Herr Michael, warum geht Porsche bei der Ladetechnologie eigene Wege?

Schnelles Laden passt sehr gut zu unserer Intelligent- Performance-Strategie. Wir haben uns angeschaut, was unsere Kunden wirklich von Elektromobilität erwarten – und wo ihre Wünsche liegen. Dabei gibt es zwei zentrale Herausforderungen: die Energie und die Leistung der Elektrofahrzeuge – und daraus resultierend die Infrastruktur. In diesem Zusammenhang gibt es zwei zentrale Ängste: mangelnde Reichweite und zu lange Ladezeiten.

An diesen beiden Punkten setzt ja auch ein Wettbewerber mit seinen sogenannten Superchargern an.

Ja. Aber wir werden durch die Verdopplung der Hochvoltspannung von 400 Volt auf 800 Volt die Ladedauer revolutionieren. Kurz und knapp: in weniger als 20 Minuten laden, um 400 Kilometer neue Reichweite zu bekommen. Die aktuellen Wettbewerber – wie immer sie auch heißen mögen – benötigen dafür doppelt so lange.

In der IT-Industrie heißt so ein Vorsprung, der die Kunden begeistert, schlicht Killerapplikation.

Da werde ich Ihnen nicht widersprechen. Zur Porsche-Art gehört aber noch mehr, als nur schnell zu sein. Wir werden nicht nur schnelles, sondern zudem auch besonders komfortables Laden ermöglichen.

Was bedeutet das?

Die meisten Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen finden zu Hause statt. Wir bieten daher intelligente Wallboxen an. Intelligent deshalb, da Sie über einen Timer mit einer App genau die Ladezeiten auswählen können, in denen der Stromtarif besonders günstig ist. Zudem können Sie bei Kälte vor der Abfahrt den Innenraum Ihres Fahrzeugs aufheizen oder es bei Hitze abkühlen, so wie Sie es wollen.

Aber schnell soll es natürlich auch gehen?

Selbstverständlich. Wir werden auch hier immer die passende Ladeleistung je nach Kundenwunsch anbieten können. Etwa Laden mit 3,6 Kilowatt für einen Plug-in-Hybriden oder 7,2 Kilowatt, wenn unser Porsche-Fahrer es eiliger hat. Für rein elektrische Fahrzeuge kann sich der Kunde zwischen 11 kW und 22 kW entscheiden.

Da wird ja mancher Energieversorger das Zittern bekommen, weil die sich schon jetzt vor der Zahnärzte-Straße fürchten.

Was ist das denn?

So heißt in dieser Branche eine Wohngegend, in der besonders viele Besitzer von leistungsstarken Elektrofahrzeugen wohnen. Wenn die alle gleichzeitig mit hohen Kilowatt-Zahlen ihre SUVs laden, dann geht im ganzen Viertel womöglich das Licht aus.

Wir kennen diese Herausforderung – und sind selbstverständlich im Gespräch mit den Energieversorgern. Ein Elektrofahrzeug in einem Haushalt kann sehr schnell zu einer Verdopplung des Strombedarfes führen. Aus diesem Grund bieten wir ein integriertes Energiemanagement an, welches bedarfsgerecht die Energie während des Ladevorgangs im Haus regelt.


Was ist noch geplant?

Die gesamte Lade-Infrastruktur inklusive der Ladesäulen verstehen wir als eine Einheit. Zum Beispiel verfügt unser Turbo-Charger über einen integrierten Speicher, mit dem sich drei vollelektrische Fahrzeuge hintereinander ohne Rückgriff auf das Stromnetz aufladen lassen. Dieser Speicher lässt sich sogar mit Solarenergie befüllen. Das ist besonders in Ländern sehr wichtig, in denen die Energieversorgung nicht so nahtlos und schwankungsfrei gewährleistet ist wie in Deutschland.

Das hört sich nach Herausforderung an.

Herausforderungen bringen uns voran. Wir denken darüber nach, wie wir die spezifischen Erwartungen des Porsche-Kunden erfüllen können. Genau dort haben wir angesetzt – wo das bisher noch niemand getan hat.

