Wertanlage Porsche

Sich mit 20 Jahren einen Zuffenhausener Sportwagen zu kaufen, ist schon außergewöhnlich. Aber dann auch noch der Transaxle-Version 928 S4 zu verfallen, ist bemerkenswert: Pia Beckmann hat sich ihren automobilen Traum früh verwirklicht.

V8-Geblubber, dann Gebrüll, dann Geknurre – die ganze Sinfonie der Zuffenhausener Abgasvertonung kommt aus den Rohren hinten an diesem runden Heck. Pia Beckmann lacht glücklich und steigt aus ihrem Auto. Sie ist jung, sie ist hübsch und sie kann rechnen: Die angehende Verwaltungsfachangestellte beim Kreis Pinneberg in Schleswig-Holstein hatte ein bisschen gespart und ließ sich von den aktuellen Zinssätzen der Sparbücher nicht überzeugen – bei einem Prozent wirft ja heute die Sparsocke unter dem Bett fast mehr Kapital ab. Also: Porsche 928 S4.

Ihr Herz schlug schon seit ihrem ersten Auto, einem ziemlich coolen Golf 1 Cabrio, für altes Blech. Gern mit ordentlich Feuer unter der Haube, gern aus Deutschland und gern – Achtung! – als Wertanlage. Hä? Ein altes Auto? Da biegen sich die Fußnägel der meisten Kenner spontan nach oben. Okay, Oldtimer steigen zurzeit generell im Wert, aber es „lohnt“ sich doch erst ab einem 300 SL. Oder?

Ja, ein Porsche 928 soll es werden. Sicher.

Nein. Beckmanns Papa fährt einen Porsche 928, den sie auch ziemlich cool findet. Porsche? Papa winkt ab. Ein 911er kommt sowieso nicht in Frage, die Preise gehen hier für Kernschrott bei 20.000 Euro los, das ist dann doch zu unvernünftig für die rechnende Dame. Aber sie gibt nicht auf. In verschiedenen Magazinen und im Internet wühlt sich Pia durch die Angebote, lässt sich erklären, wo die Schwachstellen vom sehr kontrovers diskutierten V8-Frontmotor-Porsche sind und ist nach und nach sattelfest in der Materie. Ja, ein Porsche 928 soll es werden. Sicher.

Pia Beckmann, Porsche 928, 2017, Porsche AG
Pia und ihr Traumauto: der Porsche 928 S4

Und sie beweist Gespür für das Besondere. Den 928 sah man das erste Mal 1977 auf dem Genfer Autosalon, und er war ein bisschen das, was heute der Panamera ist: „Der große neue Sportwagen von Porsche“. Lange Nase, runder Hintern und konsequente Leichtbauweise mit Aluteilen dort, wo geschraubt und nicht geschweißt wurde, flashten dem Publikum und der Presse einen Fladen mit runden Klappscheinwerfern vor die Füße, der länger, breiter und flacher war als der Dauerbrenner 911. Und sich mit seinen 15“- oder gar 16“-Leichtmetall-Lochscheibenrädern gleich die erste Schelle einfing: „Telefonwählscheibendesign“. Heute, wo Smartphones den Markt dominieren, kein Thema mehr, damals aber Schmäh-Ausdruck der Stehenbleiber und ewig Gestrigen.

Der Porsche 928 zeigte der Welt, was technischer Fortschritt ist

Aber die hatten eine starke Lobby. Man wollte dem 928 den Sportwagen nicht von Anfang an abnehmen, war er doch viel luxuriöser ausgestattet als alle seine Vorgänger. Welcher Sportwagen konnte damals schon mit einer Klimaanlage punkten, die sogar das Handschuhfach kühlte? Der große Leichtmetall-V8 kauerte sich tief unter die Motorhaube, und zwar vorne. In einem Porsche? Logo – das Getriebe saß vor der angetriebenen Hinterachse und sorgte in der Transaxle-Bauweise für eine sehr gute Gewichtsverteilung. Hinten gab es dafür eine große Klappe, rund verglast, wie beim AMC Pacer.

Der allerdings war hässlich und floppte. Der 928 dagegen wurde immerhin gleichermaßen gelobt und gehasst und zeigte der Welt, was technischer Fortschritt ist. Vorstand Ernst Fuhrmann schrieb in die Auftragsbücher, dass der 928 den 911 ablösen solle. Doch er hatte nicht mit der solventen Fangemeinde des Klassikers 911 gerechnet, die dem harten, unkomfortablen und übersteuernden Heckmotor-Saurier die Treue hielt. Den „neuen“ Porsche sah man nicht als Sportwagen, sondern als komfortablen und schnellen Reisewagen. Ein Gran Turismo – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Er löste den 911 dann doch nicht ab, als Konsequenz für diese vergeigte Modellpolitik wurde aber Fuhrmann 1981 von Peter W. Schutz abgelöst.

1986 rollte der 928 S4 in die Verkaufsräume

Bereits 1979 kam der 928 S mit diversen Detailverbesserungen und einem fetteren Motor. Seine Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit stellte er 1983 bei einem 24-Stunden-Dauertestlauf auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Nardo unter Beweis. 6.033 Kilometer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 251,4 km/h spulte der Testwagen pannenfrei ab.

Porsche 928, 2017, Porsche AG
In die Liga der Leistungssportler: der 928 S4 mit dem Fünfliter-V8-Motor

1986 (es gab den 911 noch immer) rollte der 928 S4 in die Verkaufsräume. Mit seinem Fünfliter-V8 und 235 kW (320 PS) bei 6.000/min katapultierte er sich direkt in die Liga der geräumigen Leistungssportler – Vierventil-Aluköpfe, vier Nockenwellen, Super Bleifrei und fünf geschaltete Gänge oder vier in der Automatikversion.

