Die Liebe zum 356 A war stärker

Andrew Gunn hatte ihn verkauft: seinen ersten hart erarbeiteten Porsche 356 A, nur weil er offen fahren wollte. Er bereute das bitter und holte sein Coupé CEO 356 zurück.

Auf meinem Weg zum Interview mit Andrew Gunn spüre ich zum ersten Mal, welchen Himmel auf Erden Andrew sich hier geschaffen hat. Wir fahren eine steile Bergstraße hinauf, zwischen satt grünem Gras und Apfelblüten. Es ist der erste Frühlingstag in Südafrika. Unten im Tal erwärmt die stärker werdende Sonne das Land. Doch auf der Straße, die uns nach oben führt, fahren wir geradewegs in die tief hängenden Wolken, über denen sich der Berg verbirgt. Als wir in dichtem Nebel die großen, gusseisernen Tore des Weinguts Iona passieren, könnte man meinen, wir befänden uns in den schottischen Highlands. 

Andrew Gunn ist Winzer, Kunstsammler und Porsche-Liebhaber. Ich treffe ihn inmitten dessen, was er liebt – umgeben von seiner Familie, einer Farm, die den Himmel berührt, und wunderschönen Kunstwerken in einer schlichten Umgebung. Als ich Andrew besser kennenlerne, erhalte ich Einblicke in die wertvollen Erfahrungen aus einem Leben, das geprägt ist von harter Arbeit, Durchhaltevermögen und den Belohnungen eines gewagten Balanceakts. Die Probierstube des Weinguts Iona, in der wir Platz genommen haben, ist ein schöner Ort voll heiterer Gelassenheit, mit Terrakotta-Fliesen und Tageslicht, das den Raum erfüllt. Auf der einen Seite sehen wir, wie die Weinberge in der Tiefe verschwinden. Der Blick fällt wie durch einen Rahmen auf die stolze Skulptur eines Ein-Mann-Orchesters. Stücke aus Andrews Sammlung zeitgenössischer Kunst zieren die Wände der Probierstube. Und am Ende des Raums, im schwachen Sonnenlicht, steht Andrews erste Liebe: ein 1958er Porsche 356A in Silber-Metallic (Lackcode 5606) mit dem Kennzeichen CEO 356.

Andrews Liebesbeziehung mit dem 356 A begann im Jahr 1969

Das Auto ist wunderschön restauriert, doch der Schlamm in den Radkästen weist darauf hin, dass es sich hier nicht nur um ein Museumsstück handelt. Dieses Auto wird gefahren. Andrews Liebesbeziehung mit dem 356A begann im Jahr 1969. Als er an der Universität Bauingenieurwesen studierte, verliebte sich Andrew in die schönen Linien des 356. Obwohl es in Südafrika zu jener Zeit nur eine Handvoll Porsches gab, konnte Andrew durch seinen Ferienjob den vollen Kaufpreis für einen gebrauchten 356A aufbringen. Ein Betrag von 675 Südafrika-Rand (damals 340 Britische Pfund) wechselte den Besitzer und der neunzehnjährige Bauingenieur-Student war stolzer Eigentümer eines der schönsten deutschen Autos aller Zeiten. Doch die Schwarzmaler prophezeiten, dass Andrew sein Studium nicht schaffen würde – junge Männer, Porsche und die Pflichten eines Hochschulstudiums, das passte nicht zusammen. Sie hatten Recht. Andrew brach das Studium ab; er hatte das Gefühl, an einem Arbeitsplatz besser aufgehoben zu sein als in der Universität. Doch fünf Jahre später kehrte er zurück und beendete sein Studium. Trotz Porsche.