Nämlich bei den 800 Volt?

Genau. Denn dadurch können wir etwas erreichen, was unsere Kunden bei einem Porsche besonders schätzen: ein optimiertes Leistungsgewicht, auch beim Laden.

Was bedeutet das?

In der Physik gibt es die Gleichung P gleich U mal I. Leistung ist gleich Spannung mal Stromstärke. Wenn Sie also mehr Leistung wollen, dann müssen Sie an einer der beiden Variablen drehen. Und bisher machen das alle Anbieter, indem sie die Stromstärke erhöhen. Das bedeutet aber: Die Kabel müssen dicker werden – das bedeutet wiederum einen massiven Gewichtzuwachs und man kommt sehr schnell an Systemgrenzen. Um das zu umgehen, setzen wir bei unserem Ladesystem bei der Spannung an.

Ist es denn nicht ein Problem, wenn nur Porsche ein 800-Volt-Fahrzeug anbietet?

Nein. Wir sind stolz darauf, dass die weltweite Norm auf 1000 Volt angepasst wurde.

Droht da nicht bei der Lade-Infrastruktur ein Wirrwarr an Standards?

Überhaupt nicht, denn die Stecker sind alle gleich.

Was halten Sie vom induktiven Laden?

Es gibt noch viele technische Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Wir sind froh, dass hier für den gesamten Volkswagen Konzern eine einheitliche Lösung gesucht wird. Das wird wesentlich helfen, einen Standard zu setzen. Aber induktives Laden wird ohnehin zunächst nur bei den heimischen Garagen angeboten werden. Denn schließlich finden dort 80 Prozent aller Ladevorgänge statt.

Leistungsstarke E-Fahrzeuge haben ein 48-Volt- Bordnetz – was bringt das im Fahrzeug konkret?

Da geht in der öffentlichen Debatte auch manches durcheinander. Letztlich bestimmt der elektrische Verbraucher, welches Bordnetz sinnvoll ist. Für die Microcontroller im Auto etwa sind 1,5 Volt ideal. Die klassische 12-Volt-Architektur ist sehr robust. Aber wenn Sie Hochleistungs- Assistenz- oder Fahrwerkssysteme blitzschnell und in Echtzeit betreiben wollen, wie zum Beispiel den Wank-Stabilisator, dann brauchen Sie ein 48-Volt-Bordnetz. Jenes können Sie auch für redundante Systeme zusätzlich zum 12-Volt- Bordnetz einsetzen, um automatisiertes Fahren zu realisieren.

Die von den Kunden gewünschten Reichweiten von 500 Kilometer und mehr setzen leistungsstarke Batterien voraus. Arbeitet Porsche auf diesem Gebiet mit externen Partnern zusammen?

Ja, es ist uns wichtig, alle wesentlichen Batterie- Eigenschaften mitzugestalten, denn die Zellen bei unseren Hochleistungs-Sportwagen müssen höhere Leistungen bringen. Auf dem gegenwärtigen Stand der Batteriezellen-Entwicklung müssen Sie immer noch Kompromisse eingehen. Darum ist uns an einem besonders ausgewogenen Gesamtsystem sehr gelegen. Überdies müssen auch alle Nebenaggregate, wie zum Beispiel die Kühlung, genau darauf abgestimmt werden, dass unsere Fahrzeuge Dauer-Höchstleistungen bringen können. Aus diesem Grund pflegen wir direkte Kontakte mit den relevanten Batterie-Zellherstellern.

Wie die Anbieter LG oder Panasonic?

