Das bleibt so. Die rostrote Fronthaube, deren verwitterter Lack einstmals in Signalfarbe leuchtete. Die abgewetzte Sitzschale, deren Stoff nur noch in Spuren die einstige Beflockung erahnen lässt. Der zahnlose Zahnriemen, dessen Drahtgerippe sich hilflos über den Antrieb der Einspritzpumpe spannt. Das bleibt so, weil es authentisch ist. Und genau das ist die Botschaft des 910/8 Bergspyder. Authentizität. Originalität. Angehaltene Zeit.
„Diesen Zustand tasten wir nicht an“, sagt Alexander Klein, Leiter Fahrzeugmanagement im Porsche Museum. „Denn jeder Eingriff wäre eine Zerstörung dieser absoluten Originalität.“ Das schließt jegliche Funktion mit ein. Der Motor muss nicht mehr laufen, der Rennwagen nicht mehr fahren. „Wir entkoppeln seinen Status von der Fahrbereitschaft,“ formuliert Alexander Klein. „Der Bergspyder hat sein Soll erfüllt. Er hat bewiesen dass er fahren kann. Und gewinnen.“
Konservieren statt restaurieren
Konservieren statt restaurieren. Ein nicht alltägliches Projekt: Erstmals will das Porsche Museum einen Klassiker in der Öffentlichkeit zeigen, der seit seiner aktiven Zeit komplett, aber auch unverändert erhalten blieb. Eine Rarität: Nur drei Rennfahrzeuge in der rund 640 Porsche umfassenden Schatzkammer des Museums sind seit dem Ende ihres Einsatzes unberührt. „Die Einstellung zu klassischen Fahrzeugen und zum Umgang damit hat sich in den vergangenen zehn Jahren deutlich gewandelt,“ erklärt Achim Stejskal, Leiter der Porsche Museums. „Es steht nicht mehr nur die Restaurierung und Zurückführung in den ursprünglichen Neuzustand im Vordergrund.“
Zunehmend rückt auch der klassische Aspekt der Erhaltung von Kulturgütern in das Bewusstsein der Automobilhistoriker. Es ist die Philosophie, wie sie in der "Charta von Turin" festgeschrieben steht. So heißt die internationale Vereinbarung, die seit 2012 die Richtlinien für die Konservierung und Restaurierung von Fahrzeugen vorgibt. Sie präzisiert: "Konservierung umfasst alle Eingriffe, die das Fahrzeug oder Objekt sichern und seiner Stabilisierung dienen, ohne den Bestand zu verändern und ohne seinen historischen oder materiellen Zeugniswert in irgendeiner Weise zu gefährden. Es wird damit also ausschließlich der weitere Verfall verhindert oder zumindest aufgehalten.“
Der 910/8 Bergspyder schlummert seit 1967
„Wir denken schon lange über solch ein Projekt nach“, erklärt Alexander Klein. Jetzt ist die Zeit dafür reif. Der 910/8 Bergspyder bringt die idealen Voraussetzungen mit sich. 1967 fuhr er zum letzten Mal über die Ziellinie. Bremsflüssigkeit, Benzin und Öl wurden abgelassen, die Batterie ausgebaut und schließlich wurde er in den Fundus überführt. Dort schlummerte der Rennwagen seither, nur ab und zu auf einen neuen Standplatz geschoben. Den Ruhm nahm er immer mit. Der 910 031 war der Lieblings-Dienstwagen von Gerhard Mitter, der damit 1967 die damals populäre europäische Bergmeisterschaft gewann. Der Bergspyder ist bis heute ein Paradebeispiel für die Synthese von Leistung und Leichtbau. Porsche-typisch; ebenfalls bis heute.
Das Renntagebuch notiert Samstag den 13. Mai 1967 als Tag der Fertigstellung. Vor der Hinterachse sitzt ein Achtzylinder-Boxermotor mit Einspritzung und einer Leistung von 202 kW (275 PS). Konventionelle Materialien wurden durch Titan, Magnesium, Aluminium und Kunststoff ersetzt. Der Kraftstoffbehälter besteht aus Elektron und fasst 26 Liter. Später wechseln die Renningenieure auf einen Aluminiumtank. Eine Lichtmaschine fehlt, der Strom für die transistorgesteuerte Doppelzündung kommt aus einer Silberbatterie. Sie speist auch Hupe und Blinker, ein Zugeständnis an die mögliche Zulassung für den Straßenverkehr. Unter der Glasfaser-Außenhaut befindet sich ein Stahl-Gitterrohrrahmen. Das Fahrwerk entspricht dem damaligen Stand der Formel 1, wobei die 13-Zoll großen Magnesiumräder für die kurzen Bergsprints extrem leicht ausgelegt waren. An der Vorderachse verringern zwei Schraubenfedern das Gewicht.
