Der Sportboothersteller Fibrafort fährt auf Erfolgskurs. Um im umkämpften südamerikanischen Markt an der Spitze zu bleiben, orientiert sich das Unternehmen an Porsche. Für die Neuausrichtung des gesamten Unternehmens ist ein Kulturwandel notwendig, der nun erste Früchte trägt.

Man nennt sie die brasilianische Karibik. An der Küste von Santa Catarina wechselt sich Regenwald mit über 400 Traumstränden und ungezählten kleinen Inseln ab. Es wird nie richtig kalt in diesem südlichen Bundesstaat Brasiliens. Die Durchschnittstemperatur liegt bei 20 Grad. Ein Paradies für Wasser-sportler. Mehr als jeder 300. Brasilianer nennt ein Boot sein eigen, hier sind es besonders viele. Die Gegend hat einen der höchsten Lebensstandards in Brasilien. Wenn man irgendwo in Südamerika Erfolg mit Sportbooten haben kann, dann hier.

„Unsere Boote sind wie Porsche-Sportwagen fürs Wasser.“

Genau das war die Geschäftsidee von Márcio Ferreira. Er ist CEO von Fibrafort, der erfolgreichsten Werft für Sportboote in Südamerika. „Unsere Boote sind so etwas wie Porsche-Sportwagen fürs Wasser“, sagt der Unternehmer. „Auch wir behaupten unsere Position vor allem durch Design und Faszination, Technologie und Qualität unserer Produkte.“

1990 startete Ferreira sein Unternehmen mit der Fertigung von Fiberglas-Produkten für den maritimen Markt. Drei Jahre später legte er das erste eigene Fibrafort-Sportboot auf Kiel, ein Einsteigermodell mit Außenbordmotor. Design, Qualität und Finish lagen weit über dem Durchschnitt und sicherten ihm die Aufmerksamkeit des Marktes. Mit der wachsenden Nachfrage baute das Unternehmen seine Produktpalette rasch aus und legte 1998 den Grundstein für die heutige Modellfamilie. Auf dem Heimatmarkt tragen die Boote den Namen Focker, international die Bezeichnung Style.

Marktführer im Segment Sport Line

Heute umfasst das Fibrafort-Programm zwölf Modelle, welche auf dem nationalen und dem internationalen Markt angeboten werden. Hauptsegment ist die Sport Line mit Booten bis acht Meter (25 Fuß) Länge, die erst vor Kurzem um eine Neuauflage eines speziell auf das Sportfischen zugeschnittenen Produktes erweitert wurde. Mit 40 Prozent Marktanteil ist Fibrafort hier Marktführer. Bestseller ist die „Focker 190“, das meistverkaufte Boot in Brasilien. Darüber rangiert die Cruiser Line mit vier Booten bis zehn Meter (32 Fuß) Länge.

Die meisten Modelle haben eine kleine Kabine, Fibrafort bietet aber auch komplett offene Typen an. „Bei uns ist es das ganze Jahr hindurch warm, die Boote werden für die Freizeit mit der ganzen Familie genutzt“, erklärt Ferreira. „Deshalb fallen die Kabinen relativ klein aus oder komplett weg, dafür gibt es mehr Platz im Freien.“

Ein erfolgreiches Konzept: Über 13200 Boote hat Fibrafort bisher in 42 Länder geliefert, in die USA, nach Australien, Afrika, Europa. Mehrere Modelle wurden mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter als „Boat of the Year“ in Australien. In einer Marktstudie zeigten sich über 93 Prozent aller Kunden mit ihrem Fibrafort-Boot zufrieden, auf dessen tragende Struktur der Hersteller zehn Jahre Garantie gibt.

