Das Kürzel „i.O.“ löst in der Industrie Freude aus. „In Ordnung“ klingt spröde, steht aber unter Technikern als Gütezeichen für Qualität. Auch im italienischen Frosinone. Hier, rund 100 Kilometer südlich von Rom, produziert der globale Technologiekonzern ABB Niederspannungs-Leistungsschalter für die Automatisierungs- und Gebäudetechnik. Hüter der Qualität im dortigen Werk ist der Manager Andrea Menti, der im ABB-Geschäftsbereich „Protection and Connection“ in Südeuropa für die Produktion verantwortlich ist.

Der Standort gehört zur Sparte Elektrifizierung des Unternehmens, in der weltweit 42 000 Mitarbeiter beschäftigt sind und die 2014 einen Umsatz von rund 10,6 Milliarden US-Dollar erzielte. Technologien und Produkte von ABB werden weltweit eingesetzt, um Energie zu erzeugen und zu verteilen – beispielsweise in Transformatoren und Netzwerkmanagement-Systemen – und um die industrielle Produktion zu automatisieren, zum Beispiel durch elektrische Antriebssysteme und Roboter.

Hohe Anforderungen an die Qualität

Die rund 800 Mitarbeiter in Frosinone fertigen ein breites Spektrum von mehreren 10.000 Versionen an Niederspannungs-Leistungsschaltern, und die Produkte werden mit jeder neuen Baureihe komplexer, wie die aktuelle Generation der Leistungsschalter verdeutlicht. Diese Geräte sind ursprünglich dazu da, Stromkreise zum Schutz von Personal, Anlage und Systemen zuverlässig ein- und auszuschalten.

Hochmoderne Leistungsschalter wie die „Emax 2“-Serie lassen sich aber auch für das Energiemanagement einsetzen, das heißt für die Messung und Begrenzung des Energieverbrauchs. Und der Anwender kann sie – Stichwort Konnektivität – in unterschiedlichste Automationssysteme integrieren. Sowohl die zunehmende Komplexität als auch die große Variantenvielfalt stellen hohe Anforderungen an die Qualität. Schließlich muss jeder einzelne der Leistungs- und Lasttrennschalter einwandfrei funktionieren, weil er in anspruchsvolle, teilweise hoch automatisierte Anlagen und Gebäudeinstallationen integriert wird.

Andrea Menti: „Wir sind Marktführer in Innovation und Qualität.“

Eigentlich ist die Marktposition von ABB in diesem Bereich sehr komfortabel. Andrea Menti: „Wir sind Marktführer in Innovation und Qualität.“ ABB ist entschlossen, seine technologische Vorreiterposition durch mehr Intelligenz und Funktionalität in seinen Elektroprodukten auszubauen. Wegen der wachsenden Bedeutung von Energiemanagement und der immer stärkeren Vernetzung der Arbeitsabläufe in Unternehmen steigt der Bedarf an intelligenten Lösungen weiter an. Dabei richtet ABB auch den Blick nach außen.

Niederspannungsschaltgerät von ABB, Frosinone, 2016, Porsche Consulting GmbH
In Frosinone entstehen Niederspannungsschaltgeräte

Andrea Menti: „Unser Ziel war es, die Qualität auf ein neues Level zu heben und von anderen Industrien zu lernen, die ebenfalls qualitätsgesteuert sind. Da lag die Automobilindustrie nahe.“ Aus diesem Grund entschieden sich die Manager der Business Unit für die Zusammenarbeit mit Porsche Consulting: „Porsche ist ganz klar eine Referenz für Qualität.“

Die Projektarbeit führte unter anderem zu einem optimierten Materialfluss

Die Projektverantwortlichen definierten zunächst verschiedene Bereiche und Aufgaben, um die Qualität zu optimieren. Giovanni Puglisi, Senior Projektmanager bei Porsche Consulting Srl. in Mailand, hatte die Verantwortung auf Beraterseite. Er sagt: „Wir haben nicht nur auf die ABB-Produktion geschaut. Genauso wichtig war uns der Blick auf alle Zulieferer sowie auf den Produktentstehungsprozess und den Kundenservice. Und in allen Fällen spielte die Einbeziehung der Mitarbeiter die größte Rolle, denn beim Change Management muss man ausreichend Zeit und Engagement in die Kommunikation investieren. Aus diesem Grund haben wir Teams aus Mitarbeitern der unterschiedlichsten Zuständigkeitsbereiche von Management bis Endmontage gebildet.“

