Er ist ein Porsche, der als Klassiker gerade erst so richtig durchstartet und noch bezahlbar ist: der 944. Doch auch hier bewegen sich die Preise nach oben, weil sich etwas in der Wahrnehmung der Menschen verändert hat: Alle Transaxle-Modelle – diese coolen Glaskuppel-Sportwagen der Baureihen 924, 944, 968 und 928 mit ihren irre langen Motorhauben und den Klappscheinwerfern – treffen heute mehr denn je den Zeitgeist. Sie sind stilvoll, sympathisch, fast schon exotisch. Fakt ist: Ein guter 944 fällt im Straßenbild des Jahres 2020 mitunter mehr auf als einer der vielen 911.
Der Porsche 944 S2 ist ein 240 km/h schneller Sportwagen. Dank der Transaxle-Architektur – Motor vorn, Getriebe hinten – kennzeichnet ihn eine ideale Gewichtsverteilung. Folge: ein optimales Fahrverhalten.
Unter den diversen 944-Modellen ist der 944 S2 eine Art Geheimtipp und aus diversen Gründen eine Versuchung wert. Erstens: Es gibt ihn recht selten; zwischen 1988 und 1991 entstanden weniger als 9.400 Coupés und keine 7.000 Cabrios – verteilt über alle Kontinente. Besonders selten sind späte Modelle mit Frontairbags. Zweitens: Technisch ist der 944 S2 eine Delikatesse, da sein 211 PS starker 3,0-Liter-Motor als hubraumstärkster Pkw-Vierzylinder Automobilgeschichte schrieb. Bei 4.100 U/min stehen hier 280 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung. Der 3,0-Liter-Vierventil-Sauger bietet zudem eine bessere Anfahrperformance als der 2,5-Liter-Zweiventil-Turbo, da der aufgeladene Motor erst einmal Drehzahl braucht, um sich aus dem Turboloch zu ziehen.
Drittens: Das Preisgefüge ist spannend, da für unter 30.000 bis rund 45.000 Euro sehr gute Fahrzeuge im Zustand 2 und besser zu bekommen sind. Wer sich für ein nicht restauriertes Modell entscheidet, kann noch günstiger einsteigen, um sich dann Euro für Euro im Rahmen einer Teilrestauration nach oben zu arbeiten. Und genau das hat PORSCHE KLASSIK mit dem hier gezeigten Porsche 944 S2 des Baujahres 1991 real in der Praxis durchgespielt. Einstiegspreis: 18.500 Euro.
Gesucht hatten wir bewusst nach einem 944 S2 des letzten Baujahres 1991. Airbags sollte er haben, da Sicherheit auch im Klassiker eine Rolle spielen darf; außerdem gibt es bei den Airbag-Armaturen so gut wie nie Risse im Kunststoff. Das Airbag-Lenkrad selbst teilt sich der 944 S2 (ab Februar 1991 serienmäßig) mit dem 964, 928 S4 (optional), 928 GTS und 968 (CS ebenfalls optional). Puristen mag es egal sein, doch verleiht das schwerere Airbag-Lenkrad dem 944 S2 ein anderes, solideres Lenkgefühl als die dünnen Vierspeichen-Volants, die noch aus der 924- und 911-G-Modell-Ära stammen. Zwingend waren zudem eine Klimaanlage und das Targa-Dach.
Jeder, der schon mal einen Transaxle-Vierzylinder-Porsche ohne Klimaanlage gefahren ist, weiß, dass die bei sommerlichen Temperaturen zum Treibhaus werden. Das hochgestellte Targa-Dach allein bringt da übrigens nur bedingt Linderung. Und doch ist es ein tolles Feature, da es sich herausnehmen lässt; bis weit in den Herbst hinein kommen so beim Cruisen über Landstraßen Licht und frische Luft an Bord. Ebenfalls ein Muss: eine durchgängige Historie, nicht zu viele Vorbesitzer und garantierte Unfallfreiheit. Eher sekundär beim 944 S2: die Laufleistung. Denn die Motoren sind generell langlebig; viele 944 wurden zudem, anders als die 911er jener Zeit, als kilometerfressende Business-Sportwagen eingesetzt. Unsere Wahl fiel auf ein im Januar 1991 auf die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG in Stuttgart zugelassenes Fahrzeug in „Cobaltblaumetallic“ – jene Farbe, die den 944 S2 auch auf den damaligen Werbe- und Pressebildern hervorragend einkleidete.
Nach nahezu 30 Jahren ist es völlig okay, einen Wagen neu lackieren zu lassen. Eine Bedingung gibt es: Die Arbeit muss perfekt ausgeführt werden. Ohne Demontage geht das nicht.
Der 944 S2 blieb mit dem Kennzeichen „S – KV 6230“ drei Jahre ein Werkswagen. Danach kreuzte er mit seinen nächsten Besitzern durch das Ruhrgebiet, wo er einmal noch innerhalb der Eigentümerfamilie umgemeldet wurde. Dritte Station vor dem Verkauf an uns: zehn Jahre beim letzten Halter in Ostfriesland. Dort kam der Sportwagen zur Ruhe und wurde über das gesamte Jahrzehnt nur runde 10.000 Kilometer bewegt. Was uns ebenfalls reizte und zugreifen ließ: Dieser 944 S2 trug innen kein Leder, sondern den „Multicolor-Stoff“ der heute rar gewordenen Ganzstoffsitzanlage.
