erfolg: Seit 2012 arbeitet Hillers im Porsche Entwicklungszentrum in Weissach.
Wer Hillers und seiner Partnerin irgendwo in Stuttgart in einem Straßencafé begegnet, wird rasch erraten, in welchem Fachbereich er arbeitet. Tobias Hillers dreht den Kopf leicht zur Seite, wann immer ein ungewöhnlicher Motorsound erklingt. In den meisten Fällen braucht er gar nicht mehr hinzusehen, um zu erkennen, welches Auto sich nähert. Hillers ist Akustiker. Genauer: Er ist Sachgebietsleiter Active Sound Design. Sein beruflicher Schwerpunkt liegt seit fünf Jahren auf der Kreation von Klängen des ersten Porsche-Elektrosportwagens Taycan. Ob er diesen Sportwagen mitten zwischen anderen Autos auch am Sound erkennen wird? „Das möchte ich schwer hoffen“, sagt er lachend.
In Weissach lässt Hillers den Taycan sprechen. Selbst für das Ohr des Laien unterscheidet er sich beim Klang eindeutig von allen anderen E-Fahrzeugen. Zumindest wenn die beim Taycan Turbo S serienmäßige Ausstattung „Porsche Electric Sport Sound“ zugeschaltet wird. Ist es eine Mischung aus startendem Düsenjäger und voll beschleunigendem ICE? Der Klang ist so ungewohnt, dass er sich kaum beschreiben lässt. Kleinster gemeinsamer Nenner: ungemein kraftvoll. Das Besondere dabei: Der Klang ist selbst von Passanten deutlich wahrnehmbar. Auch im Inneren ist er präsent, aber ohne dass die Insassen im Gespräch die Stimme anheben müssen.
Eine Fahrt mit dem Elektroauto ohne Sound hält Hillers zwar für „nett und schön, aber das akustische Feedback gehört dazu“. Der Klang eines Triebwerks liefert dem Fahrer Rückmeldungen zur Beschleunigung und Geschwindigkeit sowie in Zeiten der Elektromobilität auch zur Rekuperationsleistung. „Wir haben ein Instrument geschaffen, und der Fahrer ist der Dirigent“, fasst Tobias Hillers fünf Jahre Arbeit am Klang des Taycan zusammen.
„Der Sound muss zum Fahrzeug passen und authentisch sein.“ Tobias Hiller über den Klang des Taycan
Von seinem Heimatort Dülmen im Münsterland nach Aachen sind es nur knapp 200 Kilometer. Im Jahr 2000 hat Tobias Hillers dort im Alter von 20 ein Maschinenbaustudium begonnen. Fachrichtung: Kraftfahrwesen mit den Schwerpunkten Fahrzeugtechnik und Verbrennungsmotoren. Die Berufswahl kommt alles andere als zufällig zustande. „Wer im Album meiner Kinderbilder blättert, findet sehr viele Autos“, gibt Hillers preis. Schon während der ersten Studienjahre spezialisiert er sich auf das Thema Akustik. Ein Praktikum bei Porsche im Jahr 2005 führt ihn in die Soundabteilung. Natürlich ging es damals noch um den Verbrenner.
Einige Zeit nach diesem Praktikum fasst der Akustiker sein Arbeitsgebiet noch enger. „Elektroautos haben für mich immer etwas Reizvolles gehabt. Aber der richtige Kick fehlte ohne den Sound.“ Hillers hat Weitblick: „Der Sound bei Elektroautos wird ein Riesenthema.“ Das gilt für alle Elektroautos. In ihnen ist ein Mindestgeräusch seit 1. Juli 2019 Plicht.
Für einen wie Hillers genügt das nicht. Ganz in seinem Sinne entscheidet sich Porsche früh für einen powervollen Klang im leisen Porsche Taycan. „Der Sound muss zum Fahrzeug passen und authentisch sein.“ Mit authentisch meint Hillers, dass die Ingenieure nur Sounds verwenden, die vom Auto selbst stammen. Also jene von der Elektromaschine, dem Getriebe, hinzu kommt eine Prise Abroll- und Reifengeräusche. „Wir nehmen die Anteile, die richtig gut klingen“, führt der Akustiker aus, „dann filtern wir raus, was nach Zahnarztbohrer oder Straßenbahn klingt.“
Ganz gelassen steht Tobias Hillers im Schallmessraum in Weissach, der mit Keilen zur Absorption gespickt ist. Jeder redet hier leiser als gewöhnlich. Hillers Augen leuchten, als der Ton des Taycan im Schallmessraum immer heller und durchdringender erklingt. Macht der Taycan-Sound so glücklich wie ein Porsche-Boxer? Hillers Antwort ist klar und deutlich zu vernehmen: „Ja, eindeutig!“
Tobias Hillers
1980
Geboren in Marl
2000 - 2007
Studium Maschinenbau, RWTH Aachen University
2005
Praktikum bei Porsche
2007 - 2012
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Kraftfahrzeuge – RWTH Aachen University
2012 - 2014
Entwicklungsingenieur, Porsche Engineering
2014 - 2017
Entwicklungsingenieur Active Sound Design, Porsche AG
Seit 1 / 2018
Sachgebietsleiter Active Sound Design