John Hindhaugh: die Stimme von Le Mans

Für Millionen Fans auf der ganzen Welt ist John Hindhaugh die Stimme des Sportwagenrennens. Vor dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans, das am kommenden Wochenende stattfindet, sprachen wir mit dem Mann am Mikrofon von „Radio Le Mans“.

Vor dem Hintergrund des ständigen Getöses des Rennens, des Dröhnens von mehr als 60 Wagen bei Tag und Nacht, des Lärms von den Tribünen und der Anfeuerungsrufe von den Campingplätzen sticht die Stimme eines Mannes heraus. Beim diesjährigen Rennen wird John Hindhaugh – gemeinsam mit einem Team von Co-Kommentatoren, Reportern an den Boxen und Ehrengästen – der Welt erneut Bericht erstatten.

Hindhaugh wuchs in Sunderland im Nordosten Englands auf. Sein Akzent ist charmant, seine Sprache lyrisch und die Stimme sehr energiegeladen. Genau das Richtige für die Höhen und Tiefen eines Rennens rund um die Uhr wie Le Mans. Für viele der etwa 250.000 Le-Mans-Fans vor Ort, der Medien, der Rennteams und weiterer Millionen, die das Rennen weltweit verfolgen, sind Hindhaugh und sein Team von „Radio Le Mans“ die Stimme des Rennens.

John Hindhaugh, Radio Le Mans, Le Mans, Frankreich, 2023, Porsche AG
John Hindhaugh

Neben Le Mans kommentiert das Team Sportwagenrennen auf der ganzen Welt: von Bathurst über Daytona bis zum Nürburgring und jede Runde der amerikanischen IMSA Championship. Im Rennsport sind Hindhaugh und seine Crew „Radio Royals“, und die Grundpfeiler ihrer Geschichte sind – wie auch bei den von ihnen kommentierten Rennen – Belastbarkeit, Durchhaltevermögen und ein bisschen Glück.

Hindhaugh und seine Crew sind „Radio Royals“

Wie kam das alles zustande? Am Vorabend des 100. Jubiläums des 24-Stunden-Rennens, während er sich bereit macht, einen Porsche Cayenne von seinem Haus bei Silverstone nach La Sarthe zu fahren, erzählt Hindhaugh: „Das alles fing Ende der 1980er-Jahre mit einem Burschen namens Harry Turner an, dem ‚Vater von „Radio Le Mans“‘. Das war am Anfang ziemlich hemdsärmlig – niemand war ein professioneller Radiosprecher“, erinnert er sich. „Mein erstes Le-Mans-Rennen war 1989. Ich fuhr mit Harry in einem Van hin, der einen Wohnwagen zog. Darin hatten wir ein Studio eingebaut. Ich schlief auf dem Boden.“

Im Jahr danach wurde Hindhaugh erneut engagiert. So wurde er schnell zu einer festen Größe. Er führte neue Themen ein, wie die „Pit Reports“ oder seine als „Mad Friday“ bezeichneten berühmt-berüchtigten Touren durch die Zeltplätze, wo sich die neu angekommenen Fans für das Ereignis in Stimmung brachten.

Seit 1997 sendet „Radio Le Mans“ auch online

In den 1990er-Jahren sendete das Team lokal für die rund 100.000 englischsprachigen Fans an der Strecke. Doch aufgrund der steigenden Kosten – einschließlich beträchtlicher Gebühren, die an den Organisator des Rennens, den ACO (Automobile Club de l’Ouest) und die französische Hörfunkbehörde zu entrichten waren – brauchten Hindhaugh und das Team ein breiteres Publikum, um Werbetreibende weiter zu interessieren. Also übertrug „Radio Le Mans“ ab 1997 auch online im Internet.

„Zu der Zeit steckte das Internet noch ziemlich in den Kinderschuhen. Keiner von uns kannte sich mit Computern aus. Wir mussten diese Sache ausfindig machen, die sich ‚Serverkapazität‘ nannte“, erzählt Hindhaugh mit einem Lachen. Seine Kontakte in der City of London hatten dann schließlich eine Idee. „Damals gab es noch keine so umfangreiche Internetnutzung“, meint er. „Und am Wochenende gab es reichlich ungenutzte Serverkapazitäten. Also machten wir einen Deal und ... hm ... ‚borgten‘ uns etwas Kapazität. Dann mieteten wir eine ISDN-Leitung von France Telecom, um das Signal zurück nach London zu senden, wo es digitalisiert und online verbreitet werden konnte.“

Porsche half „Radio Le Mans“ auf die Beine

Das war alles sehr teuer, „aber wir bekamen Hilfe“, sagt Hindhaugh. „Unsere Freunde von Porsche hielten das für eine tolle Idee und beteiligten sich finanziell daran. Unsere weltweit erste Online-Sendung hätte ohne Porsche nicht stattgefunden.“ Und es machte sich bezahlt: Am Ende des Rennens waren etwa eine halbe Million Leute online dabei. Im folgenden Jahr flog das Team zur Road Atlanta, um vom Petit Le Mans zu berichten, und gerade einmal ein Jahr danach, 1999, waren sie über die gesamte Saison der American Le Mans Series dabei.

