1,3 Billionen Kilometer – oder etwas griffiger ausgedrückt: 30 Millionen Erdumrundungen in einem Jahr. Diese Strecke werden die Bewohner der EU nach einer Untersuchung der Europäischen Kommission im Jahr 2040 zurücklegen. In drei von vier Fällen werden sie dabei auch in rund 20 Jahren noch ihr Wunschziel mit dem Auto ansteuern. Mit Verbrennungsmotoren allein ist diese Mobilität nicht mehr zu machen. Denn schon heute, da wir noch rund 30 Prozent weniger mobil sind, können viele Städte des Kontinents die europäischen Umweltvorgaben etwa bei Stickoxiden nicht mehr erfüllen. Dazu kommt, dass sich die Länder Europas wie auch China, Russland, Brasilien, Indien oder Australien auf deutliche Schadstoffreduzierungen verpflichtet haben. Und nicht zuletzt sind die Vorräte an fossilen Energien bekanntlich endlich.

Der Wunsch nach individueller Mobilität dagegen scheint unendlich. Wer ihn nachhaltig erfüllen will und dabei auch Komfort, Sicherheit und Fahrspaß mindestens auf dem Niveau heutiger Automobile beibehalten möchte, kommt am emissionslosen Antrieb über elektrische Energie nicht vorbei. Alle namhaften Hersteller, aber auch Quereinsteiger aus anderen Branchen, Zulieferer und Start-ups arbeiten darum mit Hochdruck daran, den Elektroantrieb weiterzuentwickeln.

Volle Kraft auf Knopfdruck

Einschalten und lautlos genießen – das ist sicher einer der Vorzüge elektrischer Antriebe. Gerade Hersteller, die den hohen Anspruch ihrer Kunden aus Jahrzehnten der Optimierung von Verbrennungsmotoren halten wollen, müssen aber mehr leisten: Ihre elektrischen Antriebe sollen auch bei den Fahrleistungen und im Dauerbetrieb höchstes Leistungsniveau garantieren. Wer das schafft, kann mit den besonderen Stärken des Elektroantriebs nachhaltig begeistern.

Prinzipiell hat der elektrische Antrieb fahrdynamisch vor allem einen Vorzug: Weil seine Leistung potenziell sofort mit dem Kraftschluss anliegt, kann ohne große Verzögerung das Drehmoment an die Räder weitergegeben werden. Selbst Kleinwagen oder kompakte Fahrzeuge haben dadurch im Vergleich zu konventionell angetriebenen Schwestermodellen eine starke Beschleunigung.

Beschleunigung – gekonnt

Gerade für die Newcomer im automobilen Segment sind diese Beschleunigungswerte ein starkes Werbeargument – das umso schwerer wiegt, da die meisten Länder der Welt ja wegen strenger Tempolimits die mögliche Endgeschwindigkeit oder auch nur hohe Reisegeschwindigkeiten nicht zulassen. Allerdings ist der Begriff „Werbeargument“ hier ganz bewusst gewählt: Denn wer bei diesen Fahrzeugen mehrmals nacheinander stark „Gas gibt“, der wird bei den heute am Markt präsenten Fahrzeugen feststellen, dass die Beschleunigung schon nach wenigen solcher Vorgänge deutlich begrenzt wird. Das Gleiche gilt für höhere Reisegeschwindigkeiten, wie sie etwa in Deutschland üblich sind. Beschleunigungswerte von weniger als drei Sekunden von null auf hundert beanspruchen Batterie und Motoren so stark, dass deren Hersteller sie nicht reproduzieren können, hat etwa Stefan Weckbach, Leiter Baureihe BEV (GB), beobachtet. Auch darum hat Porsche intensiv an den Elektromotoren gearbeitet, die das vollelektrische Automobil antreiben werden, das Ende 2019 auf den Markt kommen wird. „Performance und Leistung reproduzierbar machen, das ist elementar wichtig“, so Weckbach.

Elektromotoren, richtig eingesetzt, ermöglichen überdies neben dem schnellen Vortrieb auch eine besondere Kurvendynamik: Weil die Kraft der Motoren an den einzelnen Achsen immer voll zur Verfügung steht, ist der Allradantrieb besonders variabel – und lässt darüber hinaus eine individuelle Kraftverteilung zu, die je nach Einsatz der Motoren auch an die einzelnen Räder je nach Fahrsituation zu verteilen ist: Torque-Vectoring mit immer voll zur Verfügung stehendem Kraftfluss – ein entscheidender Vorsprung an Sicherheit und Sportlichkeit, den die besten Elektroantriebe möglich machen werden.

Reichweite – unbegrenzt

Der Verbrennungsmotor hat sich zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts auch deswegen gegen den elektrischen Antrieb durchgesetzt, weil sein Brennstoff überall verfügbar sowie leicht und einfach zu befüllen ist. Dazu kommt, dass eine Tankfüllung weite Strecken garantiert. Doch neue technische Lösungen versprechen, diese Vorzüge von Diesel und Benziner auch in die Welt der elektrischen Antriebe zu bringen. Und mit kommenden Technologien kann der Strom sogar unmerklich stetig nachfließen.