Bis zu dreißig Mitarbeiter aus Frosinone und dem Entwicklungszentrum in Bergamo widmeten ihre volle Arbeitszeit den einzelnen Projekten. Auf Shopfloor-Ebene führte die Projektarbeit mit Porsche Consulting unter anderem zu einem optimierten Materialfluss und strafferen Prozessen. Giovanni Puglisi: „Wir haben jeweils Pilotbereiche definiert. So konnten wir in kleinen, sehr transparenten Abschnitten optimieren. Das ist viel wirkungsvoller und Erfolge werden schnell sichtbar.“ Zielgrößen waren dabei die Erhöhung der i.O.-Quote und die Reduzierung der Reklamationen. Wenn ein Pilotprojekt erfolgreich implementiert war, konnte das jeweilige ABB-Team den Rollout in anderen Bereichen des Betriebs selbstständig handhaben.

Es kommen Methoden aus der Automobilproduktion zur Anwendung

Im zweiten Schritt wurden auch die Zulieferer in diesen Prozess einbezogen, denn sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung und somit auch zur Qualität der Endprodukte. Andrea Menti: „Unsere Teams haben die Werkzeuge, die wir in der Zusammenarbeit mit Porsche Consulting kennengelernt haben, in sechswöchigen Projekten auch bei unseren Zulieferern eingesetzt – mit dem Ziel, dort nicht nur ein höheres Qualitätsniveau, sondern auch eine Verbesserung der Produktivität zu erreichen. Darüber hinaus binden wir die Zulieferer jetzt stärker in unsere Entwicklungsarbeit ein.“

Abgeschlossen sind diese Projekte noch nicht, wie Menti betont: „Wir sehen den ganzen Prozess eher als eine Reise, auf der wir uns befinden, als ein Projekt, das irgendwann beendet ist.“ Für die italienischen Standorte reicht der Zeithorizont bis 2017, bis dahin werden die Teams von ABB und Porsche Consulting auch die Entwicklung und den Kundenservice in Hinblick auf die Qualität optimiert haben. Dabei kommen Methoden zur Anwendung, die bereits in der Automobilproduktion von Porsche erprobt und von Porsche Consulting erfolgreich auf andere Branchen übertragen wurden – zum Beispiel das sogenannte Q6-Modell für das operative Qualitätsmanagement.

Zu den sechs Prinzipien dieser Methode gehören beispielsweise die bessere Kopplung aufeinanderfolgender Arbeitsbereiche und transparente Problemlösungsprozesse. Auch die Prozessoptimierung durch Lieferanteneinbindung, kurz POLE, hat sich bei Porsche bewährt. Künftig kann ABB bei der Entwicklung seiner intelligenten Schaltgeräte von der Erfahrung von Porsche in der Fahrzeugentwicklung profitieren.

Von Italien nach China

Zeitgleich werden die Pilotprojekte in Frosinone und auch in Bergamo auf die anderen Werke der Business Unit übertragen: „Wir rollen den Qualitätsverbesserungsprozess weltweit aus. In China haben wir bereits erste Pilotvorhaben nach dem Vorbild Frosinone umgesetzt, als Nächstes kommt das Werk in Finnland an die Reihe“, berichtet Menti. „Als größte Produktionsstätte ist Frosinone das Pilotwerk für alle anderen Standorte, und wir bilden hier zurzeit Trainees aus, die die Projekte in den anderen Werken umsetzen.“

Kann man bereits Ergebnisse der Optimierungsarbeit nennen? Andrea Menti verneint, zieht aber dennoch ein erstes Resümee: „Für Zahlen ist es noch zu früh, wir stecken ja noch mitten in der Projektarbeit. Aber schon jetzt hat sich die Anzahl der Reklamationen, die zuvor auch schon sehr gering war, nochmals deutlich reduziert. Deshalb sind wir überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

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