In der Porsche-Community tummeln sich schillernde Persönlichkeiten – Kathy Mead bildet als pensionierte Professorin der Astrophysik keine Ausnahme. Die 61-Jährige fährt erst seit vier Jahren Rennen, erlangte jedoch schnell Berühmtheit, als sie 2020 ein spektakuläres Debüt beim Pikes Peak International Hill Climb feierte.
Doch die bescheidene, geradlinige Texanerin empfindet ihren späten Einstieg in den Motorsport weder als ungewöhnlich noch als nachteilig. „In den USA gibt es noch sehr viele sogenannte Gentleman-Driver“, erzählt sie. „Denn wenn man nicht im Alter von sechs Jahren mit dem Rennfahren beginnt, muss man warten, bis man das nötige Kleingeld zusammen hat.“ Mit 51 nahm Mead zum ersten Mal an meinem Track-Event teil. „Ehrlich gesagt hat es mich etwas Überwindung gekostet, mich in ein schnelles Auto zu setzen.“
Was die ehemalige Professorin aus der engen Gemeinschaft an Auto-Enthusiasten und Renn-Verrückten ebenfalls herausstechen lässt, ist die Tatsache, dass sie nie von Autos besessen war. „Ich war früher definitiv kein Auto-Mensch“, betont sie. „Sportwagen mochte ich schon immer, aber selbst heute bin ich kein typischer Auto-Fan. Allerdings wollte ich schon immer einen Porsche 911 haben.“
Mit einem 911 Carrera der Generation 997 durch die USA
Diesen Wunsch erfüllte sie sich 2010, als sie einen 911 Carrera der Generation 997 mit PDK-Getriebe erwarb – ein Auto, das sich noch immer in ihrem Besitz befindet und mit dem sie schon zweimal von Küste zu Küste durch die USA gereist ist. „Fahren ist eine Kunst. Und ein Porsche ist ein Wunderwerk der Technik. Ich möchte den Wagen nicht einfach nur in die Garage stellen und bewundern. Ich ehre ihn, indem ich an meinem fahrerischen Können arbeite, um sein Potenzial noch besser ausschöpfen zu können.“
Mead nahm an zahlreichen Fahrausbildungsveranstaltungen des Porsche Club of America (PCA) in ihrer Region teil. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch noch keinerlei Ambitionen, an Rennen teilzunehmen. Auf den Veranstaltungen des PCA konnte sie die fahrdynamischen Qualitäten des 911 in einem wettbewerbsfreien Rahmen erfahren.
„An meinem ersten Tag waren da all die anderen Teilnehmer, die alles Mögliche an ihren Fahrzeugen verändert haben. Zum Beispiel ihre Bremsbeläge selbst ausgetauscht, ihren Motor getunt und das Fahrwerk modifiziert“, erinnert sich Mead mit einem ansteckenden Lachen. „So war ich aber nicht. Ich wollte einfach nur den Wagen fahren!“
Von Track-Events hin zum kompetitiven Motorsport
Das tat sie auch. Dabei wuchsen ihr Selbstbewusstsein ebenso wie ihre Fähigkeiten innerhalb kürzester Zeit. Ihr 911 wurde mit einem rennorientierteren Fahrwerk, Rennsitzen und einem Überrollbügel entsprechend für den Einsatz auf der Rennstrecke angepasst.
Irgendwann war die ambitionierte und engagierte Mead jedoch mit den Beschränkungen der Track-Events zunehmend unzufrieden, denn sie konnte dort nicht ihr eigenes Tempo fahren und Überholen war verboten. Sie erinnert sich: „Da habe ich mir gesagt: Entweder nimmst du das jetzt locker, oder du fährst richtige Rennen. Ich entschied mich für die richtigen Rennen.“
Was folgte, war ein großer Schritt für Mead: Sie kaufte einen 981 Cayman GT4 Clubsport – ein Fahrzeug, mit dem sie in zahlreichen verschiedenen Rennserien starten konnte, die meisten davon organisiert vom PCA. Sie engagierte einen Fahrtrainer, um ihre rennfahrerischen Fähigkeiten zu verbessern, und stellte kurz darauf ein Kundenteam für die Wartung des Fahrzeugs zusammen.
