Seit einem Unfall während eines Motorradrennens im September 1934 muss der gebürtige Österreicher Otto Mathé mit nur einem Arm auskommen, sein rechter ist nach dem Zwischenfall ellbogenabwärts gelähmt. Das hindert ihn jedoch nicht daran, weiter aktiv am Motorsport teilzunehmen. Im Gegenteil: Mathé verdoppelt seinen Reifensatz und findet sich künftig auf vier Rädern wieder. Aufgeben kommt nicht in Frage. Seine automobile Leidenschaft gilt künftig der Marke Porsche. Mitte der 1950er-Jahre transportierte er dann auch immer öfter ein eher ungewöhnliches Vehikel zu den Rennstrecken seiner Wahl: den sogenannten Fetzenflieger.

Komponenten eines Volkswagen und die Performance des verbauten Porsche-Motors legten das Monoposto eigentlich als Formel-2-Wagen aus. Doch Mathé behält sich auch einen Satz anschraubbarer Kotflügel, Beleuchtung, einen zweiten Sitz sowie ein Reserverad als Option bereit und setzt das Konstrukt bei Bedarf im Handumdrehen in anderen Rennserien ein. Mit seinem Oberkörper stützt er sich gegen das Lenkrad, um mit seiner linken noch intakten Hand den Schalthebel zu bedienen, der ebenfalls links installiert ist. Eine Pose, die den Österreicher weltbekannt macht. Und trotz seines körperlichen Handicaps: Mathè deklassiert regelmäßig die Konkurrenz und verweist jeden noch so eifrigen Piloten auf die Plätze hinter ihm.


Der sonderbare Porsche feuert die Karriere des Otto Mathé regelrecht an. Der selbst konstruierte Rennwagen, unter dessen von Hand gedengelter Aluminiumhaut ein 1.5-Liter Werksrennmotor (Spyder) und später sogar ein Fuhrmann-Motor aus dem 356 A Carrera GT zum Einsatz kamen, zählt sicher zu den außergewöhnlichsten Porsche-Rennfahrzeugen. Ein extrem niedriger Schwerpunkt, der kurze Radstand und der vor der Hinterachse verbaute Motor verleihen dem Fahrzeug überragende Fahreigenschaften. Ein Leergewicht von nur 395 Kilogramm und 130 PS beschleunigen das Gefährt auf mehr als 200 Km/h. Doch nicht allein das bringt ihm den skurrilen Kosenamen „Fetzenflieger“ ein.

Um die Zündkerzen auf den beiden Seiten bei Bedarf schneller wechseln zu können, lässt Mathé die Seitenverkleidung offen. Einzig zwei überlappende Stoffplanen schützen die Vergaser vor eintretendem Schmutz und wirken zudem als Luftfilter. Bei gelegentlichen Fehlzündungen jedoch kam es vor, dass sich der Stoff entzündete und im Zuge der Geschwindigkeit in Form von brennenden Fetzen auf die Rennstrecke fiel.

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Otto Mathé, Fetzenflieger, Porsche AG
Otto Mathé im Cockpit des Fetzenfliegers aus dem Jahr 1952. Das skurrile Monoposto setzte der Österreicher in Sandbahn- und Eisrennen ein. Volkswagen-Komponenten und ein Porsche-Motor kamen in ihm zum Einsatz. Deutlich erkennbar: die mit Stoff abgehängten Lufteinlässe.
Otto Mathé, Fetzenflieger, Porsche AG
Bei Fehlzündungen entflammte sich die Abdeckung und flog als brennender Fetzen auf die Rennstrecke. Dank anschraubbarer Kotflügel und zweitem Sitz war das für die Formel-2 ausgelegte Monoposto ein echter Alleskönner.
Otto Mathé, Porsche 356, Porsche AG
Porsche zählte zu Mathés großer Leidenschaft. Neben dem Fetzenflieger pilotierte er auch Sportwagen wie den 356. In Innsbruck gewinnt er am 3. August 1952 das erste Mal.
Otto Mathé, Porsche Typ 64, Porsche AG
Mit dem Berlin-Rom-Wagen Typ 64 fuhr Mathé die meisten Siege für Porsche ein. Erstmals bestritt er 1949 das Coppa d‘Oro delle Dolomiti, am 7. September 1952 finden sich die beiden erstmalig auf Platz eins wieder.
Otto Mathé, Porsche 356, Porsche AG
Mathé im Porsche 356 am 9. August bei dem Bergrennen im Schauinsland. Bis heute ist der Freiburger Pass Deutschlands längste und kurvenreichste Rennstrecke.
Otto Mathé, Porsche 356, Porsche AG
Mit dem 356 und einem entsprechendem Hänger zog Mathé seinen Fetzenflieger oft selbst an die Rennstrecken seiner Wahl. Stand der Rennwagen mal nicht bereit, nahm er eben den 356.

Der Fetzenflieger kam vorwiegend auf Sandbahnrennen oder Eisrennen zum Einsatz. Zum Beispiel zum legendären Dr. h.c. Ferdinand Porsche Gedächtnisrennen in Zell am See. Otto Mathé legte 1956 dort eine Rekordzeit hin und fuhr in nur 157 Sekunden über den vier Kilometer langen, eisigen Parcours.

Er ließ dabei auch Porsche-PR-Chef und Rennfahrer Huschke von Hanstein sowie Richard von Frankenberg hinter sich. Rund 3000 Motorsport-Fans zog der Fetzenflieger damals unterhalb des Großglockners in seinen Bann.

Das 9:11 Magazin hat seltenes Bildmaterial vom Fetzenflieger ausgegraben:

Das 9:11 Magazin

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