Das dichteste Händlernetz in Brasilien

Der Kundenzufriedenheit liegt auch ein außergewöhnlicher Service zugrunde: Das ganze Jahr über fährt ein Servicefahrzeug der Werft alle wesentlichen Sporthäfen Brasiliens ab und repariert kostenlos kleinere Beschädigungen an Fibrafort-Booten – auch ohne Auftrag des Eigners. „Da gibt es schon mal überraschte Gesichter, wenn die Kunden zurückkommen und sehen, dass etwas einfach so repariert wurde“, schmunzelt Márcio Ferreira. Diese besondere Aufmerksamkeit bildet einen der wenigen direkten Kontakte zwischen Werft und Endkunden, denn Fibrafort vertreibt seine Boote ausschließlich über Händler. Mit rund 40 Stützpunkten verfügt die Firma über das dichteste Händlernetz aller Sportboothersteller in Brasilien.

Allerdings unterliegt der Markt für Sportboote ständig saisonalen Schwankungen und ist mehr und mehr umkämpft. Vor allem amerikanische Hersteller produzieren zunehmend in Mexiko und in Brasilien, um Einfuhrzölle zu sparen und näher am beständig wachsenden brasilianischen Markt zu sein.

Márcio Ferreira, CEO von Fibrafort (Foto: Michel Teo Sin/Xame PMF Magazine /April Comunicacoes S/A)
CEO Márcio Ferreira (Foto: Michel Teo Sin /Xame Magazine/ April Comunicacoes S/A)

Um seinen Vorsprung zu halten, beschloss Ferreira, sich an Industrien zu orientieren, die dem Bootsbau voraus sind. Dabei stieß er auf Porsche Consulting, die 2010 in der brasilianischen Metropole São Paulo ihr erstes Büro in Übersee eröffnet hatte. Die Teilnahme an einer Akademie-Veranstaltung zum Thema Lean Development mündete in ein erstes gemeinsames Projekt: die Prozessoptimierung bei der Entwicklung des Sportbootes „Focker 265 Open“, einer offenen Variante des gleichnamigen Modells mit Kabine.

In diesem Projekt gelang es Fibrafort zum ersten Mal in seiner Geschichte, acht Tage vor der Markteinführung auf der São Paulo Boat Show 2013 – einem der wichtigsten Termine des Jahres für den Bootsmarkt von Südamerika – das neue Modell fertigzustellen. „Davor“, erzählt Huber Mastelari, Senior Berater bei Porsche Consulting Brasil, „war es üblich, die Showboote mit vielen Überstunden erst in letzter Sekunde fertigzustellen.“

27 Millionen Euro Umsatz

Das Entwicklungsprojekt war der Anstoß dafür, alle Unternehmens-bereiche von Fibrafort mithilfe von Porsche Consulting zu durchleuchten. Ausgangsbasis bildete die Werft in der Hafenstadt Itajaí, wo rund 300 Angestellte auf über 7000 Quadratmeter Produktionsfläche im Durchschnitt vier Boote pro Tag herstellten, rund 900 im Jahr. Das Unternehmen erwirtschaftet einen Umsatz von rund 80 Millionen Reais pro Jahr, entsprechend knapp 27 Millionen Euro. Im August 2013 begann die Neuausrichtung des Unternehmens mit der Bestandsanalyse, ein Monat später starteten die ersten Workshops und Trainings.

Bootsbau ist vor allem Handarbeit. Die größten Komponenten sind Rumpf und Aufbau, Fibrafort stellt beides aus glasfaserverstärktem Kunststoff her. Bisher wurden beide Teile schon in einer frühen Phase zusammengefügt und das Interieur zum großen Teil erst danach ausgebaut. „Das war sehr zeitaufwendig und kompliziert“, erklärt Huber Mastelari. Mit der Optimierung der Produktionsabläufe wurde diese „Hochzeit“ jetzt in eine spätere Phase verschoben, zuvor werden so viele Komponenten wie möglich in den offenen Rumpf eingebaut.

