Mit der Studie über das Leben von Adolf Rosenberger (1900-1967) liegt nun erstmals eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung vor – unter Einbeziehung aller verfügbaren Archive. Die Adolf Rosenberger gGmbH (München) mit Sandra Esslinger (USA) aus der Familie Rosenberger und die Porsche AG hatten sie gemeinsam im Oktober 2022 bei dem renommierten Historiker Professor Dr. Joachim Scholtyseck von der Universität Bonn in Auftrag gegeben.
Am 25. April 1931 gründete Rosenberger gemeinsam mit Ferdinand Porsche und Anton Piëch offiziell die Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH. Er prägte das Konstruktionsbüro in der Frühphase maßgeblich mit und trug als Gesellschafter und Geschäftsführer zu dessen Aufbau bei. Sein Name geriet nach seiner Flucht vor den Nationalsozialisten nahezu in Vergessenheit. „Das Forschungsprojekt auf gemeinsame Initiative der Adolf Rosenberger gGmbH und der Porsche AG schließt eine bedeutsame Lücke in den Anfängen der Unternehmensgeschichte“, sagt Achim Stejskal, Leiter Porsche Heritage und Porsche Museum.
Zwischen Aufbruch und Verfolgung
In den 1920er-Jahren hatte Rosenberger als Rennfahrer zahlreiche Erfolge gefeiert. Im Konstruktionsbüro verantwortete er als kaufmännischer Leiter Finanzen und Kundenkontakte und trug mit seinem Startkapital sowie seinem Netzwerk wesentlich zum Aufbau des Unternehmens bei.
Im Jahr 1933 gab er die Geschäftsführung aus wirtschaftlichen Gründen ab. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten geriet der jüdische Unternehmer zunehmend ins Visier des Regimes. 1935 musste er seine Gesellschaftsanteile zum Nominalwert an Porsche abgeben und war zeitweise im Konzentrationslager Kislau inhaftiert. Von Paris aus betreute er bis Ende 1937 das Geschäft mit Patenten und Lizenzen für Porsche im Ausland, bis Porsche die Zusammenarbeit endgültig beendete. 1938 emigrierte Rosenberger notgedrungen in die USA, wo er unter dem Namen Alan A. Robert mit zeitweiligem Erfolg versuchte, geschäftlich Fuß zu fassen. Ein 1950 durch einen Vergleich beendetes Restitutionsverfahren mit magerem finanziellem Ergebnis und der vergebliche Versuch, mit Porsche ins Geschäft zu kommen, prägten zudem Rosenbergers Zeit in den USA. Weitere Wiedergutmachungsverfahren mit dem Land Baden-Württemberg und seiner Heimatstadt Pforzheim endeten nicht immer zufriedenstellend. Er starb 1967 in Los Angeles.
Die unabhängige wissenschaftliche Studie erzählt nun erstmals Rosenbergers gesamte Lebensgeschichte – geprägt von kurzzeitigen Erfolgen und langfristigen Enttäuschungen – und schärft das Bewusstsein für eine differenzierte Erinnerungskultur. Untersucht wurden 19 zuvor abgestimmte Leitfragen – vom Aufwachsen in Pforzheim und dem Kennenlernen mit Ferdinand Porsche bis zur Gründung des Konstruktionsbüros. Zentral war dabei vor allem die Frage, warum er 1933 die kaufmännische Leitung abgab und unter welchen Umständen er 1935 als Gesellschafter bei Porsche ausschied. Zudem wurden die wieder aufgenommenen Verbindungen zum Unternehmen Porsche und dessen Mitarbeitern in der Zeit nach 1945 analysiert. „Mir ging es darum, Adolf Rosenberger durch eine umfassende Rekonstruktion seines Lebenswegs ein Gesicht zu geben – und zugleich die Gründe zu analysieren, warum er zwar als Rennfahrer erfolgreich war, aber als jüdischer Unternehmer in der Zeit des Nationalsozialismus aus der Wirtschaftswelt herausgedrängt wurde“, so Professor Joachim Scholtyseck.
Unabhängige Forschung und konstruktive Zusammenarbeit
Professor Dr. Wolfram Pyta hatte in seiner 2017 veröffentlichten Arbeit „Porsche – Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke“ die Anfänge von Porsche bis in die unmittelbare Nachkriegszeit zwar in einem eigenen Kapitel dargestellt. Wesentliche Quellen wie das Rosenberger Familienarchiv waren damals jedoch unberücksichtigt geblieben. Mit dem Ziel einer vollständigen Aufarbeitung riefen Rosenbergers Nachfahren 2019 die Adolf Rosenberger gGmbH ins Leben. In diesem Zusammenhang entstand der Gedanke, mit einer unabhängigen Studie über Adolf Rosenberger gemeinsam mit Porsche die bisherigen Lücken in dessen Lebensgeschichte zu schließen.