Andrew Gunn, 356 A 1600 Super, Südafrika, 2016, Porsche AG
Andrew Gunn hat viel Zeit in seinen ersten Porsche investiert

In den frühen 1970er Jahren erfreuten sich offene britische Sportwagen großer Beliebtheit. Es war die Glanzzeit der Austins, der MGs, der Triumphs und der Alfas. Als er einem wunderschönen 3000er Healey begegnete, konnte der junge Andrew der Verlockung des Offenfahrens, dem unbekümmerten Lifestyle und dem tollen Sound der Dreiliter-Maschine nicht widerstehen. Beide Autos konnte er nicht behalten. So verkaufte er den 356, aber er sehnte sich immer nach genau diesem Porsche zurück.

Nachdem er an die Universität zurückgekehrt war und sein Studium beendet hatte, beschloss Andrew, seine erste Liebe wiederzufinden. Er befand sich noch immer im Besitz desjenigen, dem er es verkauft hatte, aber sein Zustand war beklagenswert. Es sah so aus, als hätte man die Karosserie mit einem Pinsel lackiert, und nach einem kapitalen Motorschaden war ein VW-Motor eingebaut worden. Die schöne Originalpolsterung hatte einem roten Fellbezug weichen müssen. Der Anblick zerriss Andrew das Herz. Doch obwohl der Eigentümer ganz offensichtlich ungeeignet für dieses Auto war, wollte er es nicht wieder an Andrew verkaufen. Der gab aber nicht auf – und hatte schließlich Erfolg: Der Eigentümer ließ sich dazu überreden, dass Andrew das Auto wieder in seinen Originalzustand versetzen und dafür Miteigentümer werden würde.

356 A in hellem Tageslicht – wie ein Stück Himmel auf Erden

Als Andrew die erstaunliche Geschichte dieser Frühphase seiner Zeit als Halter des Fahrzeugs erzählt, bricht die Sonne durch die Wolken. Jetzt erstrahlt der kurvenreiche 356 A im hellen Tageslicht. Für mich sieht all das aus wie ein Stück Himmel auf Erden. Wir sitzen in Reichweite eines der legendärsten Fahrzeuge der Automobilgeschichte, während wir über die sanften Hügel von Andrews Weingut blicken, umgeben von einzigartigen zeitgenössischen Kunstwerken aus seiner Sammlung. Beim Anblick der Skulptur des Ein-Mann-Orchesters, die über die Weiten von Andrews Farm wacht, wird einem klar, wie dieser außergewöhnliche Mann sein Dasein orchestriert und im Leben wie in der Natur das perfekte Gleichgewicht und den perfekten Rhythmus gefunden hat. Doch Andrew ist auch jemand, der die Trommel schlägt und den Takt vorgibt.

In den Jahren nach seinen ersten Autokäufen fuhr so mancher Porsche über Andrews Einfahrt – von einem 356 B über einen 1600 Super Speedster bis hin zu den leichten RS der 80er und 90er. Obwohl er sich selbst nicht als Sammler sieht, besaß er in den 1980er und 1990er Jahren einige der seltensten Porsche Südafrikas. Mit seiner Vorliebe für Rennfahrzeuge wurde Andrew außerdem ein angesehener Pilot in der südafrikanischen Rennsportszene. In diesen Jahren war er Vorsitzender des südafrikanischen Porsche-Clubs.

Andrew schwärmt von der Präzision der Lenkung und des Fahrwerks

Nach einer äußerst erfolgreichen Laufbahn als Bauingenieur beschloss Andrew 1997, das Tempo zu wechseln und seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Er hatte schon immer ein Herz für die Natur, und so wagte er in der Region Westkap den Sprung in die Landwirtschaft. Mit harter Arbeit und Durchhaltevermögen erweckte Andrew eine heruntergewirtschaftete Apfelplantage zu neuem Leben und baute eines der angesehensten Weingüter Südafrikas auf. Der Höhe, dem Boden und dem kühlen Wetter ist es zu verdanken, dass Andrew in seinen viel kühleren Weinbergen hoch in den Bergen von Elgin einzigartige Trauben erntet. Wenig überraschend trägt die rote Cuvée den Namen „One Man Band“. Auf dem Etikett prangt eine künstlerische Darstellung der Skulptur, die über Andrews Weingut wacht – ein Gleichnis des perfekten Gleichgewichts, das sich in den Früchten seiner Arbeit findet. 

