Der Smart Press Shop zählt zu den modernsten Presswerken weltweit. Das vor sechs Jahren von der Porsche AG gemeinsam mit der ANDRITZ Schuler GmbH gegründete Joint Venture ist spezialisiert auf die Produktion von Aluminium-Karosserien. Diese stellen besonders hohe Anforderungen an die Fertigungskompetenz und kommen oftmals bei Fahrzeugen im Premium- und Luxus-Segment mit entsprechend exklusiven Stückzahlen zum Einsatz. Das Werk in Halle ist vollständig digitalisiert, vernetzt und automatisiert. Gearbeitet wird nahezu komplett papierlos mit Smartphones, Tablets und PCs.

Aus millimeterdünnem Aluminiumblech entstehen im Smart Press Shop mit höchster Präzision diverse Karosserie-Einzelteile und Außenhautteile für Porsche und andere Automobilhersteller. Die aktuelle Produktpalette für Porsche-Modelle umfasst zahlreiche Seitenteile, eine Vielzahl von Türenaußen- und innenblechen sowie verschiedene Kotflügel-Ausführungen,  Dachmodule, Fronthauben und Heckklappen. Bestimmt sind diese Karosserieteile unter anderem für Panamera, Macan und Macan Electric, 911 und Taycan. Roboter fügen die Komponenten später in den Porsche Fahrzeugwerken zu Rohkarosserien zusammen.

Der Name des Unternehmens ist Programm: Etliche smarte Ideen unterscheiden den Smart Press Shop von anderen Presswerken. Ein besonderes Augenmerk hat das Unternehmen auf die schnellen Rüstzeiten und Wechsel der Presswerkzeuge gelegt: In etwa 30 Minuten können die tonnenschweren Werkzeuge gewechselt werden. Das ist doppelt so schnell wie üblich und erlaubt es, auch Karosserieteile mit kleineren Losgrößen wirtschaftlich herzustellen. Die rekordverdächtige Rüstzeit ist dem vollautomatischen Werkzeugwechsel zu verdanken, bei dem parallel zwei Kräne zum Einsatz kommen_._ Die laufende Produktion auf der Pressenlinie muss dabei sogar nur für wenige Minuten pausieren. Roboterzangen greifen automatisiert nach den Werkzeugen. Dadurch müssen Mitarbeiter nicht mehr mühsam Seile anschlagen. Die Werkzeuge müssen auch nicht mehr manuell fixiert werden, sondern werden automatisch gespannt. Über eine Multikupplung werden alle Medien angeschlossen, das Nebeneinander von Kabeln, Steckern und Schläuchen entfällt.

Über ein Bus-System werden zahlreiche Informationen ausgetauscht und cloudbasiert allen Mitarbeitern in Echtzeit zur Verfügung gestellt. Dadurch lassen sich zum einen die Teile vollständig zurückverfolgen. Zum anderen kann Big Data zu einer noch besseren Qualität beitragen. So werden am Ende der Presse die Oberflächen der Außenhautteile auf mögliche Fehler inspiziert. Diese Risskontrolle erfolgt mit Hilfe von Kameras. Neu ist der Einsatz künstlicher Intelligenz. Die KI-Modelle werden mit Daten trainiert. So sollen sie künftig nicht mehr nur kleinste Risse bauteil- oder positionsspezifisch erkennen, sondern auch grundsätzlich vorhersagen können.

Auch beim Umgang mit dem Rohmaterial, den großen Rollen mit Aluminiumblech, nutzt der Smart Press Shop seine große Datenmenge zu Gunsten von höchster Fertigungsqualität. Trotz gleicher Spezifikation unterscheiden sich diese sogenannten Coils im Detail, weil einzelne Parameter beispielsweise der Schmierstoffe innerhalb einer Bandbreite variieren. Wird der Betrieb an einer Presse hochgefahren, gleichen erfahrene Anlagenführer diese Streuung sonst mit ihren individuellen Erfahrungen nach dem Trial-and-Error-Prinzip aus. Mit Hilfe der Informationen aus einer Datenbank wird die Anlage im Smart Press Shop bereits proaktiv auf die minimale Schwankung des Materials eingestellt. Automatisiert reagiert wird auch im weiteren Betrieb, wenn durch die kontaktlose Messung der Temperatur im Werkzeug potenzielle Veränderungen im Ziehprozess erwartet werden können. Auch während des Ziehprozesses findet eine Überwachung mittels der„draw edge control“-Technologie statt. Aus dieser können sich Hinweise auf mögliche Qualitätsabweichungen ergeben, noch bevor das Pressteil fertiggestellt ist.

Ein weiteres smartes Feature ist die sogenannte „visual die protection“: Bei jedem Hub schauen Kameras ins Innere des Presswerkzeugs und gleichen die aktuelle Aufnahme mit einem Referenzbild ab, damit keine Fremdkörper – zum Beispiel abgerissene Kunststoffsauger – zu Schäden führen können.

Im Smart Press Shop werden Aluminiumbleche der Qualitäten 5000 und 6000 verarbeitet. In einem Closed-Loop-Verfahren werden die Reste sortenrein voneinander getrennt. So kann das Aluminium eingeschmolzen und ohne Qualitätseinbußen wieder für Karosseriebleche verwendet werden. Ein weiteres Beispiel für den verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen ist die vorausschauende Wartung: Der Ölwechsel am Hydrauliksystem der Pressen erfolgt nicht nach starren Intervallen. Vielmehr wird die Ölqualität mit Hilfe der Schwebestoffe permanent analysiert und überwacht. Erst wenn es wirklich nötig ist, wird das Öl gewechselt.

  
Über den Smart Press Shop

2019 haben die ANDRITZ Schuler GmbH, eine Tochter der Andritz-Gruppe, und die Porsche AG das Joint Venture Smart Press Shop GmbH & Co. KG gegründet. Im April 2021 hat das Presswerk seinen Betrieb aufgenommen. Das 13 Hektar große Areal liegt in Halle an der Saale und damit im direkten Einzugsgebiet des Porsche Werks in Leipzig. Rund 160 Mitarbeiter sind aktuell im Smart Press Shop tätig.

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