Das Gespräch befindet sich noch in der Startphase, da hat die Physikstunde schon längst begonnen. Hans Mezger und Thomas Krickelberg schlendern durch das Porsche-Museum Richtung Motorengalerie. Plötzlich ein abrupter Stopp. Die beiden beugen sich über einen Schaukasten. Erklärt wird darin die Variable Turbinen-Geometrie, ein entscheidender Bestandteil des aktuellen Turbo-Motors. „An der habe ich gearbeitet“, sagt Krickelberg mit zurückhaltendem Stolz. „Und, was haben wir da jetzt an PS?“, fragt Mezger sofort. Damit ist klar: Es geht immer ums Leistungsprinzip, wenn sich Motorenmänner treffen. Die beiden Ingenieure aus zwei Epochen tauchen für ein paar Minuten ab in ihre eigene Welt. Instinktiv haben sie sich die perfekte Stelle für die spontane Fachsimpelei ausgesucht. Über ihnen steht in großen Lettern „Stark“ an der Wand.

Thomas Krickelberg, Projektleiter Antrieb beim Porsche 911, Hans Mezger, ehemaliger Chef der Motorsportabteilung, l.-r., Porsche AG
Zwei Generationen, eine Leidenschaft: Thomas Krickelberg (links) und Hans Mezger

Einen Lebensinhalt und ein großes Stück Firmenphilosophie zu beschreiben, das geht bei Porsche in fünf Buchstaben: Turbo! Es ist der Kraft-Ausdruck höchster Ingenieurskunst. Das Triebwerk, das bis heute jede 911-Baureihe und mittlerweile auch Cayenne und Panamera krönt. Ganz korrekt heißt es ja Abgasturbolader, weil die Abgase als Energiequelle zum Antrieb eines Turbinenrades genutzt werden, welches über eine Welle mit einem Verdichterrad verbunden ist. Dieses wiederum presst Luft in den Brennraum, sodass das maximale Drehmoment und die maximale Leistung gesteigert werden können – ohne dass das Aggregat vergrößert werden muss. Aber Turbo, das ist gebräuchlicher und entspricht auch dem Schriftzug auf dem Heck der Sportwagen. Der aktuelle 911 Turbo, der gerade auf den Markt kommt, bringt es als Sechszylinder-Boxer mit doppelter Turboaufladung in der S-Version auf 412 kW (560 PS) (Kraftstoffverbrauch/Emissionen* kombiniert 9,7 l/100 km; CO₂-Emission: 227 g/km). Krickelberg kann die Zahl auswendig, Mezger nickt zufrieden angesichts dieser enormen Kraft.

Nur ein paar Schritte weiter hat jenes Aggregat seinen Ehrenplatz, das Porsches Turbo-Ruhm in die Welt des Motorsports getragen hat – der TAG-Turbo, mit dem McLaren dreimal die Formel-1-Weltmeisterschaft gewonnen hat. Made by Porsche, erdacht von Mezger. Langsam wird klar, warum der Mann  „Motorenpapst“ genannt wird. Für den 50-jährigen Thomas Krickelberg war er der erste Chef, den er Anfang der neunziger Jahre in Weissach hatte. Die Erinnerung ist noch präsent: „Mir hat imponiert, wie er damals in der Konstruktionsabteilung von Zeichenbrett zu Zeichenbrett ging, um mit den Ingenieuren immer den aktuellsten Entwicklungsstand zu diskutieren“, erzählt Krickelberg. Damals arbeiteten 60 Mann im Motorenversuch, das ganze Entwicklungszentrum umfasste 1700 Mitarbeiter. Heute besteht die Motorenentwicklung aus mehr als 500 Mitarbeitern, Weissach beschäftigt insgesamt rund 5000 Menschen. Hans Mezger hat 1956 im „technischen Berechnungsbüro“ in Zuffenhausen angefangen, einen Job bei Porsche Diesel hatte er dankend abgelehnt – das Sportwagentempo lag ihm näher. Über den Motorenversuch kam er 1963 in die Motorsportabteilung, die er zwei Jahre später übernahm. Thomas Krickelberg war da gerade geboren, stellte im Rheinland aber schon bald seine erste persönliche Beziehung zu den Sportwagen aus Zuffenhausen her: Zur Einschulung gab es ein Kinder-Sparbuch mit einem Guthaben in Höhe von fünf Mark – Krickelberg wählte dafür das Passwort „Porsche“. Geschärft wurde sein Berufswunsch dann noch mit Besuchen auf dem nahen Nürburgring.

Der Drang der Ingenieure nach dem Mehr ist nicht zu stoppen

Die Erfindung namens Porsche Turbo schlägt den Bogen über die Generationen. Sie ist mit Stärke verbunden, aber auch mit Selbstbewusstsein. Denn als der 911 Turbo im Herbst des Jahres 1973 – noch im Prototypenstadium – zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt wird, steckt Deutschland tief in einer Energiekrise. Da liegt die Frage nahe, wer sich scheinbar unzeitgemäße 260 PS für 65 800 Mark überhaupt leisten will. Doch der Drang der Ingenieure nach dem Mehr ist nicht zu stoppen, und der Mut, den ein Sportwagenhersteller in seiner DNA trägt, zahlt sich auch für das Unternehmen aus: Der Porsche Turbo wird zum Serienhelden, gar zu einem Synonym. Wer Turbo sagt, meint in der Regel Porsche – und umgekehrt.