Genau. Die sind bisher ja von ihrer Geschichte her Batterie-Experten vor allem für die Hersteller von Smartphones und deren Smartphone-Anforderungen gewesen. Im Auto haben Sie aber, was die Leistungsfähigkeit, Sicherheit oder Haltbarkeit anbelangt, erheblich höhere Anforderungen. Die Zelle alleine macht aber natürlich noch keine Höchstleistungsbatterie aus. Wir müssen also mit den Herstellern aller Komponenten sprechen. Und es geht auch um die Neben-Aggregate, die für die besonderen Anforderungen in einem Elektroauto angepasst werden müssen. Zuletzt nehmen wir auch wesentlichen Einfluss auf die Arbeit der Systemlieferanten, die das komplette Paket zuliefern. Denn die Batterien haben ja beispielsweise auch starken Einfluss auf die Fahrdynamik. Da kommt für uns bei Porsche nichts von der Stange in Frage.

Das klingt so, als ob sich die Porsche-Entwicklungsleistung beim E-Motor gar nicht wesentlich von der für einen klassischen Verbrenner unterscheidet.

Das ist wahr. Wir wollen alle Eigenschaften mitentwickeln. Der einzige Unterschied zur Entwicklung eines Verbrennungsmotors ist lediglich, dass wir die Brennverfahren selbst entwickeln. Bei der Zellchemie steuern wir das über unsere Anforderungen.

Zeichnen sich in absehbarer Zukunft eigentlich technologisch revolutionäre Entwicklungen ab, die die Batterien deutlich leistungsfähiger machen?

Unser Mission E hat schon jetzt ein ziemlich hohes Niveau erreicht. Außerdem erwarten wir bei der klassischen Lithium-Ionen-Batterie für die absehbare Zukunft ohnehin weitere Effizienzsteigerungen von bis zu fünf Prozent pro Jahr. Diese vorhersehbaren Optimierungsprozesse machen also auf lange Sicht für sich allein genommen schon eine ganze Menge an Leistungssteigerung aus.

Was versprechen Batterien ohne Flüssigkeit, von denen jetzt öfter die Rede ist?

Sie meinen Festkörper-Elektrolyt-Batterien. Wir rechnen nicht vor 2025 mit den ersten automobiltauglichen Exemplaren. Zusammen mit unserem Partner Quantumscape sind wir da schon sehr weit. Auch die Lithium-Luft-Technologie ist spannend.

Wie lang dauert es da?

Vor dem Jahr 2030 werden wir da realistisch betrachtet sicherlich keinen Serieneinsatz zu erwarten haben.

Na ja, angesichts der üblichen Entwicklungszyklen in der Industrie hört sich das ja nicht nach Science-Fiction an. Beim vollautonomen Fahren fällt der Glaube an die schnelle Umsetzung schon schwerer.

Täuschen Sie sich nicht. Level 5, das Fahren ohne Lenkrad, Bremse und Gaspedal, das ist zwar ohnehin nicht gerade das wichtigste Porsche- Ziel, aber wir sind beim automatisierten Fahren schon wichtige Schritte vorangekommen: Nehmen Sie als Beispiele Stauassistenten, quer- und längsregelnde Assistenzsysteme … Das sind ja schon heute Pflichtübungen. Mit der digitalen Vernetzung und dem „Car for Life” gibt es nun die Möglichkeit für den Kunden, das Fahrzeug fit für die Zukunft zu machen, ohne dass er in eine Porsche-Niederlassung muss.

Mission E, Konzeptstudie, 2015, Porsche AG
Der Porsche Mission E.


Wodurch?

Wir halten ja etwa beim Infotainment schon heute die Systeme over-the-air, also über die Luftschnittstelle, auf dem neuesten Stand ...

… wie beim Update meines Smartphones über Nacht?

Ja. Das wird aber auch in vielen anderen Bereichen Einzug halten.

Etwa beim Fahrwerk, bei der Motorleistung oder bei der Sicherheit?

Da ist viel machbar. Manche Dienste sind obligatorische Aktualisierungen vorhandener Funktionalitäten. Andere werden Sie individuell so freischalten können, wie Sie sie gerade brauchen – vielleicht auch nur auf Zeit. Mehr Motorleistung oder ein neuer Aquaplaning-Warner sind da nur zwei Beispiele.

Dieser Aquaplaning-Dienst könnte dann auch das Auto hinter mir warnen?

