Es liegt vielleicht in der menschlichen Natur, vorgefasste Meinungen zu praktisch jedem beliebigen Thema zu haben. Oftmals kann es jedoch eine große Herausforderung sein, landläufige, aber uniformierte, negative oder sogar falsche Ansichten zu ändern. Die amerikanische Autorin Jessamyn West hat dieses Problem mit der folgenden Aussage treffend auf den Punkt gebracht: „Wir wollen, dass die Tatsachen unseren vorgefassten Meinungen entsprechen. Wenn sie es nicht tun, ist es einfacher, die Tatsachen zu ignorieren, als unsere vorgefassten Meinungen zu ändern.“ Das Hinterfragen von mehreren vorgefassten Meinungen gleichzeitig ist daher ein sogar noch schwierigeres Unterfangen, denn dafür muss man von Anfang an eine unerschütterliche Entschlossenheit an den Tag legen. Sobald diese Entschlossenheit auch nur geringfügig ins Wanken gerät, werden die bisherigen negativen Ansichten nur noch verstärkt.
Das Porsche Zentrum Lahore hat jedoch nicht eine Sekunde gezögert, als es darum ging, mit Cynthia Ritchie, einer ehemaligen Sonderbotschafterin für Pakistan, und dem lokalen Reiseunternehmen Adventure Travel Pakistan zusammenzuarbeiten, um im Laufe einer Reise in die nördliche Region des Landes „das wahre Wesen Pakistans“ zu ergründen. In den Medien wird diese Region häufig auf ausgesprochen engstirnige und einseitige Weise dargestellt. Ritchie hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Schönheit, Lebhaftigkeit und ausgeprägte Gastfreundschaft Pakistans im Rahmen einer Dokumentationsreihe hervorzuheben. Auf diese Weise soll gezeigt werden, wie touristenfreundlich und aufregend die extremen nördlichen Regionen Pakistans tatsächlich sind. Gleichzeitig soll das Land auch in einem besseren Licht dargestellt werden.
Die Autos für die Erkundung des ‘Daches der Welt’: Cayenne
Die Verbindung zu Porsche – und der Grund für die Beteiligung des Porsche Zentrums Lahore – besteht in der Bereitstellung von technischer Hilfe und Unterstützung. Schließlich handelt es sich bei den Fahrzeugen, die für die Erkundung des „Daches der Welt“ und der letzten Grenzen Pakistans ausgewählt wurden, um Cayenne. Außerdem wird Ritchie von einer Gruppe aus Porsche-Liebhabern begleitet, die ihre eigenen Fahrzeugen in der rauen Umgebung, den sich ständig ändernden Wetterverhältnissen und den schwindelerregenden Höhen Pakistans auf den Prüfstand stellen möchten.
Es ist zwar allgemein bekannt, dass Porsche all seine Modelle mit den Eigenschaften eines Rennwagens versieht, aber die ausgeprägte Geländegängigkeit und Robustheit des Cayenne wird oftmals vergessen. Trotz der zahllosen Stunden, Tage und Wochen, die während der Entwicklung des Cayenne in die ausgiebigen und anspruchsvollen Tests seiner Offroad-Tauglichkeit geflossen sind, kann man davon ausgehen, dass die meisten Besitzer ihren Porsche nie den Belastungen einer Fahrt durch unwegsames Gelände aussetzen.
„Was passiert, wenn die Batterie nass wird?“
Für die Porsche-Liebhaber, die Cynthia Ritchie in ihren eigenen Fahrzeugen begleiten, war dies das erste Mal, dass sie ihre Luxus-SUVs einem derartigen Härtetest unterziehen. Angesichts der vielen anstrengenden Tage, die vor ihnen lagen, hatten einige der Fahrer Bedenken hinsichtlich der Leistungsfähigkeit ihrer Fahrzeuge. So war unter anderem die Durchquerung mehrerer Flüsse vorgesehen. „Was passiert, wenn die Batterie nass wird?“ war eine der durchaus berechtigten Fragen, die von vielen Teilnehmern vor der Abfahrt gestellt wurde.
Es gehört zur Standardvorgehensweise, angesichts solcher extremen Bedingungen auf jedes mögliche Szenario vorbereitet zu sein. Daher hat sich das Porsche Zentrum Lahore in seiner Rolle als technischer Support selbstverständlich auf eine ganze Reihe von „Was wäre wenn“-Situationen vorbereitet, um für alle Gegebenheiten gewappnet zu sein. Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der teilnehmenden Fahrzeuge war allerdings hoch – selbst unter derart unterschiedlichen und extremen Bedingungen. Nach einer Inspektion bestand die einzige an jedem Cayenne durchgeführte Modifikation darin, dass die zur Serienausstattung gehörenden Zündkerzen ausgetauscht wurden. Aber auch das war eher eine Vorsichtsmaßnahme, die im Hinblick auf den minderwertigen Kraftstoff ergriffen wurde, auf den das Team bei seiner Reise in die abgelegeneren Regionen zurückgreifen würde müssen.
Wenn einige Mitglieder des Teams zu wissen glaubten, wie anspruchsvoll der vor ihnen liegende Streckenverlauf und die Fahrten durch das Gelände werden würden, wurden sie bereits in den ersten zwei Tagen eines Besseren belehrt. Die Fahrt begann in Lahore, auf einer Höhe von gerade einmal 210 Metern und bei schweißtreibenden Temperaturen von 46 Grad. Doch die Fahrzeuge erreichten schon kurz darauf eine Höhe von 4.580 Metern. Dort lagen die Temperaturen bei frostigen -12 Grad. Und dabei waren gerade einmal 48 Stunden des achttägigen und sich über 5.000 Kilometer erstreckenden Abenteuers verstrichen. Im Grunde war es also nur ein kleiner Vorgeschmack.
