„Wer autoaffin ist, der muss das hier erleben: Goodwood ist das Mekka für Fans schlechthin. Hier fährt alles – vom ältesten bis zum modernsten Auto, vom Rallyewagen bis zum Rundstrecken-Racer. Und die Fans erleben Fahrer und Autos auch noch hautnah.“ Wer so schwärmt, weiß, wovon er redet: Rallyeprofi und Porsche-Entwicklungsfahrer Walter Röhrl kennt jedes Event weltweit und war oft genug hier, um das „Festival of Speed“ einordnen zu können. Wieder gut 200.000 Motorsportfans pilgerten in diesem Jahr am Wochenende vom 13. bis zum 15. Juli bei hochsommerlichen Temperaturen auf das Gelände des Duke of Richmond, der seit nunmehr 25 Jahren eines der weltweit wichtigsten Events für historische und moderne Rennwagen und Supercars mit Stil und feinem Händchen für die ausgewählten Exponate in seinem erweiterten Vorgarten veranstaltet.
Goodwood – der Nabel der Rennsportwelt
Es ist Zufall, dass das silberne Goodwood-Jubiläum mit dem 70. Geburtstag der Marke Porsche zusammenfällt – aber es ist kein Zufall, dass die Briten besonders die deutsche Sportwagenmarke feierten. Auf den ersten Blick ersichtlich durch die Skulptur vor dem Goodwood House, die in jedem Jahr neu erdacht wird und auf die jeweils besonders gefeierte Marke hinweist. Sie stammt vom Künstler und Designer Gerry Judah, der seit rund 21 Jahren für die atemberaubenden Konstruktionen in der Mitte der kreisrunden Kiesauffahrt zum Duke-Wohnsitz sorgt. Diesmal ersann er eine 52 Meter hohe Konstruktion, die eine sich in der Luft entfaltende Feuerwerksrakete stilisiert. Der „Stamm“ misst nur zwölf Zentimeter im Durchmesser, nach oben splitten sich sieben dicker werdende „Äste“ ab. Auf sechs von ihnen befinden sich (fahrfähige!) Ikonen aus Porsches Historie: ein originales 356 Coupé, ein 911, ein 917, ein LMP-Modell sowie aus dem Porsche Museum der 918 Spyder und der 959 Paris-Dakar von 1986.
„Das ‚Festival of Speed‘ ist eben das Epizentrum der Motorsportbegeisterung“, weiß auch Alexander Klein, Leiter Fahrzeugmanagement im Porsche Museum. „Unsere Autos tragen alle Motorsportgene in sich. Daher ist es sowohl Verpflichtung als auch Ehre, sich hier präsentieren zu dürfen. Das Niveau der Fahrer und der Autos ist sehr hoch. Insofern passen Porsche und Goodwood bestens zusammen – Sportlichkeit und Qualität treffen sich hier auf Augenhöhe.“
Als wichtigster Jubilar des diesjährigen „Festival of Speed“ stellte Porsche selbstverständlich auch die stärkste Phalanx an unvergesslichen Automobilen – sowohl im Fahrerlager als auch auf der Strecke. Neben den zwei Exemplaren hoch oben über dem Goodwood House brachte das Museum noch 19 weitere Ikonen mit – zum Beispiel den 961 von 1986, die Rennversion des 959 und den ersten Allrad-Porsche, der in Le Mans startete, sowie den 962 C, der Siegerwagen von Le Mans aus dem Jahr 1987. Der 935/78 mit dem Spitznamen „Moby Dick“ – das 845 PS starke 911-Derivat mit erstmals wassergekühlten Zylinderköpfen von 1978 – fuhr ebenso den adligen Berg hinauf wie der 911 „Paris Dakar“ aus dem Jahr 1984, der damals die schwerste Rallye der Welt als Gesamtsieger gewann. Der erfolgreiche 1994er Dauer 962 GT Le Mans faszinierte genauso wie der GT1 98, der erste Porsche-Renner mit einem Chassis aus Carbon, sowie der RS Spyder, mit dem Porsche ab 2005 für Jahre alle möglichen Titel in der American Le Mans Series nach Zuffenhausen holte.
Auch die Porsche-Ausflüge in die Formel-Klasse waren dabei – der Formel-1-Renner 804, mit dem Dan Gurney 1964 den französischen Grand Prix gewann sowie der 2708, das Porsche-Indycar mit 750 PS starkem V8 von 1988. Erstmals dynamisch zu sehen war der seit vielen Jahren in Restauration befindliche 911 Carrera RSR Turbo. Er ist der erste Renn-911, der mit einem Turbolader ausgestattet wurde. Er belegte 1974 den zweiten Platz in Le Mans. Apropos Debüt: Erstmals zeigte Porsche zusätzlich den Prototyp LMP 2000 öffentlich – in jenem Jahr hatten die Ingenieure das Auto für die LMP1-Klasse des Langstreckenklassikers fertiggestellt. Doch der damalige Porsche-Vorstand gab den Einsatz kurzfristig nicht frei. Seitdem schlummerte das rasante Automobil in der Museumsreserve.
Doch damit nicht genug: Selbstverständlich präsentierte sich auch der ikonische 356 „Nr.1“ Roadster, der erste jemals gebaute Porsche 356 (mit Mittelmotor!), auf der Piste. Er wurde flankiert von dem aufwändig restaurierten 911er mit der Produktionsnummer 57, einem 911 Carrera RS, einem der originalen 959, einem 911 Turbo (993) von 1997, dem viel gerühmten Carrera GT von 2003 und einem faszinierenden 918 Spyder von 2015.
