Richard Attwood, Porsches erster Gesamtsieger in Le Mans 1970, ist heute 77 Jahre alt – und hat damit einen Lebensabschnitt erreicht, in dem die meisten Normalsterblichen schon längst einen Gang zurückgeschaltet haben. Doch für einen, der vom 917K über den Triumph TR3A und mehrere 908er bis hin zur Formel 1 so ziemlich alles gefahren hat, kommt Ruhestand gar nicht infrage.
Wir treffen den lebenslustigen Briten hinter dem Steuer eines Porsche 928, mit dem er sich voll jugendlichem Elan auf den Oulton Park Gold Cup vorbereitet. Attwood kann in dieser Saison bereits auf einige beeindruckende Ergebnisse verweisen, darunter einen Podiumssieg beim ersten Lauf in Silverstone. An diesem Wochenende tritt er also beim Kultrennen des britischen Historic Sports Car Clubs gegen andere Rennwagen der 70er-Jahre an, darunter Raritäten wie den Morgan Plus 8 und den MG B.
Der 928 feiert seinen 40. Geburtstag
Warum Porsche mit einem 928er vertreten ist? Ganz einfach: Der 928 feiert seinen 40. Geburtstag. Und Porsche wäre nicht Porsche, wenn man den Klassiker nicht aus dem Dornröschenschlaf holen und ins Rennen schicken würde.
Doch noch faszinierender als das Aufgebot an berühmten Automobilen ist der fitte Rennfahrer Attwood. Wie kommt es, dass ihn nach all diesen Jahren noch immer ein so ungebrochener Siegeswille beseelt? „Es ist wie beim Radfahren: Wenn man es einmal gelernt hat, verlernt man es nie wieder. Ich habe das Glück, etwas gefunden zu haben, worin ich gut bin. Warum sollte ich damit aufhören?“
Allerdings ist dies Attwoods erste echte Rennsaison seit einer längeren Pause. Seine Auftritte auf dem historischen Goodwood Festival of Speed and Revival in den letzten Jahren hat Attwood genossen – aber eine ganze Reihe von Rennen in kurzer Folge zu absolvieren, ist eine Herausforderung, der sich die Rennsportlegende in diesem Jahr zum ersten Mal wieder stellt.
Richard Attwood: „Das war eine ganz andere Atmosphäre damals.“
Eine Rückkehr zu alten Zeiten sieht Attwood darin nicht. Einige von uns mögen meinen, dass sich die heutigen Clubrennen in historischem Ambiente nicht allzu sehr von den Formel-1-Meisterschaften unterscheiden, die Attwood auf dem Höhepunkt seiner Karriere fuhr. Doch diesem Irrglauben widerspricht Attwood vehement:
„Das war eine ganz andere Atmosphäre damals. Heute geht es in Oulton Park relativ entspannt zu, aber in den 60ern und 70ern gab es eine Menge Druck. Porsche hat hohe Summen für die Formel 1 ausgegeben, und für jedes Rennen wurde ein genauer Plan aufgestellt. Am Anfang hatte Porsche sogar die – allerdings nie umgesetzte – Idee, jeden Fahrer für jedes Rennen mit einem neuen Fahrzeug auszustatten. So wollte man Probleme mit der Verlässlichkeit vermeiden, weil auf winzige Details ankam.“
Zum Kampfgeist jener Tage passte der bewundernswerte Ehrgeiz von Porsche, ständig hinzuzulernen und sich weiterzuentwickeln. Dies war einer der Gründe, weshalb sich der Brite für den Stuttgarter Sportwagenhersteller entschied. Nichts machte Attwood glücklicher, als Neues zu lernen. Daher gehört das Rennen im straßenzugelassenen Triumph in seiner ersten Saison zu seinen schönsten Erinnerungen.
Geradlinig und realistisch
Attwood ist ein geradliniger, realistischer Mensch. Als Porsche ihn fragte, was er für Le Mans 1970 brauche, entschied er sich für den ältesten Fahrer, Hans Herrmann, als Teamkollegen, und den kleineren 4.5-Liter-Motor, „weil ich wusste, dass wir so größere Chancen hatten, das Rennen zu gewinnen. Alles sollte möglichst einfach sein.“ Nicht, dass es Attwood an Erfolgshunger fehlte. Die ersten Stunden des Rennens verbrachte er noch damit, seine Wahl zu bereuen, denn die 917er mit ihren 5.0-Liter-Motoren fuhren ihm schlicht davon.
Besonders stolz war Attwood, als er 1963 in Monaco bei der Formel Junior gegen Größen wie Frank Gardner und Jo Schlesser gewann. Wie alle Rennprofis blickt Attwood mit kritischer Distanz auf die Höhen und Tiefen seiner Laufbahn zurück. Die verlorenen Jahre bei BRM bereut er zwar, doch ohne Bitterkeit. „Es kam, wie es eben kam. Meine Karriere geriet zwar mit BRM ins Stocken, aber wer weiß, was sonst passiert wäre. Vielleicht wäre ich gar nicht mehr am Leben, wenn ich dauerhaft in die Formel 1 eingestiegen wäre. So ist es vielen anderen ergangen.“
Diese Umstände haben Attwood zu der entspannten Persönlichkeit gemacht, die er heute ist. Natürlich ist er ehrgeizig – anders hätte er all dies nicht erreicht – zugleich aber glücklich und zufrieden. Nach Goodwood kehrt er immer wieder gerne zurück. „Hier mache ich in letzter Zeit Karriere“, scherzt er – und genießt die Gespräche mit Rennsportbegeisterten, ohne arrogant zu wirken oder mit seinen Erfolgen hausieren zu gehen.
Von Ruhestand kann noch keine Rede sein
Ein Mann, der kein großes Ego braucht und sich nicht von Emotionen überwältigen lässt: „Ich weiß gar nicht mehr, wie mein Vater auf meinen Sieg in Le Mans reagierte“. Ganz deutlich hingegen hat er sämtliche Fahrzeuge und Rennen seiner Laufbahn vor Augen. Das soll nicht heißen, dass der Brite eine Maschine wäre – es zeugt nur von seiner sachlichen Einstellung gegenüber seinem Job.
Genau: seinem Job. Als solchen betrachtet Richard Attwood die Rennfahrt auch heute noch, schließlich ist er ein Profi. Von Ruhestand kann für den 77-Jährigen also noch keine Rede sein. Zum Glück.