Herr Lenglin, was macht den Porsche 963 in Ihren Augen so besonders?
Der 963 bedeutet die Rückkehr von Porsche in die Königsklasse des Langstreckensports. Darüber hinaus ist es aber das erste Mal seit dem 911 GT1 aus dem Jahr 1998, dass Style Porsche und Porsche Motorsport wieder zusammen ein Prototypen-Fahrzeug gebaut haben – und gleichzeitig das 25. Jubiläum des „gemeinsamen“ Le-Mans-Siegs.
Auch für Sie ganz persönlich ist es ein ganz besonderes Jubiläum, oder?
Genau. Damals, als Porsche diesen Doppelsieg feierte, erlebte ich das erste Mal Le Mans. Mein Bruder und ich waren mit meinem Vater bei einem Freund in Paris, im Fernsehen lief das 24-Stunden-Rennen. Mein Vater sagte plötzlich: „Los, wir fahren jetzt dorthin.“ Wir dachten zuerst, es sei ein Witz – aber es war alles andere als das. Also machten wir uns ganz spontan um Mitternacht auf den Weg nach Le Mans. Als wir dort waren, sind wir Kinder irgendwann einfach im Gras am Streckenrand eingeschlafen (lacht). Und jetzt, 25 Jahre später, fährt dort ein Fahrzeug, das ich selbst designt habe. Surreal.
Design trifft dabei auf die pure Performance-Orientierung. Wie gestaltet man einen schönen und gleichermaßen schnellen Rennwagen?
Ja, das war die schwierige Aufgabe. Als Designer spielen wir immer mit Proportionen – als die Anforderungen kamen, war allen im Team klar: ein sehr, sehr langer Radstand. Und vor allem muss die Form eben dem Reglement gerecht werden. Der erste Trick für mich war, gleich ins Detail zu gehen. Wir haben für uns zum Beispiel das Fahrzeug dreigeteilt – Front, Mittelteil und Heck –, um es dann rein optisch und mithilfe des Farbdesigns ein bisschen kürzer und kleiner zu bekommen. Und: Es passt einfach.
Also keine pure Funktionalität?
Nein, das war nicht pure Funktionalität, das ist auch ein bisschen Form. Wir hatten dennoch ein wenig Freiheit. Wie gesagt, es ist seit 25 Jahren zum ersten Mal wieder dieser besondere Stil von Porsche: Wir dürfen Design machen! Das bedeutet auch, dass wir ganz eng teamübergreifend gearbeitet haben. Zunächst war da die Skizze, die haben wir dann an die Ingenieure geschickt – und danach dann zusammen am Modell gebaut. Wir haben Ping-Pong gespielt – immer hin und her.
Ihre Lieblingsperspektive auf das Fahrzeug?
Von hinten oben. Schaut man sich den 963 von der Seite an, ist er sehr flach und sehr lang. Von vorne wirkt das Fahrzeug richtig klein. Erhöht man die Position dagegen etwas, sieht es immer perfekt aus. Tatsächlich haben wir da auch an die Fernsehbilder aus dem Hubschrauber und an die Fans auf den Tribünen gedacht. Ganz oft sieht man die Autos von etwas weiter oben. Und das muss so gezeigt werden.
Zur Folierung: Was sagen uns die Linien, die sich da über das Auto ziehen, und was bilden sie ab?
Diese Linien sind von der Vergangenheit inspiriert – aber neu interpretiert. Die Idee war auch, zu demonstrieren, wie schnell der 963 fahren kann. Die Linien werden daher sehr breit nach hinten und nehmen viel Tempo auf. Auf der anderen Seite heben sie auch die Form des 963 hervor und lassen ihn dadurch ästhetisch wirken.
Was war die größte Herausforderung?
Dass das Auto wirklich schnell sein muss. Als Designer will man schließlich immer schöne Sachen gestalten, aber hier musste ich ein bisschen loslassen und mir sagen: „Du gestaltest nicht nur, damit es gut aussieht.“ Die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren war für mich dabei sehr wichtig, weil sie mich darauf aufmerksam gemacht haben, wenn eine meiner Ideen nicht optimal für die Performance ist. Das war für mich sehr interessant – und intensiv.
Woran erkennen wir denn genau, dass es ein Porsche ist?
Es gibt ein paar Details: zum Beispiel die Vierpunkt-Scheinwerfer. Wir haben zudem versucht, die Nase so tief wie möglich zu halten. Und auch die unverwechselbare Porsche Flyline ist sichtbar, trotz der Finne, die das Reglement vorschreibt.
Können Sie uns kurz zusammenfassen: Was macht die Porsche-Formsprache noch aus?
Dieses Puristische, diese Einfachheit. Das hat niemand sonst. Und dann ist da auch die Liebe zum Detail, die Technologie und damit dieses Gesamtpaket. Das kann nur ein Porsche sein.
Information
Das Interview wurde erstmals im Ramp Porsche Special 100 Jahre Le Mans veröffentlicht.
Autor: Marko Knab