Bertha Benz musste sich vor den Probefahrten mit den ersten Verbrennungsmotoren ihres Mannes immer noch genau überlegen: Wo ist die nächste Apotheke? Denn zu Beginn des Zeitalters von Benziner und Diesel Ende des 19. Jahrhunderts waren die Reichweiten der Motoren gering – und Tankstellen gab es noch nicht. Kein Wunder, dass sich die Begeisterung für das Auto noch Jahre in engen Grenzen hielt.

Die Industrie hat dieses Problem bekanntlich beinahe weltweit gelöst. Zudem haben die Autohersteller Motoren entwickelt, die bis zu 1.000 Kilometer mit einer Tankfüllung auskommen. Im Zeitalter der Elektromobilität wird dies allen Unkenrufen zum Trotz ebenso möglich werden. Denn der Kunde will den Standard, wie er ihn von der Mobilität mit Verbrennungsmotoren her kennt. Stromversorgung, Reichweite und Ladezeiten elektrisch angetriebener Fahrzeuge sind darum wichtige Faktoren, um Kunden über die Fahrleistungen hinaus für Elektrofahrzeuge zu begeistern. Dass dies gelingt, daran arbeiten klassische Autohersteller, die Produzenten von Batteriezellen, aber auch Energieversorger und staatliche Stellen.

Aber schon die Aufgabe einer flächendeckenden Stromversorgung ist groß: „Für nur eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland werden circa 33.000 öffentliche und halb öffentliche Ladepunkte für den Alltagsverkehr sowie circa 2.600 öffentliche Ladepunkte für den Fernverkehr benötigt. Je nach Ausgestaltung der Normalladeinfrastruktur und angestrebter Versorgungssicherheit sind zusätzlich bis zu etwa 4.000 Schnellladepunkte sinnvoll.“ Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung des Instituts für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und des Karlsruher Instituts für Technologie. Die Zahl ist bei Weitem noch nicht erreicht – zudem ist Deutschland nur ein Staat unter vielen. Mobile Menschen wollen aber eine ähnliche Versorgung in ganz Europa, in China, Japan, Russland, in den USA, aber auch in Südamerika und Afrika.

Mission E, Konzeptstudie, 2015, Porsche AG
Porsche stellt die Weichen für den Aufbau des leistungsstärksten Schnellladenetzes

Die Industrie hat erkannt, dass sich die Initialzündung für die Energiewende auf den Straßen nur gemeinsam umsetzen lässt. Deswegen haben sich die Hersteller BMW, Daimler, Ford und der Volkswagen Konzern mit Audi und Porsche im Gemeinschaftsunternehmen Ionity zusammengeschlossen, um die Weichen für den Aufbau des leistungsstärksten Schnellladenetzes für Elektrofahrzeuge in Europa zu stellen. Ionity wird bis 2020 insgesamt rund 400 Schnellladestationen errichten und betreiben. Weitere Initiativen treiben ähnliche Projekte voran – auch auf anderen Kontinenten und oft mit Förderung durch den Staat.

Künftig werden zudem Ladeparks den Autos aller Hersteller und deren technischen Ladevarianten offenstehen. Der CCS-Standard macht’s möglich. Und ab dem kommenden Jahrzehnt werden verstärkt auch kabellose Ladesysteme ähnlich wie bei der induktiven Zahnbürste in die Fläche kommen. Laden wird dann vor mancher Ampel, im Parkhaus oder sogar auf der Autobahn beim Fahren möglich werden. Spezialisten wie Qualcomm haben die Technik dafür bereits serienreif gemacht. Und elektronische Zahlungssysteme an jedem Ladepunkt werden dann ebenfalls zur Verfügung stehen. Für Michael Kiefer, Leiter der Abteilung Hochvolt-Systeme bei Porsche Engineering, sind dies Voraussetzungen für die Akzeptanz der neuen Antriebe. Der Experte sagt auch: „Um dem Kunden ein Gesamterlebnis zu ermöglichen, muss die Infrastruktur mit dem harmonieren, was das Fahrzeug kann.“

Porsche hat darum für seine Hochleistungsfahrzeuge eine spezielle Ladestation entwickelt. Kernelement ist eine Schnelllade-Technologie, die auf einer Spannung von 950 Volt und Ladeleistungen bis zu 350 Kilowatt beruht. „Auftanken“ in weniger als 20 Minuten ist so möglich. Natürlich entspricht die eigene Entwicklung allen internationalen Standards und ist durch genormte Ladestecker kompatibel, sodass daran auch jedes andere marktübliche Elektrofahrzeug Strom laden kann.

Auch ihre dritte große Aufgabe gehen die Hersteller mit großer Vehemenz an: die Reichweite der Batterien zu erhöhen. Bereits heute sind Entfernungen von 500 Kilometern und mehr für elektrisch angetriebene Fahrzeuge keine Utopie. Allerdings benötigen die aktuellen Modelle dafür eine sehr große und entsprechend teure und schwere Batterie – zu dieser Problematik gleich noch mehr.

