Manchmal gibt es Autos, die gibt es eigentlich gar nicht. Oder es sollte sie nicht geben. So rein offiziell. Wenn es sie dann aber doch gibt, dann steckt zumeist etwas Ungewöhnliches, Geheimnisvolles dahinter. Eine besondere Geschichte, die erzählt werden will. So wie die jenes weinroten 911 Coupés, das ganz unaufgeregt im Showroom von Michael Eiden in Osburg bei Trier steht, obwohl es mal ein Geheimnisträger war, und in der plötzlich Protagonisten die Bühne betreten, die Fixsterne sind im Kosmos Porsche: Ferdinand Piëch und Hans Mezger.
„Der Vorbesitzer ist schier verzweifelt”, berichtet Eiden von seinem 1968er 911 S. „Er hatte die Karosserie des Autos restaurieren lassen und dabei auch die Seitenbleche durch entsprechende Ersatzteile ersetzt. Doch beim Zusammenbau wollte nichts mehr zusammenpassen – es war wie verhext.”
Der Porsche-Experte aus dem Hunsrück nahm sich des kuriosen Falls an und begann zu recherchieren. Dass es sich bei diesem Elfer um kein gewöhnliches Auto handelte, machte ihm bereits der Blick in den Fahrzeugbrief klar: Die Identifikationsnummer folgte nicht dem gängigen Schema. Und nach der Erstzulassung am 31. Mai 1968 auf die Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG kam der ungewöhnliche Zweitbesitzer hinzu: Von 1969 bis 1972 gehörte der Wagen Hans Mezger – jenem „Motoren-Papst”, der in diesem Zeitraum, in dem er am Steuer des geheimnisvollen 911 zur Arbeit fuhr, zu den Weichenstellern für den Aufstieg von Porsche gehörte.
Vermutlich ist Mezger 1970 als Motorsport- Chef mit diesem Auto auch nach Le Mans gereist, wo der von ihm konstruierte Porsche 917 beim 24-Stunden- Rennen startete. Auf dem Rückweg war es das Auto eines Le-Mans-Siegers. Und als sich der Schwabe von dem 911 wieder trennte, läutete sein 1.000 PS starker 917/10 TC in der amerikanischen CanAm-Serie dank Turbo-Aufladung gerade eine neue Ära für Renn- und Straßenwagen ein. 1975 ging diese Technik an Bord des epochalen 911 Turbo in Serie.
Der Turbomotor blieb für die Karriere von Hans Mezger prägend, die ihren Gipfel zwischen 1984 und 1986 erreichte, als sein 1,5-Liter-V6 – der sogenannte TAGPorsche – die McLaren-Piloten Niki Lauda und Alain Prost zu drei Formel-1-Weltmeistertiteln katapultierte.
Weniger bekannt ist: Auch für den Motor des 911 spielte Mezger eine maßgebliche Rolle. Der junge Maschinenbau-Ingenieur war 1956 zu Porsche gekommen und hatte sich in der Rennabteilung um den 1,5 Liter großen Formel-1-Achtzylinder gekümmert. 1962 endete das Projekt – wohl auch, weil es woanders im Unternehmen lichterloh brannte: Der ursprünglich für den 356-Nachfolger geplante „Unterflurmotor” hatte sich als Fehlkonstruktion entpuppt. Der Serienanlauf des 911 stand ernsthaft in Gefahr und damit auch die für Porsche so wichtige neue Einnahmequelle. Die Entwicklung des noch „901” genannten Modells hatte viel Geld verschlungen.
„Es gab noch viel zu tun, als ich im Januar 1963 dazukam “, erinnert sich Mezger. Wichtigste Maßnahme war die Neugestaltung des Ventilantriebs: Die zuvor zentral positionierten Nockenwellen wanderten in die Zylinderköpfe des 2,0 Liter großen Sechszylinder-Boxers, der – so wie der Formel-1-V8 – auch eine achtfach gelagerte Kurbelwelle erhielt und damit höhere Drehzahlen besser vertrug. Denn von vornherein stand fest: Die Maschine des 911 sollte auch für den Renneinsatz taugen.
Seine Erfahrung mit dem Grand-Prix-Motor brachte Mezger zudem in das Layout der halbkugelförmigen Brennräume ein. „Immer wenn wir den Winkel der Ventile geringer gestalteten, traten zwei Dinge ein: Die Leistung stieg, und der Verbrauch sank”, so das Technikgenie. Lange tüftelten die Ingenieure am Reißbrett, dann legten sie sich fest: 27 Grad zur Vertikalen für das Einlass- und 33 Grad für das Auslassventil – eine perfekte Entscheidung, bei der es bis zum Ende des luftgekühlten Boxers blieb.
„Der Eintrag ›Hans Mezger‹ im Fahrzeugbrief hat mich auf die richtige Spur gebracht”, verrät Michael Eiden mit Blick auf seinen weinroten 911. Und tatsächlich ergaben seine Nachforschungen: Obwohl Baujahr 1968, trägt das Coupé viele Komponenten der umfangreichen Modellpflege, die 1969 eingeführt wurde, so etwa die mechanische Kraftstoffeinspritzung, eine Transistorzündung und innenbelüftete Bremsen sowie den um 57 auf 2.268 Millimeter verlängerten Radstand und vieles mehr. „Darum passten nach der Restaurierung die 68er Karosserie-Ersatzbleche auch nicht zum Fahrwerk”, löst Eiden das Rätsel auf. Der entscheidende Tipp kam von Hans Mezger persönlich: Bevor er es erwarb, hatte das Vorserienfahrzeug wohl zur Freigabe der neuen Spezifikationen gedient – als Dienstwagen von Ferdinand Piëch, dem damaligen Entwicklungschef von Porsche.
Technische Daten
Motor: Sechszylinder-Boxer
Hubraum: 1.991 cm³
Gemischaufbereitung: mechan. Kraftstoffeinspritzung
Zündung: Transistorzündung
Maximale Leistung: 170 PS bei 6.800/min
Radstand: 2.268 mm
Höchstgeschwindigkeit: ca. 225 km/h
Info
Text erstmalig erschienen im Magazin Porsche Klassik „Sonderausgabe 70 Jahre Porsche Sportwagen".
Text Klaus-Achim Peitzmeier // Foto Markus Bolsinger
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