Zu Beginn dieses Jahres ließ sich Andrew einen 991 GT3 RS liefern, Porsches neueste Inkarnation einer Legende, die im Jahr 1948 das Licht der Welt erblickte. Andrews Augen beginnen zu leuchten, wenn er von seinen Momenten hinter dem Steuer des GT3 RS erzählt. Wie in einer Zeitschleife, als wäre er wieder 19 Jahre alt, durchlebt er seine frühen Erinnerungen an die 356 A. Er schwärmt von der Präzision der Lenkung und des Fahrwerks, als befänden wir uns wieder im Jahr 1969 und ein junger Andrew säße hinter dem Steuer der „A“. Auf dem 500 PS starken 991 prangt das Kennzeichen CEO 911, doch ist vollkommen klar, dass die dadurch hervorgerufenen Emotionen nie an die „Lady“ CEO 356 heranreichen werden. Seine erste große Liebe räkelt sich im Licht der Sonne, einen Meter von uns entfernt, als wir die Fotoalben von Andrews Liebesaffären mit Porsche in den letzten 47 Jahren durchblättern.

356 A 1600 Super, Südafrika, 2016, Porsche AG
Teil der Familie: Der Porsche darf ins Haus

Ein ganz besonderes Kapitel erzählen zwei, drei jüngere Fotos in einem der Alben. Sie zeigen ein Becker-Radio, Andrew und seinen Freund Arthur. Meine Fragezeichen im Kopf werden noch größer, als Andrew herzlich lacht, als er das Foto erblickt, und er beginnt eine kleine Geschichte zu erzählen. Das Becker-Safari-Radio ist ein Geschenk eines guten Freundes, Farmerkollegen und Porsche-Sammlers: Arthur Pillman, der erste Porsche-Besitzer in Südafrika. Als der vor vielen Jahren seine Stellung kündigte, prophezeite ihm sein damaliger Chef, er werde mit seiner Farm keinen Erfolg haben. Doch es kam anders, und Arthur hatte das Nachtreten seines Ex-Chefs eigentlich schon längst vergessen. Einige Jahre später, als Importeur Lindsay Saker die Konzession für den Verkauf von Porsche in Südafrika erhielt, besaß Arthur längst einen Porsche, den er aus der Schweiz importiert hatte.

Lindsay Saker fragte Arthur, ob die Firma das Auto für die große Eröffnung verwenden dürfte. Arthur lieh Saker also sein Auto aus. Bei der Veranstaltung lief er dann seinem ehemaligen Chef über den Weg. Der eröffnete ihm voller Stolz, dass er dieses neue Auto kaufen und der erste Porsche-Besitzer in Südafrika werden wolle. Arthur erklärte ihm daraufhin, dass das leider nicht möglich sei, da das Auto bereits ihm gehöre. Solche Anekdoten kann nur das Leben schreiben. Arthur wurde ein guter Freund von Andrew, dem er zum 50. Geburtstag dieses Becker-Safari-Radio aus seinem ersten Porsche schenkte. Als Symbol dafür, dass man nur an sich glauben muss.

Der kurvenreiche 356 wird immer Andrews erste Liebe bleiben

Andrew klappt die Alben zu. Es ist spät geworden. Ihm ist klar: Der 991 wird wahrscheinlich schon bald einer neuen Liebe weichen, einer mit etwas mehr PS und anderen modernen Vorzügen. Aber der kurvenreiche 356 wird immer Andrews erste Liebe bleiben. Nichts wird daran etwas ändern. Er ist so schön und zeitlos wie die anderen Kunstwerke, mit denen sich Andrew umgibt, und reift wie der Wein, den er anbaut. Trennung? Nie wieder!

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