Ferry Porsche ließ unter anderem knapp auf dem karierten Wunschzettel notieren: "2-Sitzer mit 2 bequem. Notsitzen. Rückblickspiegel in Kotflügel einbeziehen. besserer Einstieg." Der Verkauf forderte gleichzeitig: "Bisherige Porsche-Linie beibehalten. Kein grundsätzlich neuer Wagen. Sportl. Charakter." Die Marschrichtung war damit vorgegeben: Evolution statt Revolution. Das galt auch für die Technik. Das Antriebsprinzip mit dem Boxermotor im Heck sollte beibehalten, das Fahrwerkkonzept modernisiert werden.
Im Mittelpunkt stand freilich zunächst die Form der künftigen Baureihe. Eine Designabteilung gab es bei Porsche damals noch nicht, die Formgebung war ein Bestandteil der Karosserieentwicklung. Mehrere Vorschläge aus der Konstruktion, aber auch namhafter Designer waren bei Porsche eingegangen. So elegant sie mitunter gezeichnet waren, nicht einer davon stieß bei Ferry Porsche auf Gegenliebe: Sie seien schön, aber eben keine Porsche, urteilte der Firmenchef. Den entscheidenden Impuls gab erst der Entwurf eines blutjungen Designers, der 1957 in das Konstruktionsbüro der damaligen Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG eingetreten war: Ferry Porsches Sohn Ferdinand Alexander modellierte 1959 ein Coupé, das erstmals den Vorstellungen des Firmengründers nahe kam. Auf der Grundlage seiner Entwürfe entstand 1960 mit dem Prototyp 754 die vielversprechende Studie eines Viersitzers.
Vorbote des 911: Der Typ 754 von 1959
Der Typ 754 trug bereits die meisten typischen Merkmale der heutigen Design-Ikone 911. Die abgeflachte Fronthaube zwischen den frei stehenden Kotflügeln. Die schräg stehenden integrierten Scheinwerfer, die A-Säulen mit der Windschutzscheibe, die elegant auslaufende Heckpartie. Fast alle Bedingungen des Lastenheftes hatte der Entwurf von F.A.Porsche, wie ihn seine Mitarbeiter nannten, erfüllt. Mit einer Ausnahme: Das gewünschte Fließheck. Ferry Porsche bestand darauf und erteilte dem Viersitzer damit eine Absage. Als Kompromiss wurde der Radstand von 2.40 Meter der bisherigen Entwürfe auf 2.20 Meter verkürzt.
1962 startete die Entwicklung des Fließheck-Coupés mit 2+2-Sitzanordung. Seine Typbezeichnung: 901. Am Abend des 9. November 1962 rollte der erste Prototyp zur Versuchsfahrt aus dem Zuffenhausener Werkstor. Die Zeit war knapp. Bis zum Herbst 1963 sollte ein fahrfertiges Auto entstehen um auf der IAA Weltpremiere zu feiern. Die Ingenieure waren nicht nur mit dem 901 beschäftigt, sondern hatten zeitgleich auch eine Reihe von Entwicklungsaufträgen zu bearbeiten. Porsche war ja nicht nur Automobilhersteller, sondern weiterhin ein viel beschäftigtes Konstruktionsbüro. Erschwerend kam hinzu, dass der Karosserielieferant Reutter vor den Investitionen für das neue Modell zurückschreckte. Um überhaupt an eine Serienfertigung zu denken, blieb nur die Flucht nach vorn: Porsche übernahm im Sommer 1963 das Presswerk, einschließlich seiner rund 1000 Mitarbeiter.
Weltpremiere mit einem Vorserienfahrzeug: Debüt des 901 in Frankfurt 1963
So feierte Porsche am 12. September auf der IAA die Weltpremiere des 901 mit einem Vorserienfahrzeug, dessen Stand noch längst nicht endgültig war. Erst im Mai 1964 war die Entwicklung soweit fortgeschritten, dass das neue Modell der Fachwelt vorgestellt werden konnte. Der Sechszylinder-Boxermotor mit acht Kurbelwellenlagern war komplett neu. Eine Trockensumpfschmierung sorgte für ausreichende Ölversorgung auch bei hoher Längs- und Querbeschleunigung. In den Zylinderköpfen rotierte jeweils eine Nockenwelle, angetrieben über Zwischenwellen und eine Kette. 9:1 verdichtet schöpfte das Triebwerk aus dem Hubvolumen von 1991 ccm eine Leistung von 130 PS bei 6.200 Umdrehungen pro Minute.
Auf der Abgasseite bediente sich Porsche des vom 356 bewährten Prinzips der Wagenheizung über Wärmetauscher. Die Heizungsrohre verliefen in den Schwellerkästen mit Austrittsöffnungen in Höhe des Fußraums. Heck- und Frontscheibe wurden direkt von Entfrosterdüsen mit Warmluft beaufschlagt. Um Komfortnachteilen gegenüber wassergekühlten Konkurrenzfahrzeugen vorzubeugen, sah man für den 901 eine serienmäßige Zusatzheizung im Vorderwagen vor. Zur Kraftübertragung diente ein neu entwickeltes Fünfgang-Getriebe, das auch beim zeitgleich debütierenden 904 Carrera GTS eingesetzt wurde.
Aus 901 wird 911: Pragmatische Namensänderung im Produktionsanlauf
Am 14. September 1964 startete Porsche die Serienproduktion des 901. Die ersten Fahrzeuge blieben ausschließlich im Werksbesitz oder wurden als Ausstellungsfahrzeuge eingesetzt. So auch für den Pariser Autosalon, der noch im selben Monat öffnete. Die Ausstellung bescherte Porsche jedoch ein unerwartetes Hindernis: Die erstaunte Porsche-Geschäftsleitung erreichte Anfang Oktober 1964 der Einspruch des französischen Herstellers Peugeot, der hinsichtlich der Typenbezeichnung 901 auf eine Verletzung des französischen Urheberrechts und Warenzeichenschutzes hinwies. Die Verkaufsleitung schlug daraufhin vor, das Typenprogramm so zu verändern, daß anstelle der "0" jeweils eine "1" eingefügt wurde. Durch diese pragmatische Lösung mussten beispielsweise die vorbereiteten Drucksätze für Verkaufs- und Werbeunterlagen, Betriebsanleitungen und andere Schriftstücke nicht umfangreich geändert werden.
Am 22. Oktober 1964 gab Ferry Porsche die Order zur Namensänderung. Der 901 hieß nach diesem Tag 911. Just an diesem 22. Oktober 1964 nahm in der Fertigung ein 901 Gestalt an, der unter der neuen Bezeichnung 911 auf die Straße kommen sollte. Es war das dritte und letzte Fahrzeug, das an diesem Tag gebaut wurde. Das rote Coupé trug die Fahrgestellnummer 300 057. Heute ist die Nummer 57 der Stolz des Porsche Museums.