Heute hört man „Radio Le Mans“ über Smart Speaker, Satellitenradio, Mobiltelefone, Laptops und alle möglichen Online-Geräte über drei spezielle Kanäle. Es gibt wöchentliche Podcasts, die über alle Rennen berichten – von der Formel 1 über die Indy500 bis zum Porsche Carrera Cup. Alles völlig kostenlos. „Das ist die Demokratie des Rundfunks“, meint Hindhaugh. „Du bringst es an die Öffentlichkeit, und jeder kann zuhören, ob online oder per Radio. Allerdings drehst du am Internetradio nicht ständig herum oder suchst nach Sendern – du triffst die bewusste Entscheidung für eine bestimmte Sendung.“

2006: John Hindhaugh wird Eigentümer von „Radio Le Mans”

Zurück in Frankreich, zeichnete sich bei „Radio Le Mans“ wieder eine neue Veränderung ab. Nach dem Rennen 2005 konnte der Eigentümer des Senders, Haymarket Media, zu keiner neuen Lizenzvereinbarung mit dem ACO kommen. Es wurde ein neuer Geldgeber gefunden, aber als der in letzter Minute ausstieg, sprang Hindhaugh ein. „Wie es der Zufall will, hatte ich gerade mein Haus verkauft. Also fuhr ich kurz vor Weihnachten nach Paris und schloss einen Vertrag mit dem ACO“, sagt er. „Die Rechnung kam ein paar Tage später, und bis Ende Januar 2006 hatte ich einen großen Teil der Einkünfte aus meinem Hausverkauf dafür eingesetzt.“

John Hindhaugh, Radio Le Mans, Le Mans, Frankreich, 2023, Porsche AG

„Radio Le Mans“ gehörte jetzt John Hindhaugh und seiner Frau Eve Hewitt. Die beiden heirateten unmittelbar vor dem nächsten Rennen, gefolgt von einem Empfang nahe der Rennstrecke, abgehalten vom Bürgermeister von Arnage. Seither sind sie die offiziellen Berichterstatter des Rennens in Englischer Sprache. Wie organisieren sie das Ganze?

„Wir haben alles dabei, was wir brauchen, vom Mischpult bis zu unseren eigenen Glasfaserkabeln, sogar die Möbel“, berichtet Hindhaugh. „Nichts wird bereitgestellt – nicht einmal eine Sprecherkabine. Wir bauen oberhalb der Tribüne auch unseren eigenen UKW-Sender auf.“ Dann ist da noch die Mannschaft – ein Team von 15 bis 20 Leuten. Dazu gehört auch Sprecher Paul Truswell, der bekannt dafür ist, dass er sich während der gesamten 24 Stunden kaum von seinem Mikrofon wegbewegt. Mittlerweile arbeitet auch er, genau wie die Fahrer, wechselweise.

24 Stunden live „On Air“

„Es gibt keine ruhigen Zeiten“, meint Hindhaugh. „Bei uns könnte es mitten in der Nacht sein, die ruhige Radio-Nachtschicht, aber woanders auf der Welt ist es die Spitzenzeit.“ Die Qualität dürfe also auf keinen Fall nachlassen. „Das ist schon intensiv – alle Ergebnisse, vollständige Berichterstattung von den Boxen, vollständige Auswertung und Beschreibung des Rennens. Daher versuchen wir, den Leuten wenigstens ein paar Stunden Ruhe zu gönnen – in diesem Jahr wird das für mich auf dem Vordersitz des Cayenne stattfinden.“

Hindhaugh vergleicht das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gerne mit einem Krimi. „Allerdings kannst du hier nicht gleich mal am Ende nachsehen, wie alles ausgeht. Und während der letzten Runden, wenn wir die Handlungsstränge der Geschichte zusammenbringen, kannst du nicht 24 Stunden lang durchgemacht haben – wir wollen, dass die Leute frisch und bereit für das Drama sind, das sich zum Ende hin entfaltet.“

Darum ist „Radio Le Mans“ für so viele Fans die beste Möglichkeit, das Rennen zu verfolgen. Natürlich gibt es auch die Live-Übertragung im Fernsehen, doch viele Zuschauer blenden den Ton aus und hören stattdessen „Radio Le Mans“. An der Piste ist „Radio Le Mans“ im Ohrhörer unerlässlich.

Mit 300 km/h durch ein impressionistisches Gemälde

„Ich bin sehr gerne auf Sendung, wenn am Sonntagmorgen die Sonne aufgeht und die Leute auf den Tribünen in Bewegung geraten“, meint Hindhaugh. „Häufig hängt ein niedriger Nebel über der Strecke. Mein Kollege Charles Dressing, ein Meister der Sprache, beschrieb die ganze Atmosphäre von Le Mans als ‚Verrückte, die mit mehr als 300 Stundenkilometern durch ein impressionistisches Gemälde rasen‘ – und das beschreibt perfekt das Bild von Autos, die wie farbige Pinselstriche durch das zarte Morgenlicht fegen.”

Und wie sieht es in diesem Jahr aus? „Ich freue mich sehr, Porsche wieder in der Spitzenklasse zu finden“, erklärt Hindhaugh. „Und ich freue mich auch, dass sie mit Ferrari, Cadillac, Toyota, Peugeot und allen anderen eine starke Konkurrenz bekommen.“ Niemand weiß, wie sich das Rennen entwickelt wird. Was auch immer passiert – Sie werden es wahrscheinlich zuerst von Hindhaugh und seiner Crew hören.

Besuchen Sie www.radiolemans.co oder schalten Sie 91,2 FM ein, wenn Sie an der Rennstrecke sind.

Weitere Artikel