Wo Porsche heute steht, zeigte der originale Klassensieger von Le Mans 2018, die „rosa Sau“ 911 RSR – der so auffällig wie historisch lackierte Elfer gewann dieses Jahr die GTE-Pro-Klasse. Nicht fehlen durfte natürlich auch der Rekord-919 Hybrid Evo, der vor kurzem mit Timo Bernhard am Steuer mit 5:19,55 Minuten einen neuen Rekord auf der Nordschleife in den Asphalt brannte. Der gebührte bis dahin seit 35 Jahren dem deutschen Rennfahrer Stefan Bellof im Porsche 956 mit 6:11,13 Minuten.
Eben – was sind die schönsten und schnellsten Rennautos ohne ihre Fahrer? Jedenfalls nicht so erfolgreich. Deshalb hat Porsche das Who-is-Who ehemaliger und aktueller Top-Driver nach Goodwood eingeladen, um die Ikonen vor dem fachkundigen Publikum rasant zu präsentieren, zum Beispiel die Werksfahrer Kévin Estre, Laurens Vanthoor, Neel Jani und die Legenden Hurley Haywood, Derek Bell, Mark Webber und Richard Attwood.
Rudi Lins – Ende der 1960er Jahre Porsche-Werksfahrer und Hillclimb- sowie Langstreckenspezialist – war jetzt zum zweiten Mal in Goodwood und steuerte den 962 nach oben: „Das hat absoluten Spaß gemacht. Auch wenn ich mit dem starken Auto nur den ersten und zweiten Gang nutzen konnte. So kurze Bergrennstrecken haben wir in Österreich nämlich nicht.“ Dafür empfand er den Start als besonders aufregend: „Der Marshall riet mir: ‚Warm up your tires.‘ Also bin ich mit durchdrehenden Rädern losgefahren. Das hat bestens geklappt.“
962 C, der Siegerwagen von Le Mans aus dem Jahr 1987
Günther Steckkönig, sowohl Test- als auch Rennfahrer bei Porsche von 1972 bis 1987, pilotierte den 961 – genau den Typ, den er damals mitentwickelte. „Das war jetzt richtig schön“, freute er sich bereits nach dem ersten Stint. „Aber immer, wenn ich in so einem alten Auto sitze, denke ich: ‚Mensch, in so etwas bist Du einmal schnell gefahren. Das ist ja eigentlich unmöglich.‘ Aber das war damals eben der Stand der Dinge.“
Der Liechtensteiner Manfred Schurti durfte den „Moby Dick“ präsentieren – kein Wunder: Er war in den 1970er Jahren der Porsche-935-Spezialist und belegte 1978 in Le Mans mit eben diesen den achten Rang. „Das ist mein absolutes Lieblingsauto“, begeisterte er sich für den langen 911er. „Es war, toll, mal wieder das Auto zu bewegen.“ Bewegt war er auch von den Massen an begeisterten Zuschauern: „Die Engländer sind wirklich völlig motorsportverrückt. So ein Spektakel kann man sich nirgendwo anders vorstellen.“
Den gerade fertig restaurierten 911 Carrera RSR Turbo pilotierte der holländische Porsche-Tausendsassa Gijs van Lennep. Der wäre gerne richtig schnell die Piste hoch gedonnert: „Der Wagen geht eigentlich nur richtig über fünfeinhalbtausend Touren, aber mit dem Le-Mans-Getriebe kommt man hier nicht aus dem ersten und zweiten Gang heraus.“ Entschädigt wurde er dafür aber mit Gänsehaut beim „Porsche Moment“.
Günter Steckkönig, Gijs van Lennep, Rudi Lins, Manfred Schurti (l-r)
„Als wir da im Kreis standen vor dem Goodwood House bei Musik und Feuerwerk war das auch für mich etwas ganz Besonderes“, sagte van Lennep nach dem „Porsche Moment“ – eine neue Kreation des Dukes zur Feier des automobilen Jubilars. Dafür wurden alle Porsche – natürlich auch diejenigen der Privatfahrer und -besitzer von Kultmobilen wie 356 A Coupé, 356 B Carrera Abarth GTL, 550 Spyder, 904, 908 „Flunder“ und „Flatnose“ 935 K3 – nacheinander und gegenläufig in das von Kies eingefasste Rondell vor dem Goodwood House geleitet, um gemeinsam dort zu parken und mit einer von einem kleinen Orchester und Chor live begleiteten Hymne von Enya und einem Tagesfeuerwerk vom Dach des hochherrschaftlichen Gebäudes geehrt zu werden.
Ein Moment für die Ewigkeit
Da hatten die Museumsautos bereits ihre eigenen ganz besonderen Porsche-Momente überstanden: „Es ist gar nicht so selbstverständlich, dass die Autos bei der englischen Hitze auf Knopfdruck alles umsetzen, was wir von ihnen fordern“, resümierte Alexander Klein nach dem grandiosen Auftritt von Porsche in Goodwood. „Wechselnde Fahrer und verschiedene Einsätze bedeuten Stress für Mensch und Maschine. Und Le-Mans-Autos sind nicht unbedingt tauglich für Schotterwege oder bergaufläufige Pisten. Aber Porsche kann es, und die Fahrer ebenfalls.“
Auch Walter Röhrl zeigte sich letztlich tief beeindruckt: „Ich bin überzeugt, dass in nächster Zeit kein solcher Moment kommt, wo man alle diese Porsche-Typen auf einem Fleck sehen kann. Das war doch einfach der Hammer.“