Ein einziger blieb übrig: ein dunkelblauer S4 von 1987

Die endgültige Ausbaustufe bildete der ab 1991 gebaute GTS mit noch breiterem Heck, noch größeren 17-Zoll-Felgen und einem Heckflügel in Wagenfarbe, der bis zum Produktionsende 1995 fast unverändert blieb. Zuletzt wurden für diesen Über-Porsche rund 167.890 Mark aufgerufen, was auch für einen Sportwagen durchaus eine Ansage war. Das 911 Carrera Coupé lag inzwischen bei 128.270 Mark. Man spricht ja nicht über Geld, aber das Thema war bei Beckmann durchaus kaufentscheidend. Die Preise für gebrauchte 928 S4 stiegen zwischen 2005 und 2010 um 50 Prozent – welche Aktie schaffte das denn schon?

Pia machte zusammen mit ihrem Vater eine Checkliste – und die meisten der bereits vorgemerkten Porsche fielen spontan durchs Raster. Ein einziger blieb übrig: ein dunkelblauer S4 von 1987. Rund 160.000 Kilometer auf den Puschen, Lack nicht mehr überall perfekt und der Himmel hing ein bisschen runter. Vielleicht hat deshalb nicht sofort jemand anders zugeschlagen? Das Gespräch mit dem Händler ergab jedenfalls eine lange Wartungsliste erledigter Arbeiten, gerade erst wurden der Zahnriemen und die Wasserpumpe gewechselt. Alles mit Dokumenten belegt und alles in einer Fachwerkstatt. Da schlug es wieder, das Herz, aber es gewann nicht die Macht über den Verstand.

Die gerade mal 20 Jahre alte Pia kaufte das Auto ihrer Träume

Beckmanns Vater kam mit zur Probefahrt, um aus seinem großen Erfahrungsschatz mit dem eigenen 928 S zu schöpfen. Aber das war gar nicht nötig. Die Probefahrt war kurz und einwandfrei. Die Nadelstreifensitze waren halt, nun ja, 80er Jahre, daran würde man sich gewöhnen. Und der vom leichten Wassereinbruch runterhängende Himmel konnte repariert werden. Ein Telefonat mit dem Vorbesitzer ergab, dass alle Angaben und Unterlagen richtig waren – und die gerade mal 20 Jahre alte Pia kaufte das Auto ihrer Träume.

Für wesentlich weniger, als ein Rost-911 kosten würde. Zwei Tage vor Heiligabend wurde der geräumige Sportler mit einem Trailer geholt und die ruhige Hand sowie die Geduld auf eine letzte Probe gestellt: Blitzeis. Schon der Hinweg mit dem Zugfahrzeug erwies sich als echte Herausforderung, bei Schneetreiben wurde der 928 verladen und im Schritttempo ging es wieder nach Hause. Ja, war denn schon Weihnachten? Im Hause Beckmann auf jeden Fall.

Der 928 klebt auf der Straße

Und tatsächlich mussten Pia und ihr Papa nur Kleinigkeiten richten. Der Wassereinbruch ließ sich lokalisieren und beheben, alles was hineingeflossen war wurde mit unzähligen Trocknungspads wieder herausgezogen. Jetzt ist er trockengelegt. Alle Flüssigkeiten und ein paar Schläuche wurden vorsorglich getauscht, und nun steht er da, kerngesund, blubbernd, brüllend, knurrend. Die aufgeklappten Scheinwerfer wirken ein bisschen wie ein aufmerksam guckender Frosch. Aber derartige Assoziationen aus dem Tierreich verblassen, wenn Pia den ersten Gang einlegt. Ja, er ist geschaltet, ein Automatikgetriebe wollte sie nicht.

Porsche 928, 2017, Porsche AG
Die aufgeklappten Scheinwerfer des Porsche 928 S4

Die 400 Newtonmeter drücken Fahrerin und Beifahrer kompromisslos in die Nadelstreifensitze. Vorn verwischt die Straße zu bunten Streifen, hinten bleiben ein paar Wölkchen des unter Volllast nicht ganz astrein verbrannten Supers zurück. Er klebt auf der Straße, der 928, da gibt es gar kein Vertun. Im graublauen 80er-Jahre-Cockpit mit den roten Ziffern und Buchstaben laufen alle Meldungen nach Plan, keine Lampen leuchten, wo sie es nicht sollen. Kurzer Stopp an der Kreuzung. Die Luft wabert über der Haube, die Lüfter drücken Massen an Hitze unter dem Fahrzeug heraus. Der V8 produziert eine so sagenhafte Abwärme, dass hinter uns spontan die Bäume blühen und tropische Tierarten entlang des Weges heimisch werden. Wow. Und schon geht es weiter, atemlos, ein Blumenstrauß an G-Kräften und dabei immer hübsch komfortabel. Was für ein supercooles und auch schönes Auto.

Der Urvater des Panamera fand damals nie einen würdigen Nachfolger. Na und? Pia Beckmann ist angekommen, mehr Sportwagen braucht sie wirklich nicht. Wenn sie bald das Abi in der Tasche hat, beginnt ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten. Und das Rechnen hat sie schon jetzt gut drauf. Dieses Auto wird im Wert nicht mehr sinken, im Gegenteil, es wird noch dramatisch steigen. Und da macht es gleich noch ein bisschen mehr Spaß, am Wochenende durch Norddeutschland zu cruisen und den älteren Herren mal zu zeigen, was guter Geschmack einer Auszubildenden bedeutet. Und auch wenn ihr Modell andere Räder hat – aber was eine Wählscheibe ist, hat sie durch das Auto gelernt…

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