So gesehen ist eine der ersten Schlagzeilen von damals noch heute eine Art Kompliment: „Wahnsinn auf Rädern“. Dabei sind Hans Mezger und Thomas Krickelberg von Berufs wegen Männer der Vernunft. Sie stehen für die Wucht der Idee, für Optimierung in jeder Hinsicht. War es früher, vor allem im Rennsport, die schiere Leistung, geht es heute, gerade in der Serie, auch um den Verbrauch. Und beide schwören sie dabei auf das Prinzip der Aufladung. Nicht der Formel-1-Motor, von dem Hans Mezger zum Abschied von Porsche im Jahr 1994 eine Kopie bekommen hat, ist das stärkste Aggregat, das er gebaut hat. Sondern jener Kraftprotz für den 917 in der nordamerikanischen Can-Am-Serie, der es in den Siebzigern auf sagenumwobene 1200 PS gebracht hat. Der Rennwagen war so überlegen, dass die Porsche-Idee schon im Jahr darauf durch das Reglement eingebremst wurde. 

Leistungsentwicklung, 911 Turbo, 1970 bis 2013, 2014, Porsche AG
Leistungsentwicklung des 911 Turbo

Der Wettlauf mit den Wettbewerbshütern macht Ingenieure kreativ und hält sie frisch. Deshalb sieht Mezger den Motorsport immer noch als die beste Schule – und als die aktuelle Formel 1 jüngst die Rückkehr zu den Turbo-Motoren beschlossen hatte, fragten die Techniker bei dem rüstigen 83-Jährigen in Freiberg am Neckar nach. Beim Rundgang durch das Porsche-Museum kann er sich immer noch und immer wieder für die vielen Details begeistern, die die Historie der Firma bereithält, für die er fast 40 Jahre gearbeitet hat. Im Porsche-Museum wird der Mann, dessen Beitrag zum Unternehmenserfolg der Vorstand von Porsche einmal als „unermesslich“ bezeichnet hat, trotz seiner obligatorischen Ray-Ban-Pilotenbrille von vielen Besuchern erkannt. 

Thomas Krickelberg bekommt ebenfalls immer wieder leuchtende Augen, wenn er sieht, was die Sportwagenbauer schon damals aus ihren Möglichkeiten gemacht haben. Überzeugungen, die der Ingenieur gerne teilt. Gerade beim Turbo-Motor, bei dem der Ladedruck orkanartig die Luft in die Brennräume presst, bedeutet die Herkunft für Porsche prinzipiell auch Zukunft. „Wir bewahren technische Traditionen und geben sie weiter“, sagt der leidenschaftliche Techniker und stellt gleich klar: „Nicht, weil wir die Asche vergöttern, sondern um die Flamme weiter brennen zu lassen“. Der Elfer und gerade der Turbo seien doch die besten Beispiele dafür, wie sich Ideen in die Zukunft transportieren lassen, betont Krickelberg. „Man nehme nur das aktuelle Downsizing: Das Prinzip, mit kleinem Hubraum hohe Leistungen zu erreichen, gibt es bei Porsche schon seit 40 Jahren. Das ist Turbotechnik für den Alltag. Wir steigern uns förmlich in niedrige Emissionswerte hinein.“

Der Kern der Turbo-Botschaft: „Viel Vergnügen, viel Leistung“

Merksatz: „Überzeugungen bleiben, man muss sie nur leben.“ Mezger, der schon am einzigen reinen Porsche-Formel-1-Sieg 1962 beteiligt war und im Rahmen eines technischen Feuerwehr-Einsatzes auch dem luftgekühlten Motor des Ur-Elfers seinen Schliff gab, stimmt bedenkenlos zu. Er spricht von der „elegantesten und effizientesten Art der Aufladung“. Im Kanon beschreiben die beiden, inzwischen vor einem schwarzen 911 Turbo 3.3 von 1989 angekommen, den Kern der Turbo-Botschaft: „Viel Vergnügen, viel Leistung“.

Die Turbo-Idee von Porsche galt plötzlich als schick und prägte eine Epoche. Doch die Lösung aus Weissach und Zuffenhausen setzte sich auf der Straße und der Rennstrecke vor allem deshalb gegen die Wettbewerber durch, weil es den Technikern gelang, die enorme Leistung „fahrbar“ zu machen. Auch bei den Serienfahrzeugen wurde das gefürchtete „Turboloch“ schnell ins Reich der Legenden geschickt, nachdem die Techniker um Mezger zahlreiche Regelsysteme vorschoben. Den entscheidenden Schritt markierte das sogenannte Bypass-System. Dabei wird bei Erreichen des erforderlichen Ladedruckes ein Teil des Abgasstromes an der Turbine vorbeigeleitet. Hans Mezger kennt noch alle Einzelheiten, Ideen für den technischen Durchbruch sind eben unvergänglich. Sie sind der Treibstoff der Ingenieure – ob sie nun wie früher am Zeichenbrett entstanden oder heute am Computer entworfen werden.

Häufig, da sind sich Thomas Krickelberg und Hans Mezger einig, tun es auch Skizzen auf einem Zettel, um den Durchbruch zu schaffen – weil sich solche Einfälle partout nicht an feste Arbeitszeiten halten wollen.

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Verbrauchsangaben

911 Carrera S

WLTP*
  • 11,1 – 10,1 l/100 km
  • 251 – 229 g/km
  • G Klasse

911 Carrera S

Kraftstoffverbrauch* / Emissionen*
Kraftstoffverbrauch* kombiniert (WLTP) 11,1 – 10,1 l/100 km
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 251 – 229 g/km
CO₂-Klasse G

911 GT3 RS

WLTP*
  • 13,4 l/100 km
  • 305 g/km
  • G Klasse

911 GT3 RS

Kraftstoffverbrauch* / Emissionen*
Kraftstoffverbrauch* kombiniert (WLTP) 13,4 l/100 km
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 305 g/km
CO₂-Klasse G