Eine Runde vor dem Ziel sah Toyota noch wie der sichere Sieger aus, dann rollte der Prototyp tragischerweise aus. So gewann einen Umlauf später der Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 2 von Romain Dumas (FR), Neel Jani (CH) und Marc Lieb (DE) vor 263.500 Zuschauern. Dieses Trio hatte Ende 2014 in Brasilien auch den allerersten Sieg mit dem 662 kW (900 PS) starken Prototypen errungen.
Dieser Erfolg ist für Porsche der 18. Gesamtsieg beim wohl härtesten Automobilrennen der Welt. Eine der begehrtesten Trophäen überhaupt findet damit ein weiteres Jahr in Zuffenhausen ihr Zuhause. Nach dem Vorjahreserfolg durch Earl Bamber (NZ), Nico Hülkenberg (DE) und Nick Tandy (GB) mit dem 919 Hybrid trat Porsche als Titelverteidiger an. Der erste Gesamtsieg in Le Mans war der Marke am 14. Juni 1970 gelungen. Damals gewannen Hans Herrmann und Richard Attwood mit einem Porsche 917 KH (Kurzheck) Coupé.
Der zweite Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 1 – an dessen Steuer sich die amtierenden Langstrecken-Weltmeister Timo Bernhard (DE), Brendon Hartley (NZ) und Mark Webber (AU) abwechselten – kam nach einem langen Reparaturstopp und anschließender Aufholjagd auf den 13. Gesamtrang. In der Klasse LMP1 belegte das Trio Platz fünf. Dadurch sicherte sich Porsche insgesamt 71 Punkte für die Herstellerwertung der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC.
In Le Mans werden doppelt so viele Punkte vergeben wie bei den übrigen acht WM-Läufen, die sechs Stunden dauern. Porsche führt in der Herstellerwertung nun mit 127 Punkten vor Audi (95) und Toyota (79). In der Fahrerwertung haben die Spitzenreiter Dumas, Jani und Lieb nun 94 WM-Punkte und einen Vorsprung von 39 Zählern.
Wie das Rennen für Porsche seit Sonntagmittag verlief:
Marc Lieb hatte den immer wieder in Führung liegenden Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 2 nach einem sehr starken Vierfachstint um 11:50 Uhr nach 331 gefahrenen Runden an Neel Jani übergeben. Der Schweizer tankte nach 345, 359 und 373 Umläufen. Nach 381 Runden musste er sogar noch wegen eines schleichenden Plattfußes an die Box. Platz zwei schien besiegelt, ehe der Toyota stehen blieb.
Das anfangs führende Schwesterauto mit der Nummer 1, das um 23:13 Uhr durch einen Defekt an der Wasserpumpe und Folgeschäden um 39 Runden zurückgeworfen wurde, übernahm nach 285 Umläufen um 11:20 Uhr Mark Webber. Er tankte nach 298 und 311 Runden, ehe er nach 324 Runden an Timo Bernhard übergab. Der legte seinen letzten Tankstopp nach 337 Umläufen ein und kam letztlich nach einer Gesamtdistanz von 346 Runden auf Platz 13 ins Ziel.
So lief das Rennen in den GT-Klassen
Als erfolgreichstes Porsche-Kundenteam bei den 24 Stunden von Le Mans belegte Abu Dhabi Proton Racing vor mehr als 260.000 Zuschauern mit einer konstant starken Leistung und nach langer Führung den dritten Platz in der Klasse GTE-Am. Bei der 84. Auflage des Langstreckenklassikers in Frankreich, der wegen heftiger Regenfälle am Samstag erstmals in seiner Geschichte hinter dem Safety Car gestartet wurde, teilte sich Porsche-Werksfahrer Patrick Long (USA) mit David Heinemeier Hansson (Dänemark) und Khaled Al Qubaisi (Abu Dhabi) den 470 PS starken Porsche 911 RSR, der auf der siebten Generation der Sportwagenikone 911 basiert. Für das Team war es nach 2014 die zweite Podiumsplatzierung beim härtesten Autorennen der Welt, das mit 60 Autos eine neue Rekordteilnehmerzahl aufwies.
Die vom Werksteam Porsche Motorsport eingesetzten 911 RSR mit den Startnummern 91 und 92, die Doppelsieger von 2013, haben es auf dem Circuit des 24 Heures nicht durch die Nacht geschafft. Nachdem sie in der Anfangsphase des Rennens die mit 14 Autos von fünf renommierten Herstellern traditionell stark besetzte Klasse GTE-Pro angeführt hatten, fielen sie im weiteren Verlauf durch verschiedene Probleme zurück. Die Nummer 91 mit Nick Tandy, dem britischen Le-Mans-Gesamtsieger von 2015, sowie den Franzosen Patrick Pilet und Kévin Estre verlor zunächst wertvolle Zeit, als ein aufgewirbelter Stein ein kleines Loch in den Kühler schlug. Nach Boxenstopp und Kühlertausch starteten sie eine Aufholjagd mit konstant schnellen Rundenzeiten, die um 01.12 Uhr nach Motorproblemen ein jähes Ende fand.
