Herr Reimold, was bedeutet für Sie der Start des ersten Elektrosportwagens von Porsche?

Mit dem Taycan schlagen wir ein neues Kapitel auf. Porsche hat sich bewusst dafür entschieden, diese neue Ikone im Stammwerk Zuffenhausen – Herz und Heimat der Marke – zu produzieren. Der Taycan ist etwas ganz Besonderes: Leistung, Reichweite, die innovative 800-Volt-Technologie für kürzeste Ladezeiten und das gesamte Fahrzeugkonzept sind einzigartig. Er ist ein reinrassiger Sportwagen, zugleich alltagstauglich – ein typischer Porsche. Bereits jetzt haben sich mehr als 30.000 ernsthaft e Kaufinteressenten aus aller Welt bei Porsche angemeldet – ohne das Auto je zu Gesicht bekommen zu haben. Das ist überwältigend. Was da passiert, liegt deutlich über dem, was wir erwarten konnten.

Der Taycan gilt als das anspruchsvollste Projekt, das Porsche je in Angriff genommen hat. In Zuffenhausen entstand ein komplett neues Werk. Rund eine Milliarde Euro hat Porsche dafür investiert.

Ja, denn der Taycan ist für uns sehr wichtig. Man muss sich nur das enorme Tempo vor Augen führen, mit dem wir das Projekt realisieren: Im September 2015 haben wir die Studie Mission E auf der IAA in Frankfurt vorgestellt. Im November erfolgte bereits der Spatenstich für den neuen Karosseriebau, in dem wir schon jetzt auch die Karosserie des aktuellen 911 fertigen. Sechs Monate später haben wir begonnen, das Baufeld für die neue Montage zu räumen. Parallel dazu wurden die Produktionsanlagen für den Taycan geplant. Zwölf Monate danach entstanden im Pilot-Center die ersten Prototypen und Entwicklungsfahrzeuge. Das alles ist äußerst sportlich.

Die Bauphase am Standort Zuffenhausen

Was sind die größten Herausforderungen?

Mit dem Taycan erfinden wir unser Stammwerk neu, es entsteht eine Fabrik in der Fabrik: Wir integrieren eine komplett neue Fertigung mit neuer Technologie und neuen Prozessen – und das bei voll ausgelasteter Produktion unserer bestehenden Fabrik. Denn schließlich fertigen wir bereits heute in Zuffenhausen mit 250 zweitürigen Sportwagen pro Tag mehr Fahrzeuge als jemals zuvor. Das ist wie eine Operation am offenen Herzen und hat Auswirkungen auf alle relevanten Bereiche: vom reibungslosen Ablauf der aktuellen Produktion über die Vorbereitungen zum „Start of Production“ des Taycan bis hin zur Wahrung der Interessen der Anwohner. Schließlich grenzt unser Stammwerk an Wohngebiete und Gewerbeflächen, ist von zahlreichen Straßen und einer Bahnstrecke durchzogen. All das erfordert eine ausgeklügelte Logistik und ist der Grund dafür, dass wir auch den Taycan über mehrere Etagen und Gebäudekomplexe hinweg produzieren.

Wäre es da nicht einfacher gewesen, den Taycan im Porsche-Werk Leipzig zu fertigen? Dort ist mehr freie Fläche vorhanden als in Zuffenhausen.

Zuffenhausen ist die Wiege unserer Sportwagen. Der Taycan ist unser klares Bekenntnis zu diesem Traditionsstandort, den wir in die Zukunft führen, indem wir bestehende Arbeitsplätze sichern und sogar neue schaffen. Durch einen Mitarbeiterpakt haben wir den Taycan zu „unserem Projekt“ gemacht. Neben einer guten Nachbarschaft, der Entscheidung von Aufsichtsrat und Unternehmensführung braucht es für einen derart einzigartigen Schritt auch die Unterstützung der Mitarbeiter. Und diese beteiligen sich, indem sie ein Viertelprozent ihrer tariflichen Gehaltserhöhung in einen Fonds einzahlen, auch finanziell an dem Projekt. Das ist in der Form einmalig in der Automobilindustrie. Darüber hinaus etablieren wir mit dem Taycan hochinnovative Produktionsmethoden und machen einen Schritt in Richtung Fabrik der Zukunft . Wir nennen das Porsche Produktion 4.0 – smart, lean und green. Smart steht für eine flexible, vernetze Produktion. Lean bedeutet verantwortungsvollen und effizienten Ressourceneinsatz. Und green bezieht sich auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Schließlich wollen wir auch die Umweltbilanz unserer Produkte ständig verbessern. Im Bereich der Produktion und Logistik haben wir den CO₂-Ausstoß pro gefertigtem Fahrzeug seit 2014 um mehr als 75 Prozent reduziert.

Ziel somit erreicht?

Nein. Denn den Taycan werden wir in Zuffenhausen CO₂-neutral produzieren. Und unsere Vision ist noch weitreichender: eine Fertigung, bei der wir – mit Blick auf die Lieferkette und den Lebenszyklus der Produkte – keinerlei ökologischen Fußabdruck mehr hinterlassen.

Was unterscheidet die Fertigung eines rein elektrisch von einem konventionell angetriebenen Sportwagen – und wo gibt es Gemeinsamkeiten?