Per Schwarmintelligenz – durchaus. Aber es gibt eben auch viele elektronische Services, die das Leben des Fahrers am Steuer schlicht erleichtern.

Zum Beispiel?

Warum sollten Pakete nicht einfach mit einer dementsprechenden App und Fernöffnung vom Lieferanten in meinem Kofferraum abgelegt werden können? Wieso sollte mich mein Fahrzeug nicht zu einem freien Parkplatz dirigieren – und den auch gleich reservieren und die Kosten abrechnen? Viele solcher Annehmlichkeiten für den Fahrzeughalter sind denkbar.

Per App im Auto-Display?

Genau. Da haben wir unsere Kompetenzen stark ausgebaut.

Könnten das nicht genauso gut freie App-Anbieter machen?

Wir wollen aber ein Angebot auf Porsche-Niveau auch im Design und im Bedienkomfort, so wie es ein Porsche-Kunde erwartet. Das ist ein Teil unseres Markenwertes, der immer wichtiger wird.

Wie damals, als Porsche den Touchscreen ins Auto gebracht hat?

Wir waren die Ersten in Deutschland. Weil wir eben auf die Kunden gehört haben – und deren Wünsche an die Bedienung. Heute beherrscht unser Touchscreen genauso viele Gesten wie ein iPhone.

Von Apple lernen heißt siegen lernen?

Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans haben wir das mit unserem 919 Hybrid auch ganz gut ohne Apple hinbekommen … Aber Sie haben schon Recht: Bei digitalen Diensten, bei Hard- und Software können wir natürlich in der Partnerschaft mit IT-Firmen dazulernen. Es geht aber bei allen unseren originären elektronischen Angeboten immer um das spezielle Porsche-Gefühl im Leben.

Können Sie uns dafür ein konkretes Beispiel geben?

Assistenzsysteme sind uns natürlich sehr wichtig. Weil unsere Kunden auch nachts gern sportlich fahren wollen, brauchen wir besonders intelligente Lichtsysteme, die weiter vorausschauen, als dies der Mensch kann. Hier helfen neben der Technik auch Vernetzung und digitale Dienste. Oder nehmen Sie zum Beispiel den Turbo-Charging- Planner für unsere batterieelektrischen Antriebe: Da wird die Schnelllade-Möglichkeit optimal auf Ihre Routenplanung abgestimmt, sodass Sie mit möglichst wenig Zeitverlust und einer vorreservierten Ladesäule auf Ihrer Strecke den entscheidenden Vorsprung herausfahren. Das ist der Mehrwert, der unseren Markenkern mitbestimmt.

Die digitale vernetzte Welt wird ja gerade noch einmal zusätzlich durch Künstliche Intelligenz revolutioniert. Wird das auch unser Fahrerlebnis in einem Porsche verändern?

Porsche-Fahren ist immer großartig. Das Leben in einem Porsche wird aber sicher reichhaltiger durch KI. Denn die enorme Leistungsfähigkeit heutiger Halbleiter macht es erst möglich, im Back-End und lokal im Auto so viele Daten zu verarbeiten und zu vernetzen, dass dadurch selbstlernende Systeme möglich werden.

Wozu ist das gut?

Ihre natürliche Sprache bei der Fahrzeugbedienung werden diese Systeme dank KI immer besser verstehen – auch, wenn Sie Urdu oder Azeri sprechen. Und hochautomatisiertes Fahren in einer komplexen Umgebung wird überhaupt erst möglich in Systemen, die selbstständig immer klüger werden.

Fürchten Sie da nicht, dass die Künstliche Intelligenz in Zukunft auch Sie und Ihre Kollegen ersetzen wird?

Für solche Ängste gibt es keinerlei Grund. Vielmehr hoffe ich, dass mir die Künstliche Intelligenz effektiver bei der Arbeit hilft. Im reproduzierenden Lernen sind die Systeme extrem stark – und unterstützen mich bei der Informationssuche. Beim kreativen Denken werden die Ingenieure aber auch in Zukunft besser bleiben.

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