Kennen Sie AC/DC, die australische Hardrockband? „Highway to Hell“? Auf der Bühne tragen die Musiker Schüleruniformen. Aus Tradition. Schon als Jugendlicher in den Sechzigerjahren hatte Lead-Gitarrist Angus Young mit Freunden eine Band. „Ich kam nach der Schule nach Hause und verschwand in meiner Uniform sofort in der Garage. Ich konnte es nie abwarten, sofort Musik zu machen“, sagt Young. Keine Zeit für Kleiderwechsel. Aus der frühen Leidenschaft ist eine Weltmarke geworden. AC/DC.
Die Garage. Eltern überlassen sie dem Nachwuchs, wenn der Freiraum braucht. Kann ja nicht viel kaputt gehen. Und Filia und Filius fühlen sich im fensterlosen Schuppen unbeobachtet, dürfen sich ausprobieren, mal lauter sein. Ein paar Quadratmeter Freiheit eben.
Die ersten Porsche und Volkswagen entstanden in Garagen
Auch im Wirtschaftsleben hat die Garage Tradition. Boeing, Disney, Harley-Davidson – viele Große haben auf kleinstem Raum angefangen, aus unterschiedlichen Gründen. Selbst die ersten Porsche und Volkswagen entstanden in Garagen. Irgendwie laden Schuppen zum Tüfteln ein. Das ist eng verknüpft mit der noch jungen Geschichte der Digitalisierung und der Entwicklung des kalifornischen Silicon Valley. Junge Menschen mit zunächst noch wenig Geld, aber wertvollen Ideen, machen sich in Garagen selbstständig. Bei Apple und Google soll’s ebenso angefangen haben.
Inzwischen läuft es umgekehrt: Viele seit Jahrzehnten erfolgreiche Konzerne erkennen, dass die Innovationskraft in ihren Hochhauszentralen schwindet. Manchmal lassen es eingebrannte Strukturen kaum noch zu, dass Mitarbeiter sich trauen, Vorschläge von unten nach oben zu melden. Deshalb versuchen etablierte Unternehmen, Freiraum für Kreativität zu schaffen, auf allen Ebenen die Neugier zu wecken und die Experimentierfreude zu fördern. Weil die Atmosphäre im Mutterhaus dafür in aller Regel suboptimal ist, entstehen wieder Garagen oder Labs – Laboratorien, in denen ausprobiert werden darf und es gar nicht schlimm ist, wenn mal etwas schiefgeht.
Bequem gekleidet denkt es sich gleich auch viel leichter
Schüleruniformen, wie bei AC/DC, sieht man in diesen Garagen freilich nicht. Statt bürokratischem Anzugzwang ist eher der bequemere Hoodie modische Pflicht. Bequem gekleidet denkt es sich gleich auch viel leichter. Für Konferenzen lümmelt sich das Team zwischen bunten Kissen auf stapelbaren Europaletten. Wem das schon zu etabliert erscheint, der richtet sich absichtlich mit schrägen Möbeln vom Sperrmüll ein. Und beim Open Space als Raumkonzept hört die Offenheit nicht auf. Geheimniskrämerei steht auf dem Index. In der obligatorischen Küche werden Ideen bei Biolimonade ausgetauscht und weitergesponnen. Die Kraft der Community zählt, nicht der Ehrgeiz des Einzelkämpfers.
In Deutschland hat Berlin die höchste Lab-Dichte. Mehr als 80 sind in 2017 „registriert“, darunter das Porsche Digital Lab. Keiner kennt die genaue Zahl. Ausgerechnet Berlin! Der Regierungssitz leidet unter fehlender Wirtschaftskraft. Konzernzentralen sitzen anderswo in der Republik. Aber die Stadt ist hip, hat eine ausgeprägte Kultur- und Medienszene, ist tolerant und weltoffen, pulsiert rund um die Uhr. In manchen Stadtteilen wird in Bäckereien und an Kiosken mehr Englisch als Deutsch gesprochen. Berlin zieht innovationsbereite junge Menschen aus der ganzen Welt an. Immer mehr Firmen erkennen das und suchen Anschluss in der Stadt. Wer keine eigene „Garage“ eröffnet, nutzt einfach „Lab as a Service“ und mietet sich bei einem der vorhandenen Tüftlerteams ein.
Vielleicht hat Berlin seinen Vorteil gefunden. Weit genug weg von großen Konzernen und zu viel Etabliertem. So war es ja auch einst im ländlichen Silicon Valley. Und daraus ist Großes entstanden.
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Foto: Porsche Consulting