Auf absehbare Zeit wird das Verhältnis von Leistung zu Gewicht bei Elektroautos im Verhältnis zu Verbrennern aber weiterhin zurückstehen. Auch wenn etwa die Energiedichte in den geplanten modernsten Lithium-Ionen-Akkus bis zu 0,20 Kilowattstunden pro Kilogramm (kWh/kg) erreichen kann, schafft ein Liter Diesel 50-mal bessere Werte von zehn kWh/kg. Auch der rund dreifach höhere Wirkungsgrad des Stroms kann dies nicht wettmachen. Um hier dennoch mit vertretbarem Einsatz von Akkus hohe Reichweiten zu erzielen, müssen die elektrischen Fahrzeuge in einer weiteren Dimension zulegen: Sie werden wesentlich klüger als derzeitige Fahrzeuge.

Elektrisch fahren – klüger fahren

In Porsches Mission E etwa blickt der Fahrer auf ein OLED-Display, und das Display blickt quasi zurück. In der Konzeptstudie erkennen nämlich alle fünf Fahrerdisplays per Eye-Tracking-Technologie, was der Fahrer anschaut – und zeigen die entsprechenden Infos. Das ist keine Spielerei. Diese Technologie hilft, besonders vorausschauend zu fahren – und damit auch extrem energieeffizient. Viele Autos können inzwischen selbsttätig vorausschauend unterwegs sein – und sogar auf Fahrsituationen reagieren, die erst in vielen Kilometern oder hinter der nächsten Ecke passieren. Navigations- oder Schwarmintelligenz-Daten machen das möglich.

Mission E, Konzeptstudie, 2015, Porsche AG
Porsche setzt beim Mission E auf vorausschauende Technologie

Ein elektrischer Antrieb kann dadurch Verzögerungskräfte zum Aufladen der Batterie nutzen. So wird die Reichweitenherausforderung intelligent gelöst. Diese Intelligenz wächst zudem und wird auch weitere kluge Technologien integrieren. Zum Beispiel die immer intelligentere Routenplanung, etwa zum Superschnell-Lader von Porsche oder alsbald hin zu einer induktiv ladenden Strecke. Das ermöglicht im Normalfall künftig ständiges Nachladen zum passenden Zeitpunkt. Intelligente Technik wird es somit möglich machen, die Batterien immer im idealen Ladezustand zwischen 40 und 70 Prozent zu halten. Und wenn zu Hause mal der Strom ausfällt, kann das Elektroauto sogar die Kühltruhe auf Temperatur halten.

Diese Technik hat sogar eine noch weiterreichende Bedeutung für die gesamte Energiewende. Eine große Flotte von Elektro-Fahrzeugen könnte nämlich auch das Problem lösen, flüchtige Energien etwa aus den Spitzen der Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft-Stromerzeugung zwischenzuspeichern: in den Akkus der Automobile – als intelligenter Teil eines Smart-Grid auf nationaler Ebene.

Nachhaltig voran

Denn mit dem Zeitalter der Elektromobilität geht auch eine Energiewende einher, die schon im Meer, auf den Bergen oder Tausenden von Dächern ihren Anfang nimmt: Der Abschied von den fossilen Energien ist zentrales Prinzip für das künftige Wirtschaften und die Mobilität, wie eine Studie des Zukunftsinstituts belegt. Bis spätestens zum Jahr 2050 müssen demnach aufgrund internationaler Verpflichtungen die Treibhausgasemissionen im Verkehr um mindestens 60 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 reduziert werden. Die Klimakonferenzen unterstreichen das.

Die entscheidende Frage ist jedoch, aus welchen Quellen die abgasfreien Autos ihren Strom beziehen: aus Kohlekraftwerken oder aus regenerativen Energiequellen? Laut einer Studie der Organisation Transport & Environment erwies sich zum Untersuchungszeitpunkt 2016 Strom zwar als sauberster Treibstoff. Aber ein Elektrofahrzeug emittiert in Europa indirekt – etwa durch die Stromerzeugung in Kohlekraftwerken – im Durchschnitt rund 78 Gramm CO₂ pro Kilometer. In Ländern mit einem hohen Kohleanteil wie China fällt diese Bilanz noch schlechter aus. Nicht eingerechnet dabei ist zudem der gegenwärtig noch hohe Energieeinsatz für das Herstellen der Batterie, der nach einer Studie des schwedischen Umweltministeriums so viel Emissionen verursacht wie das mehrjährige Fahren eines Verbrennungsmotors.

Doch auch diese Herausforderungen sind nachhaltig lösbar – und sie werden gelöst: Schon 2016 basierten 78,4 Prozent aller neu installierten Stromerzeugungskapazitäten in Europa auf Wind und Sonne. Windenergie ist in der EU nach Erdgas die zweitgrößte Energiequelle. Auch hier kann die Elektromobilität Zeichen setzen – etwa durch den konsequenten Einsatz von Ökostrom bei der Ladetechnik. Die klimaneutrale Mobilität wird so realistisch.

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