Die Nummer 92, in deren Cockpit sich der Neuseeländer Earl Bamber als Le-Mans-Gesamtsieger 2015 mit Frédéric Makowiecki (Frankreich) und Jörg Bergmeister (Langenfeld) abwechselte, büßte erst wegen abgescherter Radmitnehmer, die einen neuen Radträger erforderten, einige Positionen ein. Danach musste der 911 RSR wegen einer defekten Lenkunterstützung an die Box. Das Aus kam schließlich um 02.36 Uhr wegen eines gebrochenen Anbindungspunktes an der vorderen Chassisaufhängung.
Stimmen nach dem Rennen
Fritz Enzinger, Leiter LMP1: „Erst einmal möchte ich meinen großen Respekt vor der sensationellen Leistung ausdrücken, die Toyota in diesem Rennen geliefert hat. Es war ein toller Zweikampf. Kurz vor Schluss hatten wir uns schon auf Platz zwei eingestellt und plötzlich als Porsche Team den zweiten Le-Mans-Gesamtsieg in Folge errungen. Ich möchte unserer großartigen Mannschaft in Weissach danken, dem Team vor Ort und all den Porsche-Mitarbeitern und -Fans, die uns hier unterstützt haben.“
Andreas Seidl, Teamchef: „Zunächst fühlen wir natürlich mit unseren Kollegen und Freunden aus Köln mit – ein so großes Rennen auf diese Weise in der letzten Runde noch hergeben zu müssen, das wünscht man keinem Wettbewerber. Aber so ist der Sport mit seinen Höhen und Tiefen, dafür lieben wir ihn. Der Sieg war hart umkämpft. Wir wollten Toyota bis zum Schluss unter Druck setzen und sind die ganze Zeit Vollgas gefahren, auch die Fahrer waren am Limit. Es gab extrem viele Führungswechsel. Seit dem Beginn der Entwicklung und Vorbereitung des 919 Hybrid im Winter haben wir eine sensationelle Teamleistung abgeliefert, das gilt für die Kollegen daheim in Weissach ebenso wie für das Einsatzteam hier. So wie es mich für die Crew der Nummer 2 freut, so schade war es für die Jungs der Nummer 1. Ohne den Defekt und die notwendige Reparatur hätten auch sie um den Sieg mitkämpfen können. Le Mans zu gewinnen ist das Highlight der Saison – Wahnsinn, dass wir dies in unserer erst dritten Saison wiederholt haben. Jetzt blicken wir nach vorne. Wir nehmen von hier viele Punkte für die Fahrer- und Herstellermeisterschaft mit, jetzt wollen wir beide Titel auch verteidigen.“
Dr. Frank-Steffen Walliser, Porsche-Motorsportchef: „Le Mans ist diesmal eine große Enttäuschung für uns. Wir hatten mit beiden Werksautos technische Probleme, die letztlich jeweils zum Ausfall führten. Das ist sehr schade für die Fans, für das Team und natürlich für die Fahrer, die hier mit sehr großen Hoffnungen an den Start gegangen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass wir auch unter trockenen Bedingungen nicht annähernd eine Chance hatten, die Rundenzeiten der Spitze zu fahren. Doch das sind Dinge, die wir nach dem Rennen in Ruhe analysieren müssen. Glückwunsch an unser Kundenteam Abu Dhabi Proton Racing. Mit einer fehlerfreien Leistung ist die Mannschaft rund um unseren Werksfahrer Patrick Long auf den tollen dritten Platz gefahren.“
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Rennergebnis
Klasse LMP1:
1. Dumas/Jani/Lieb (F/CH/D), Porsche 919 Hybrid Nr. 2
2. Sarrazin/Conway/Kobayashi, Toyota TS050 - Hybrid Nr.6
3. di Grassi/Duval/Jarvis, Audi R18 Nr. 8
Klasse GTE-Pro
1. Hand/Müller/Bourdais (USA/D/F), Ford GT, 340 Runden
2. Fisichella/Vilander/Malucelli (I/SF/I), Ferrari 488 GTE, 340
3. Briscoe/Westbrook/Dixon (AUS/GB/NZ), Ford GT, 340
4. Johnson/Mücke/Pla (USA/D/F), Ford GT, 339
5. Turner/Sörensen/Thiim (GB/DK/DK), Aston Martin, 339
6. Stanaway/Rees/Adam (NZ/BRA/GB), Aston Martin, 337
8. Christensen/Lietz/Eng (D/A/A), Porsche 911 RSR, 329
Klasse GTE-Am
1. Sweedler/Bell/Segal (USA/USA/USA), Ferrari 458 Italia, 331 Runden
2. Collard/Perrodo/Aguas (F/F/P), Ferrari F458 Italia, 331
3. Al Qubaisi/Long/Heinemeier Hansson (UAE/USA/DK), Porsche 911 RSR, 330
4. Mok/Sawa/Bell (Mal/JP/GB), Ferrari 458 Italia, 329
5. Wainwright/Carroll/Barker (GB/GB/GB), Porsche 911 RSR, 328
10. Ried/Henzler/Camathias (D/D/CH), Porsche 911 RSR, 300