Erinnerung als Gegenwartsaufgabe
Das Forschungsprojekt wurde von Porsche finanziell getragen, jedoch inhaltlich ergebnisoffen und nach höchsten wissenschaftlichen Maßstäben durchgeführt. Die Porsche AG und die Adolf Rosenberger gGmbH verständigten sich bereits im Vorfeld im Jahre 2022 darauf, die Ergebnisse der unabhängigen Studie anzuerkennen und in Deutsch und Englisch zu veröffentlichen.
Dem Forschungsteam unter der Leitung von Professor Dr. Scholtyseck standen umfassende Archivmaterialien zur Verfügung. Hierzu gehörten alle relevanten Unterlagen aus dem Porsche Unternehmensarchiv. Zudem wurden erstmals bislang unerschlossene Dokumente aus dem Familiennachlass Adolf Rosenbergers ausgewertet. Dr. Sandra Esslinger, Rosenbergers Cousine zweiten Grades, stellte dafür in den USA aufbewahrte Unterlagen zur Verfügung. „Diese Studie schlägt eine Brücke zwischen der bitteren Familienerinnerung und der Unternehmensgeschichte. Ich bin dankbar für den respektvollen Umgang mit unserem Familiennachlass. Die Ergebnisse geben Adolf Rosenberger seinen Platz in der Geschichte zurück“, fasst Professor Dr. Sandra Esslinger zusammen. Weitere externe nationale und internationale Quellen flossen in die Recherchen ein. Zur fachlichen Begleitung fanden zwei Workshops statt, in denen der Austausch mit weiteren hochrangigen Wissenschaftlern erfolgte, allesamt angesehene Professoren: Werner Plumpe, Frank Bajohr und Andreas Wirsching aus Deutschland sowie Peter Hayes aus den USA.
„Die unabhängige Studie ist ein wesentlicher Beitrag zur Erinnerungskultur. Porsche setzt sich offen und intensiv mit der eigenen Vergangenheit auseinander und stellt sich seiner Verantwortung“, sagt Dr. Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG. „Die Zusammenarbeit mit Professor Dr. Scholtyseck und der Adolf Rosenberger gGmbH war von Beginn an geprägt von Offenheit, Vertrauen und einem sehr konstruktiven Austausch.“ Die aus der Vergangenheit entstehende Verantwortung bedeute für Porsche, Haltung in der Gegenwart zu zeigen. „Ausgrenzung, Diskriminierung und Antisemitismus treten wir entschieden entgegen“, sagt Blume.
Symposium in München und Buchveröffentlichung
Die Ergebnisse der Rosenberger-Studie wurden am 25. September 2025 im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums am Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München präsentiert. Bei der Veranstaltung stellte Professor Dr. Scholtyseck die zentralen Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit vor.
Am 1. Oktober 2025, erscheint die Biografie Adolf Rosenberger. Rennfahrer, Porsche-Mitgründer, Selfmademan. Eine Enttäuschungsgeschichte im Siedler Verlag. Der Verkauf startet zur Frankfurter Buchmesse. Eine englischsprachige Ausgabe der Rosenberger-Biografie ist in Arbeit und wird noch im Oktober 2025 für die englischsprachigen Märkte veröffentlicht. Eine Buchpräsentation in den USA ist für Anfang 2026 geplant.
Vorstellung aller Beteiligten
Professor Dr. Joachim Scholtyseck ist ein renommierter Zeithistoriker an der Universität Bonn. Er hat vielfach zu Themen der Unternehmensgeschichte geforscht. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die umfassenden Studien zu den Unternehmern Günther Quandt (2011), Otto Beisheim (2020) und Reinhard Mohn (2020) sowie zu den Unternehmen National-Bank (2011), Freudenberg (2015) und Merck (2018). Eine Studie über das Unternehmen Henkel erscheint in Kürze.
Die Adolf Rosenberger gGmbH vertritt die Interessen der Vertreter der Nachfahren von Adolf Rosenberger. Das Interesse der gemeinnützigen Rosenberger Gesellschaft und ihrer Gründerin, Professor Dr. Sandra Esslinger, ist der Wunsch nach vollständiger Darstellung der historischen Ereignisse, warum A. Rosenberger als Jude zwischen 1933 und 1935 seine Position als Geschäftsführer und Gesellschafter verlor. Darüber hinaus besteht das gemeinnützige Interesse, gemeinsam mit Porsche Antisemitismus, Diskriminierung und Ausgrenzung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit entgegenzutreten.
Die heutige Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG steht zur Vergangenheit ihrer Vorläuferunternehmen und versteht die Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte als permanente Aufgabe. Die eigene Geschichte ist ein Teil von Porsche – dies gilt auch für die Zeit während des Nationalsozialismus. Für die heutige Porsche AG ist es wichtig, deutliche Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit zu setzen. Die Förderung wissenschaftlicher Forschung im Bereich der Unternehmensgeschichte soll helfen, die Vergangenheit zu verstehen, um die Zukunft zu gestalten.
Ansprechpartner Adolf Rosenberger gGmbH
Dr. Christoph Rückel
Kardinal-Faulhaber-Str. 15, 80333 München
E-Mail: kontakt@adolf-rosenberger.com / Tel.: 089 2388 69 80
https://adolf-rosenberger.com/