Fibrafort investierte parallel in neue Technologien bei der Herstellung von Teilen. So wird beispielsweise die Armaturentafel nicht mehr in Handarbeit hergestellt und lackiert, sondern mit einer Deckschicht aus eingefärbtem Kunstharz im Spritzpressverfahren (Resin Transfer Moulding, RTM) hergestellt. Dadurch ist nicht nur die Oberflächenqualität besser, es können auch Gebrauchsspuren auspoliert werden, eine Nachlackierung entfällt. „Zudem haben wir damit die Materialkosten gesenkt,“ sagt Betriebsleiter Danilo Fontana, „da das maschinelle Verfahren nur die genau benötigte Menge Kunstharz verarbeitet.“

Enge Zusammenarbeit mit Porsche Consulting

Mittlerweile wurden die Bereiche Entwicklung, Logistik, Material- und Kostenplanung, Einkauf, Lagerprozesse sowie Standard-Arbeitsabläufe optimiert. „Fibrafort startet in eine neue Ära mit mehr automatisierten und schnelleren Prozessen und gleichzeitig weiter gesteigerter Qualität. Für diese strategische Neuausrichtung arbeiten wir eng mit Porsche Consulting zusammen“, sagt Márcio Ferreira.

So sank der Anteil der Materialkosten um zehn Prozent. In Spitzenzeiten drosselten 3000 Fehlteile pro Tag Produktion und Effizienz, im Durchschnitt waren es immer noch 1000 täglich. Heute hat Fibrafort diesen Wert um 90 Prozent gesenkt und ist bei nur noch 100 Teilen angekommen, die nachgeordert werden müssen. Analog dazu sank die Fehlerquote bei den Produkten, statt durchschnittlich 28 nachzubearbeitende Positionen sind es nur noch zehn.

Die Überstunden wurden um 48 Prozent gesenkt und sollen weiter verringert werden. „Wir sind nicht nur deutlich produktiver. Die Arbeit ist auch angenehmer und stressfreier für unsere Mitarbeiter“, sagt Ferreira. Dennoch war nicht die gesamte Mannschaft von Anfang an von der neuen Arbeitsweise überzeugt. „Die Einführung von operativer Exzellenz ist kein kleiner Schritt von heute auf morgen, es ist vielmehr ein Kulturwandel“, sagt Rüdiger Leutz, Geschäftsführer von Porsche Consulting in Brasilien.

„Lean denken ist der Weg zur Effizienz.”

Márcio Ferreira ist noch nicht am Ziel: „Bei den Operations sind wir bereits gut aufgestellt. Operative Exzellenz bedeutet aber auch, die indirekten Bereiche wie den Vertrieb, die Finanzen und die Administration zu verschlanken. Daran müssen wir noch arbeiten.“ Um für den Wandel zu operativer Exzellenz neue Impulse zu bekommen, wollten Márcio Ferreira und Danilo Fontana sich ansehen, wie Porsche diesen Ansatz lebt.

Nach einer Woche in Deutschland und dem Besuch der Porsche-Werke in Zuffenhausen und Leipzig ist der Weg für Fibrafort klar. „Wir haben gesehen: Es ist möglich, dass Unternehmen und Mitarbeiter sich gemeinsam bewegen, ein gemeinsames Ziel haben“, sagt Ferreira beeindruckt. „Lean denken ist der Weg zur Effizienz und der Weg in die Zukunft.“ Die erste Maßnahme nach ihrer Rückkehr werde das Training der Führungskräfte sein, damit sie das schlanke Management weiter verinnerlichen und an ihre Mannschaft weitergeben.

Gleichzeitig plant Fibrafort weiteres Wachstum durch die Erschließung eines neuen Marktes. 2015 soll eine neue Jacht-Linie mit Booten bis zu 13 Meter (44 Fuß) Länge auf Kiel gelegt werden. Wenn die Kunden der Cruiser-Linie nach einem nächstgrößeren Boot gefragt hatten, musste Fibrafort bisher passen. Danilo Fontana: „In den kommenden Monaten wollen wir die Voraussetzungen schaffen, um ab Januar 2015 die neuen Boote herzustellen. Für diese Produkte bauen wir nicht nur eine neue Fertigung auf, sondern werden auch die neuen Mitarbeiter auf die Grundsätze der Lean Production einschwören. Wir werden dabei konsequent umsetzen, was wir bei Porsche Consulting gelernt haben.“

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