Der Konvoi musste an einem Tag alle Jahreszeiten bewältigen
Es kam häufig vor, dass der Konvoi aus Cayennes an nur einem Tag alle Jahreszeiten durchfuhr und Täler, Ebenen und Gebirge bewältigen musste. Vielleicht sollten wir an dieser Stelle kurz auf die einzigartigen geografischen Gegebenheiten Pakistans eingehen, um das Ausmaß dieses Unterfangens besser zu veranschaulichen. Das Skardu-Tal, das sich am Zusammenfluss der Flüsse Shagar und Indus befindet, ist unglaublich idyllisch und beherbergt einen wunderschönen See. Außerdem befinden sich hier das wichtigste Expeditionszentrum und die Bergsteiger-Station der Region. Es fungiert gewissermaßen als Tor zu vier der weltweit 14 Gipfel, die eine Höhe von über 8.000 Meter aufweisen und deren Gipfel in der sogenannten „Todeszone“ liegen. Auch wenn es ein Tal ist, so liegt es dennoch auf einer Höhe von 2.500 Metern. Selbst hier, in dieser abgelegenen Grenzregion Pakistans, in der wahrscheinlich gerade einmal 500 Menschen leben, wurden die Cayennes und ihre Insassen von den Kindern mit folgenden Rufen begrüßt: „Porsche! Porsche! Porsche!“ Die von Ritchie zur hiesigen Gastfreundschaft gemachten Angaben wurden also mehr als bestätigt.
Anschließend reiste das Team zur Deosai-Ebene. Auch an dieser Stelle sollte man sich kurz die schieren Ausmaße dieser Gegend vor Augen führen. In der Sprache Urdu bedeutet der Name der Deosai-Ebene so viel wie „das Land der Riesen“. Es ist die zweithöchste Hochebene der Welt und wird nur vom Changthang-Plateau in Tibet übertroffen. Sie liegt auf durchschnittlich 4.114 Metern über dem Meeresspiegel und ist nur während der Sommermonate zugänglich. Aufgrund der hohen und abgelegenen Lage wurde die Hochebene zu einem Nationalpark und Reservat für Himalayabären erklärt. Nun konnten viele dieser gefährdeten Tierarten – die der Ursprung für die Yeti-Legende sein sollen – beobachten, wie ein Konvoi aus Cayenne Hybrids ihr geschütztes Habitat durchquerte, um das Karakorum-Gebirge zu erreichen.
In diesen majestätischen Bergen, die zu den zerklüfteten Bergketten zwischen dem Hindukusch und dem Himalaya-Gebirge gehören, befindet sich mit dem K2 der zweithöchste Berg der Welt. Der Karakorum Highway verläuft ebenfalls durch dieses Gebirge. Wenn man ihn befahren will, sind jedoch starke Nerven gefragt. Autopannen stehen hier an der Tagesordnung, ganz besonders bei Fahrzeugen mit aufgeladenen Motoren. Dies ist eine der am höchsten gelegenen Straßen der Welt. Sie verbindet Pakistan und China und ihr Bau hat zwanzig Jahre in Anspruch genommen. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass bestimmte Abschnitte von Erdrutschen begraben werden. Die Straße verläuft über den Kunjirap-Pass, der auch als „der Rand Pakistans“ bekannt ist. Auf einer Höhe von 4.693 Metern liegt hier der weltweit höchste internationale Grenzübergang, der zugleich auch den höchsten Punkt des Karakorum Highway markiert. Keiner der Porsches sollte die Grenze bei dieser Reise überqueren, aber das Abenteuer war damit noch lange nicht zu Ende.
Alle Wagen überstanden die Reise ohne Zwischenfall
Die Fahrt ging noch durch zahllose andere Landschaften: Der Konvoi durchquerte das Hunza-Tal, fuhr auf der legendären Seidenstraße am Indus entlang und erreichte schließlich die Stadt Jaglot, die zweifellos zu den Höhepunkten der Reise zählte. Geografisch gesehen liegt Jaglot an dem Punkt, an dem die drei großen Gebirgsketten der Welt aufeinandertreffen. An dieser Stelle gehen der Himalaya, das Karakorum-Gebirge und der Hindukusch ineinander über. Es ist ein einzigartiges Erlebnis, diese großartigen und spektakulären Panoramen aus dem komfortablen Innenraum eines Luxus-SUV zu bestaunen. Und trotz all der Bedenken ihrer Besitzer, die angesichts der enormen Belastungen, denen die Fahrzeuge ausgesetzt waren, ganz natürlich sind, haben alle Wagen die Reise ohne Zwischenfall überstanden.
Es mag noch viele Jahre dauern, bis sich die vorgefassten Meinungen zu Pakistan ändern und es zu einem beliebten Urlaubsziel für abenteuerlustige Touristen wird, die an der Erkundung der wunderschönen entlegenen Landschaften interessiert sind. Es dürfte allerdings schon jetzt kein Zweifel mehr daran bestehen, dass es absolut machbar ist, die majestätischen Landschaften in einem Porsche zu erkunden. Wie Alan Alda einst schon sagte: „Deine Annahmen sind dein Fenster zur Welt. Putze sie von Zeit zu Zeit, sonst fällt kein Licht herein.“
Verbrauchsangaben
Cayenne S E-Hybrid: Kraftstoffverbrauch kombiniert 3.4 l/100 km; CO2-Emissionen 79 g/km; Stromverbrauch kombiniert 20.8 kWh/100 km
Info
Text: James Davison