Weitere Besonderheiten waren das Original Gewindefahrwerk (M 030, wie im 944 Turbo) und ein ebenfalls originales Soundsystem: das Blaupunkt-Radio „Symphony“ samt Zusatzverstärker mit integriertem Blaupunkt-Equalizer plus Klangpaket sowie das daran angeschlossene und voll funktionsfähige Bosch-Autotelefon im Kofferraum mit Bedienteil im Cockpit. Der Tipp an dieser Stelle: Etwas mehr Zeit für die Suche aufwenden, um wie hier einen Wagen mit besonderer Ausstattung zu ergattern. Diverse Rechnungen der jüngeren Zeit zeigten uns, dass der Vorbesitzer die Technik (bis hin zum Zahnriemenwechsel) vernünftig in Schuss gehalten hatte.
Defekt war allein die Klimaanlage, die nach fast drei Jahrzehnten kein Kältemittel mehr im System hatte. Gleichwohl bot dieser 944 2S eine vernünftige, ideale und spannende Ausgangsbasis, um ihn langsam vom Gebrauchtwagen in einen nahezu neuwertigen Klassiker zu verwandeln. Das Erste, was der Porsche routinemäßig erhielt, waren neue Continental-Reifen (650 Euro inkl. Montage), ein Ölwechsel und der offizielle 33-Punkte-Check im Porsche Zentrum Oldenburg, um die Porsche Classic-Card zu erhalten. Ergebnis des Checks: technisch top – bis auf die besagte Klimaanlage.
Sehr offensichtlich waren die optischen Mängel des 944 S2. Außen hatten jahrzehntelange Reisen über deutsche Autobahnen an unzähligen Stellen den Lack zerschossen. Die seit der Erstauslieferung montierten „Design 90“-Gussräder waren nicht gut nachlackiert. Innen zeigte sich der Stoff auf dem Fahrer- und Beifahrersitz verschlissen; zudem waren das Leder am Lenkrad und am Schaltknauf unansehnlich geworden. Durch UV-Strahlung zerbröselt war die Persenning über dem Kofferraum. Doch genau hier fing der Spaß des Restaurierens und Ersetzens von Altteilen an – Lego bauen für große Jungs. Denn wenn die technische Basis prima ist, lohnt sich jeder Cent, den man in solch einen 944 S2 investiert.
Erstes Porsche-Neuteil: der Lederschaltknauf (243,42 Euro). Dann ging es parallel innen und außen weiter. Bei werk924.com wurden wir für den Sitzstoff fündig (587,90 Euro, für alle Sitze). Die alteingesessene Oldenburger Sattlerei Mönnich tauschte die Schaumstoffe der Vordersitze aus und bezog sie mit dem neuen „Multicolor-Stoff“ („Klassikgrau“); da das Lenkrad nicht mehr als Neuteil lieferbar ist, wurde es mit neuem Leder bezogen (Sattler gesamt: 3.100 Euro).
Gleichzeitig wurde der Wagen für die Lackierung vorbereitet: Dazu gehört das Entfernen aller kleinen Beulen, damit nirgendwo gespachtelt werden musste, sowie die komplette Demontage aller Anbauteile, Türen und Hauben inklusive Tankdeckel. Das besorgte der behutsame Karosseriebauer des Autohauses Hansa im norddeutschen Rastede in tagelanger Kleinarbeit zum Freundschaftspreis (1.335 Euro). Was folgte, war die fotografisch komplett dokumentierte Lackierung. Denn hier lässt sich belegen, dass der neue Farbauftrag aus rein optischen Gründen erfolgte und die Arbeiten perfekt ausgeführt wurden. Das originale „Cobaltblaumetallic“ trug die wie der Autor ebenfalls in Rastede beheimatete Autolackiererei Jens Karsch auf (2.618 Euro). Die Zusammenarbeit mit lokalen Spezialisten ist überall möglich und eine wichtige Grundlage, damit die Kosten und die Qualität stimmen.
Beispiel Demontage und Montage vor und nach dem Lackieren: Fast jeder Autofahrer hat eine Werkstatt seines Vertrauens im Umfeld – einfach mal fragen, was zu einem Pauschalpreis möglich ist. Denn oftmals hilft die gemeinsame Leidenschaft für klassische Automobile, um die Kosten im Rahmen zu halten. Ausgetauscht wurden bei diesem 944 S2 im Zuge der Montage nach dem Lackieren auch sämtliche Gummidichtungen der Karosserie. Ein regionaler Spezialist, der Ammerländer Polier Service (APS), entlackte die Original-Felgen und versetzte sie per Pulverbeschichtung wieder in den Neuzustand. Die Reparatur der Kimaanlage samt neuem Kompressor und FCKW-freiem Kältemittel kostete 1.500 Euro. Am Ende flossen inklusive Kaufpreis und Ersatz von Verschleißteilen wie dem Endtopf der Abgasanlage 33.000 Euro in den 944 S2. Doch das ist der Youngtimer im Zustand 2+ auch wert. 2021 wird er zum Oldtimer und deshalb mit einem H-Kennzeichen geadelt.
Technische Daten des Porsche 944 S2
Motor: Vierzylinder-16V-Reihenmotor, wassergekühlt
Hubraum: 2.990 cm³
Gemischbildung: Digitale Motorelektronik, Schubabschaltung, Leerlaufregelung, K-Jetronic
Maximale Leistung: 211 PS bei 5.800 U/min
Maximales Drehmoment: 280 Nm bei 4.100 U/min (1990)
0–100 km/h: 7,1 s
Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h
Info
Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik, Nr. 16.
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