Verkleidung, Hauben und Boden bestehen aus hauchdünnem glasfaserverstärktem Kunststoff. Fast über die gesamte Heckbreite spannt sich ein integrierter Spoiler. Über Scharniere befestigt und mit drei Lochblechstreifen arretiert lässt er sich je nach Rennstrecke verstellen. Aerodynamik und Anpressdruck können die entscheidenden Zehntelsekunden bedeuten. Weniger als 450 Kilogramm bringt der 910/8 Bergspyder auf die Waage. In rund drei Sekunden erreicht der Porsche aus dem Stand 100 km/h.
Eine Woche nach seiner Fertigstellung stand der 910 031 beim Eröffnungsrennen am spanischen Montseny am Start. Als Gerhard Mitter mit der Startnummer 86 das Rennen beendete, hatte er die gesamte internationale Konkurrenz hinter sich gelassen. Nach gerade mal 200 Kilometern schon der erste Sieg für den nagelneuen Bergspyder. Drei weitere Siege und vordere Plätze bei den insgesamt acht Rennen summierten sich zum Gesamtsieg der europäischen Bergmeisterschaften 1967.
Alterserscheinungen aufhalten, ohne in die Grundsubstanz einzugreifen
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere ging der 910 031 am 3. Oktober 1967 nach dem Gaisbergrennen in Österreich mit der Startnummer 1 in Ruhestand. Ein Dornröschenschlaf ohne Verschleiß, aber nicht ohne Alterserscheinungen. Die gilt es jetzt so gut wie möglich aufzuhalten. Ohne in die Grundsubstanz einzugreifen. Eine Aufgabe für einen Spezialisten: Dr. Gundula Tutt, Konservatorin und ausgewiesene Expertin für Werkstoffe und Lackierungen. „In ihr haben wir die Idealbesetzung gesucht und gefunden“, freut sich Kuno Werner, Leiter der Museumswerkstatt. Dort, noch im Blickfeld der Museumsbesucher, begutachtet und konserviert Gundula Tutt den Bergspyder. Von außen und innen. Kein leichter, kein schneller Job. Eine Woche Arbeit beginnt mit dem Reinigen. Schon eine Wissenschaft für sich: Staub und Schmutz müssen weg, darunter kann sich Korrosion bilden. Aber die Substanz darf dabei nicht angegriffen werden. Und die ist vielfältig, wie der Werkstoffmix des 910/8 zeigt. „Wir benutzen einen feuchten Luftstrahl und Pinsel“ erklärt die Expertin. Das Wasser verdunstet schnell und keines der Materialien reagiert. Antrieb und Fahrwerk, Karosserie und Interieur werden Handbreit um Handbreit gesäubert.
Das aufgeklebte Porsche-Wappen am Bug hat sich etwas gelöst. Mit Wärme, ruhiger Hand und einem reversiblen Klebstoff befestigt die Wissenschaftlerin das Wappen wieder. Unsichtbar, versteht sich. Eine der wenigen restaurierenden Eingriffe, die Gundula Tutt vornimmt. Das Klebeband auf der Rückseite des Sitzes, das den Rand des Bezuges abdeckt, hält ebenfalls nicht mehr. Auch dieser Streifen kommt mit Hilfe moderner und reversibler Klebetechnik wieder an Ort und Stelle. Mit einem umgebauten Lötkolben werden abstehende Lackteilchen erhitzt und behutsam wieder an die Karosserie angedrückt. Niemand kennt sich besser mit den alten Lacken und Beschichtungen aus als die Diplomrestauratorin. Sie hat sich auf die Oberflächen klassischer Automobile spezialisiert. Hat in zweijähriger Forschung Verfahren entwickelt, wie man Nitrolacke oder solche auf Kunstharzbasis reparieren und restaurieren kann. Und hat dafür einen Doktortitel von der Kunstakademie in Stuttgart bekommen. „Auch das“ sagt die Mitautorin der Charta von Turin „ist eine Behandlung von Kulturgut“.
Nicht für die Ewigkeit gemacht
Wenn alles sauber, ist erhalten die mechanischen Teile eine Behandlung mit Waffenöl. Lack und Kunststoff-Karosserie konserviert eine Wachsschicht. Nichts an einem Rennwagen von 1967 ist für die Ewigkeit gemacht. „Alle Substanzen, die ich verwende, lassen sich wieder entfernen“, das ist Gundula Tutt wichtig. Heute soll der 910 031 in dem Zustand konserviert werden, wie er 1967 in den Transporter geschoben wurde. „Aber wer weiß“, sagt sie, „ob man in Zukunft vielleicht doch irgendwann dieses Auto wieder zum Fahren bringen will.“ Manch einer wird diesen Wunsch haben, wenn er den Bergspyder bei seinem ersten Auftritt seit 52 Jahren auf der Stuttgarter Retro Classic zu sehen bekommt. „Später“, verspricht Museumschef Achim Stejskal, „werden wir ihn wohl auch einmal im Museum ausstellen.“ Später. Der 910/8 ist ja jetzt konserviert.