„Ich denke heute noch gern zurück an die Begegnung mit dem Professor. Er hatte immer ein offenes Ohr für die Belegschaft und kam jeden Morgen persönlich in die Lehrwerkstatt, um uns per Handschlag zu begrüßen“, erinnert sich Herbert Linge. „Oft war auch sein Sohn Ferry dabei.“ Wenn Linge von jenem Professor erzählt, meint er Firmengründer Ferdinand Porsche. Seine Augen leuchten dann ganz besonders.
Herbert Linge hat Ferdinand Porsche noch persönlich kennenlernen dürfen. Zum 1. April 1943 trat er in das Unternehmen Porsche ein, das sich 1949, zurück aus dem österreichischem Gmünd, wieder an seinen Ursprung ansiedelte: Stuttgart-Zuffenhausen.
Linge lernte Kraftfahrzeugmechanik am Sportwagen und war von Minute Eins an in die Entwicklung des ersten in Stuttgart konstruierten Porsche 356 beteiligt. Später entsendet ihn Ferry Porsche persönlich zum Aufbau des Porsche-Kundendienstes in die USA. Herbert Linges Begeisterung für den Motorsport wächst währenddessen mit jedem Anstellungsjahr bei Porsche. Sie geht so weit, dass Linge nach Einsätzen als Test- und Entwicklungsfahrer immer häufiger auch Rennen bestreitet:
Anfangs noch als Co-Pilot und Mechaniker, wie etwa bei der Carrera Panamericana im Jahr 1952. Später nimmt er den Volant selbst in die Hände. Bei der Mille Miglia zum Beispiel, oder der Rallye Lüttich-Rom-Lüttich, die er genauso gewinnt, wie den Marathon de la Route auf dem Nürburgring. Für Le Mans ereifert sich der Porsche-Pionier noch heute, wenn er davon erzählt.
Linge: „Die Rennfahrer hatten tiefen Respekt vor dem 917.“
Der dort eingesetzte Porsche 917 bringt das Blut Linges immer noch auf Temperatur. Das einstige Fahrgefühl ruft er ab, als wäre es gestern gewesen: „Die Rennfahrer hatten tiefen Respekt vor dem 917. Bei zirka 370 Stundenkilometer auf der Hunaudieres-Geraden hob der auch schon mal hinten ab. Sie müssen sich vorstellen, das Fahrzeug war damals aerodynamisch ein unbeschriebenes Blatt. Wir hatten in Stuttgart zwar einen Windtunnel, aber der war maximal für den 906 ausgelegt.“ Während Mercedes ein ähnliches Risiko einging, wich Porsche bei zu großen Schwierigkeiten immerhin noch auf den 908 Langheck aus. „Mercedes konnte das nicht, die hatten kein anderes Fahrzeug“, so Linge.
Als krönenden Abschluss seiner aktiven Zeit von Le Mans wirkte Herbert Linge 1971 noch in Steve McQueens gleichnamigen Film mit. Er fuhr den Porsche 908, der als Kameraauto für die Dreharbeiten von Le Mans fungierte und die nötigen Bilder einholen sollte. „Porsche und McQueen hatten ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Unser damaliger Rennleiter stand voll hinter dem Film und wir unterstützten McQueen, wo wir nur konnten“, erinnert sich Linge. „Steve konnte aus Versicherungsgründen nicht selbst am echten Rennen teilnehmen und hatte auch kein Fahrzeug, das dem offiziellen Reglement entsprach. Doch er wollte für seinen Film die echten Bilder – und mit dem 908 besorgte ich sie ihm“, so Linge.
„Der Einsatz jedoch war nicht so einfach, manchmal waren wir schneller als die anderen und dann hieß es wieder, wir sollten warten. Gewinnen durften wir ja nicht“, erzählt Linge. Doch am Ende sicherte sich Herbert Linge mit dem 908 sogar noch Platz 8.
Linge brachte Porsche den Standort Weissach ein
Der Pionier steht auf dem Balkon seines Hauses in Weissach. Von hier genießt er einen freien Blick auf das Entwicklungszentrum. Linge ist in Weissach geboren und hier lebt er bis heute. Linge war es auch, der Porsche den Standort Weissach einbrachte. „Ich konnte Ferry Porsche Ende der 1950er-Jahre von meinem Heimatort Weissach überzeugen. Es liegt logistisch günstig nahe Zuffenhausen und ist weit genug auf dem Land, um wenig Aufsehen zu erregen. Und natürlich war hier mehr Platz für den Bau einer Teststrecke als in der Stadt“, so Linge. „Wobei unser Testparcours anfangs nur ein runder Kreis war“, sagt er freudig.
Sicherheit hatte für Linge schon immer oberste Priorität. Der internationale Motorsport verzeichnete früher bei fast jedem Rennen den Tod von mindestens einem Fahrer. 1972 legt Linge den Grundstein für die Sicherheitsstaffel der Obersten Nationalen Sportkommission (ONS). Die ONS-Staffel rettet vielen Rennfahrern das Leben und 1982 erhält Herbert Linge dafür das Bundesverdienstkreuz. Linges ONS-Dienstwagen war übrigens der Porsche 914.
Privat parkt ein 911 Targa aus den 1970er-Jahren in seiner heimischen Garage. Er bewegt ihn regelmäßig. Linge feierte im Sommer 2018 seinen 90. Geburtstag, doch von Pensionsgefühlen ist wenig zu spüren.
Wenn er nicht gerade aufgrund seines historischen Wissens von Porsche zu Rate gezogen wird, unterstützt er den Porsche-Sportverein „Freunde Luftgekühlter Boxermotoren (FLB)“ als aktives Mitglied.
Das 9:11 Magazin traf den nimmermüden Pionier:
Das 9:11 Magazin
Unter 911-magazin.porsche.de präsentiert der Sportwagenhersteller Unterhaltsames und Wissenswertes aus der Porsche-Welt. Dabei reicht das Spektrum von der Vorstellung neuer Fahrzeuge bis hin zu Meilensteinen der Unternehmensgeschichte. Das Web-TV-Format ergänzt das Porsche-Kundenmagazin „Christophorus“ und erscheint im gleichen Rhythmus fünf Mal im Jahr in deutscher und englischer Sprache. Zusätzliches Footage-Material sowie Fotos stehen für journalistische Zwecke frei zur Verfügung.