Ausnahmsweise ging es nicht um Sekunden, Zehntelsekunden, Hundertstelsekunden, sondern um Genuss in seiner schönsten Form, der ja nicht in physikalischen Einheiten gemessen wird, weil dieses satte, ebenso leichte wie schwere Gefühl kompletter Zufriedenheit ja nicht allein von der Art und Beschaffenheit des Fahrzeugs, dem Zustand der Straßen, dem Kitschfaktor der Landschaft und dem Sonnen-Index des Wetters abhängt, sondern von einer undefinierbaren Kombination daraus.
Das Porsche-Museum hatte für die 24. Ausgabe der österreichischen Ennstal-Classic seinen Hauptsitz kurzfristig ins österreichische Bundesland Steiermark verlegt. Insgesamt waren elf Fahrzeuge aus dem rollenden Bestand des Museums mit Motorsport-Glorie gemeldet, darunter Preziosen wie ein 356 1500 Coupé, zwei 356 Speedster, ein 356 Carrera 2 Cabriolet, der 356 B GS Carrera GTL Abarth, ein 914 / 6, ein 911 2.2 Targa S sowie die Rennsport-Ikonen 550 Spyder Carrera Panamericana und 718 RS 60 Spyder.
Perfekt dazu passend die jeweiligen Piloten: Der Vorsitzende des Aufsichtsrates Dr. Wolfgang Porsche, LMP1-Projektleiter Fritz Enzinger, Porsche-Legende Hans-Joachim Stuck, GT-Weltmeister Richard Lietz, LMP1-Weltmeister Mark Webber, der aktuelle Le Mans-Sieger Neel Jani, Porsche Austria-Chef Dr. Helmut Eggert und Museums-Chef Achim Stejskal.
Für Dr. Porsche, Fritz Enzinger und Richard Lietz ist die Ennstal Classic quasi ein Heimspiel, das in der heimischen Alpen-Landschaft ausgetragen wird. Dr. Porsche ist seit rund 20 Jahren Stamm-Pilot, Fritz Enzinger stammt aus der Nähe des A1-Ringes, und Richard Lietz sieht genau genommen von seinem Wohnzimmer auf eine landschaftlich besonders reizvolle Sonderprüfung.
Jenseits vom jeweiligen Klassiker, den schönsten Nebenstraßen durch die Alpen, dem Kaiserwetter und der Begeisterung der Zuschauer könnte die Ennstal-Classic durchaus Positiv-Stress verursachen. In drei Tagen müssen knapp 200 Klassiker bis Baujahr 1972 rund 1.000 Kilometer durch enge Schluchten, über karge Pässe sowie weitläufige Almen bewegt werden und dabei 30 meist geheime Wertungsprüfungen absolvieren.
Marc Webber und Neel Jani nutzten dabei gerne das verfügbare Drehzahlband ihrer Werks-Spyder, um den beifahrenden Journalisten aus England, Österreich und Deutschland eine sehr erträgliche Leichtigkeit der Motorsport-Geschichte zu demonstrieren. Dass es auch anders geht, demonstrierte Dr. Eggert im 356 Speedster am A1-Ring. Dort mussten vier Runden mit einer selbst gewählten Rundenzeit gefahren werden, wobei die dritte Runde drei Sekunden schneller als die Sollzeit sein musste.
Eggert / Silbermayr hatten einen mechanischen Tripmaster und zwei mechanische Stoppuhren an Bord, aber offensichtlich ein inneres Elektronik-Programm im Gasfuß: Abweichung 0,2 Sekunden, also doch ordentliche zwei Zehntel daneben, aber immerhin Platz 1.
Noch wichtiger war für alle Beteiligten, dass Besatzungen und Fahrzeuge sicher, entspannt, unversehrt und fröhlich ins Ziel kamen. „Auch die wertvollsten Sportwagen-Klassiker brauchen eben eines: regelmäßigen Auslauf“, weiß Achim Stejskal, „und bei uns auch gerne unter schwierigen und sportlichen Bedingungen.“
Das sehen die Klassik-Aficionados übrigens ähnlich: Ein Fünftel aller Ennstal-Teilnehmer fuhren auf Porsche.