Es ist nicht so, dass wir einfach statt des Tanks eine Batterie verbauen oder einen Elektroantrieb anstelle eines Verbrennungsmotors. Und natürlich ist es etwas anderes, eine Batterie, einen E-Motor und die dazugehörige Kühlung zu montieren als einen Verbrenner mit seiner Abgasanlage. Dennoch ist auch der Taycan ein Wagen, dessen Karosserie zusammengefügt und lackiert sein will. In großen Teilen ist die Montagereihenfolge gleich. Im Umgang mit Hochvolttechnologie ist allerdings neues Fachwissen gefordert, deshalb qualifizieren wir all unsere Mitarbeiter entsprechend weiter. Schließlich wollen wir die hohen Qualitätsstandards, für die Porsche seit jeher bekannt ist, auch für den Taycan garantieren. Außerdem soll es möglich sein, auch die rein elektrisch angetriebenen Sportwagen in dem Umfang zu individualisieren, wie es heute schon bei unseren aktuellen Modellen der Fall ist. Unsere Kunden schätzen den hohen Individualisierungsgrad, den Porsche bietet. Jeder bekommt genau das Fahrzeug, das er möchte. Wir bauen, wenn man so will, Unikate in Serie. Das gilt auch für den Taycan.

Achsmontage, Taycan-Fabrik, Stuttgart-Zuffenhausen, 2019, Porsche AG

Es gibt in der Taycan-Produktion kein klassisches Fließband mehr.

Ja, wir konnten die Taycan-Fertigung von Beginn an komplett neu konzipieren. Das hat den Vorteil, dass wir in Zuffenhausen nun hochinnovative Produktionsstandards etablieren. Den Taycan montieren wir auf einer sogenannten Flexi-Line mit fahrerlosen Transportsystemen, die sich selbstständig von Station zu Station bewegen. Das gibt uns nicht nur neue Freiheiten im Produktionsbetrieb, sondern auch bei der Architektur des neuen Werks. Die Flexi-Line bietet riesige Vorteile in puncto Investitionen und Flexibilität. Durch den Verzicht auf fest im Fundament integrierte Fließbänder sparen wir rund 30 Prozent Investitionskosten. Und ohne das starre Fließband können wir die Fertigung jederzeit modifizieren, Neues integrieren oder einen Bypass fahren, um besondere Kundenwünsche umzusetzen.

Auch bei der Digitalisierung setzt die Taycan-Produktion Maßstäbe.

Das stimmt, auch wenn im Zusammenhang mit der Industrie 4.0 oft von einer „Revolution“ gesprochen wird. Das sehe ich anders. Denn wir entwickeln heute das weiter, was wir bereits in der Vergangenheit durch die Automatisierung, in der Simulation und in der virtuellen Produkt- und Fertigungsplanung geschaffen haben. Die Digitalisierung hilft uns einerseits bei der ergonomischen Gestaltung der Arbeitswelt. Sie unterstützt die Kollegen ferner bei der Analyse komplexer Prozesse und Abläufe und verschafft uns Transparenz, zum Beispiel um zu prüfen, wo und warum ein digitaler Fluss eventuell nicht auf dem idealen Pfad läuft. Wir bekommen so Potenziale aufgezeigt, die wir sonst vielleicht nicht erkennen würden.

Ist das die Vorstufe zur menschenlosen Fabrik?

Nein, bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Daran wird sich nichts ändern. Wir automatisieren, um unsere Kollegen zu entlasten und sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen, setzen jedoch nach wie vor auf hoch qualifizierte Fachkräfte. Denn für die anspruchsvolle Aufgabe, qualitativ hochwertige, individuelle und leistungsfähige Sportwagen auf die Räder zu stellen, ist die Kombination aus dem Einsatz modernster Technologien und dem Knowhow unserer Fachleute unverzichtbar.

Es gehen keine Arbeitsplätze verloren?

Wir haben unsere Belegschaft in wenigen Jahren fast verdoppelt – auf jetzt mehr als 33.000 Beschäftigte. Allein für den Taycan und Cross Turismo holen wir zusätzlich 1.500 Kollegen an Bord. Für Porsche ist die Elektromobilität ein Jobmotor.

Projektmeilensteine

September 2015
Messepremiere des Porsche Mission E in Frankfurt (IAA)

November 2015
Spatenstich für das neue Karosseriewerk

Dezember 2015
Aufsichtsratsentscheidung zur Serienfertigung des viertürigen Elektro-Sportwagens

Dezember 2015
Entscheidung für den Standort Stuttgart-Zuffenhausen

Mitte 2016
Baufeldfreimachung

ab Juli 2016
Planung der Produktionsanlagen für den Taycan

Februar 2017
Grubenaushub für die neue Montagehalle

Mai 2017
Fertigung der ersten Erprobungsfahrzeuge im Pilotcenter Werk 2 Zuffenhausen (Baustufe)

März 2018
Messepremiere des Porsche Mission E Cross Turismo in Genf

Mai 2018
Prototypenfertigung im Pilotcenter Werk 2 in Zuffenhausen (Erste Vorserie)

Oktober 2018
Entscheidung zur Serienproduktion des Taycan Cross Turismo

Dezember 2018
Aufbau erstes Fahrzeuge in der neuen Montage (17.-21.12.2018)

Januar 2019
Start Vorserienproduktion in der neuen Montage

September 2019
Weltpremiere des Porsche Taycan

September 2019
„Start of Production“ und Fabrikeröffnung Produktion Taycan

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Verbrauchsangaben

Taycan Turbo (2023)

WLTP*
  • 23,6 – 20,2 kWh/100 km
  • 0 g/km
  • A Klasse

Taycan Turbo (2023)

Kraftstoffverbrauch* / Emissionen*
Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 23,6 – 20,2 kWh/100 km
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km
CO₂-Klasse A

Taycan Turbo S (2023)

WLTP*
  • 23,4 – 22,0 kWh/100 km
  • 0 g/km
  • A Klasse

Taycan Turbo S (2023)

Kraftstoffverbrauch* / Emissionen*
Stromverbrauch* kombiniert (WLTP) 23,4 – 22,0 kWh/100 km
CO₂-Emissionen* kombiniert (WLTP) 0 g/km
CO₂-Klasse A