Analysen und Trainings sorgen für stetige Lernkurve
„Es war eine große Herausforderung, aber auch eine tolle Erfahrung. Das fahrerische Niveau war hoch, doch ich wollte unbedingt immer besser fahren. Ich sah mir die Videos und meine Daten genau an – damit habe ich während und zwischen den Veranstaltungen sehr viel Zeit verbracht. Heute spreche ich mit Fahrtrainern, lerne mehr über die Abstimmung der Fahrzeuge und sehe mir genau an, wenn mit meinem Wagen mal etwas nicht einwandfrei läuft, von der Software bis zu den Bauteilen.“
Mittlerweile erkenne Mead zum Beispiel am Gefühl, wenn ihr PDK neu eingestellt werden muss. „Jedes Mal, wenn an einem meiner Autos etwas nicht stimmt, bespreche ich das mit dem Mechaniker, um den Zusammenhang zwischen meinem Gefühl beim Fahren und dem tatsächlichen Fehler zu verstehen.“
Mead fuhr in der Saison 2017 gegen andere Clubsport-Besitzer und freute sich schon auf die folgenden Saisons, bis „mir das Leben einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und ich zwei Jahre aussetzen musste“. Nach einer so langen Pause zögerte sie, sich kopfüber wieder in die Welt des Rennsports zu stürzen.
Fahrercoaching mit Jeff Zwart
Mittlerweile war jedoch mit Unterstützung von Porsche Cars North America eine eigene Klasse für den Cayman GT4 Clubsport beim Pikes Peak International Hill Climb geschaffen worden. Um das Fahrercoaching kümmerte sich dabei niemand Geringeres als Jeff Zwart. Mead und ihr Mechaniker Mike Conn hatten bereits mit dem Gedanken gespielt, an diesem Rennen teilzunehmen. Jetzt schien der Zeitpunkt ideal.
„Ich kannte Pikes Peak, allerdings hauptsächlich aus Videos von spektakulären Unfällen, und das ist nicht so mein Fall“, erklärt sie und lacht. „Aber eines Tages im Januar 2020 informierte mich Mike, dass die Anmeldefrist an diesem Tag endete. Es war an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Also füllte ich die Formulare aus und das war es dann.“
Aufgrund der wegen des Coronavirus verhängten Reisebeschränkungen schaffte es Mead in den Monaten vor der Veranstaltung nicht nach Colorado, um die Strecke zu testen und ein Gefühl für das bevorstehende Rennen zu entwickeln. Auch die Höhe erforderte etwas Gewöhnung, nicht zuletzt, weil Mead nebenbei bemerkt Höhenangst hat.
„Klar, das ist eine öffentliche Straße, und als ich das erste Mal oberhalb der Baumgrenze fuhr, dachte ich mir, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung von 35 mp/h (56 km/h) schon nicht ganz unberechtigt ist! So heftig war es für mich. Aber ich wusste, ich kann es schaffen.“
Intensive Vorbereitung auf Pikes Peak
Mead erwies sich als Musterschülerin, die jedes angebotene Training absolvierte und sich gründlich mit den Herausforderungen eines Rennens auf mehr als 4.000 Metern Höhe über dem Meeresspiegel vertraut machte. Sie trainierte hart, passte ihren Schlafrhythmus an die für 2 Uhr morgens angesetzten Starts an und studierte die unzähligen Windungen und Kurven der Strecke bis ins kleinste Detail.
„Ich fühlte mich gut vorbereitet, trotzdem muss man dann auch erst mal abliefern“, erinnert sich Mead. „Und den gesamten Berg fährt man beim Pikes Peak erst am Renntag selbst. Doch im Training habe ich gelernt, immer nur an die nächste Kurve zu denken. Und so habe ich es gemacht, mit allen 156 Kurven. Ich war noch nie in meinem Leben so euphorisch wie in dem Moment, als ich über die Ziellinie fuhr. Das war das Härteste und gleichzeitig Coolste, was ich je gemacht hatte: so eine große Erleichterung nach einem ganzen Monat der Anspannung, Konzentration und Vorbereitung. Ich habe buchstäblich geschrien im Auto.“
Mit einer Zeit von 11 Minuten und 36 Sekunden wurde Mead später zur besten Nachwuchsfahrerin („Rookie of the Year“) gekrönt – dies gab ihrem Selbstvertrauen für eine Rückkehr in den Rennsport einen kräftigen Schub. „Das Leben ist kurz“, sagt Mead. „Mit 61 bin ich ganz bestimmt noch nicht fertig. Dieses Jahr werde ich wieder mit PCA Rennen fahren, und auch beim Pikes Peak werde ich wieder an den Start gehen. Pläne für die Zukunft zu schmieden, gehört nicht zu meinen Stärken, aber darin bin ich mir sicher.“